YouTube und Twitch sind zwar beides Videoplattformen, jedoch unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Was sind die Unterschiede und wie eignen sich die Netzwerke für die Verbreitung von Unternehmensbotschaften?
Twitch ist live und interaktiv
Bei Twitch geht es um Video-Content in Form von Livestreams. Die Plattform ist das digitale Zuhause der Gamer und enorm reichweitenstark bei den 15- bis 29-Jährigen. So begleiten Millionen Zuschauer ihre Idole beim Zocken von neuen Hype-Spielen wie Fortnite. Dabei gucken sie nicht nur passiv zu, sondern können in einem Chat miteinander und mit dem Streamer kommunizieren.
Twitch-Streamer können Geld über das hauseigene Affiliate-Programm verdienen. Dabei wählen die Zuschauer zwischen vier Abonnements, um ihren Zockerliebling finanziell zu unterstützen. Seit Kurzem haben Streamer auch die Möglichkeit, Extensions wie „Gear on Amazon“ in den Stream zu integrieren, um sich weitere Monetarisierungswege zu eröffnen. Mittels dieser Extension kann der Streamer eine Liste von Gegenständen erstellen, die er nutzt und die zugleich bei Amazon erhältlich sind. Kauft nun einer der Zuschauer einen Gegenstand aus der Liste, erhält der Streamer eine Provision von Amazon.
Darüber hinaus lässt sich als Gamer Werbung platzieren, sofern mindestens 500 Zuschauer mitgucken und dreimal gestreamt wird – beide Zahlen beziehen sich auf einen Zeitraum von sieben Tagen. Umgekehrt können Unternehmen auf Twitch Werbespots schalten. Doch nicht nur das: Auch kreative Kampagnen zusammen mit den Streamern sind möglich. So verschwanden anlässlich des Filmstarts von Star Trek Beyond drei Twitch-Streamer während ihrer Live-Sessions scheinbar spurlos. Tatsächlich landeten sie aber, so die weitergesponnene Geschichte im Livestream, auf dem Raumschiff Enterprise, um von dort Star-Trek-Merchandise an ihre Zuschauer zu verteilen und innerhalb von zwei Stunden die Reise nach Hause anzutreten.
Das ist nur ein Beispiel, wie Unternehmen auf Twitch Aufmerksamkeit generieren. Ein weiteres geht in Richtung Influencer Marketing: So werden passende Produkte an Gamer geschickt, zum Beispiel Kopfhörer und Tastaturen. Diese testen die Produkte im Livestream und teilen den Zuschauern ihre Erfahrungen mit. Live-Verlosungen sind ebenfalls beliebt, in denen die Zocker die gesponserte Hardware von Unternehmen an Gewinner im Publikum verschenken.
YouTube: professionell, aber authentisch
Video-Content von Marken wird online immer beliebter. Laut dem „Future of Trends Report“ wollen 54 Prozent der Befragten bevorzugt Bewegtbild von Unternehmen sehen. Parallel zu dieser Entwicklung schauten 71 Prozent der Nutzer mehr Videos als ein Jahr zuvor. Klarer Marktführer hierbei ist YouTube.
Seit Jahren schon nutzen Unternehmen dort das Potenzial, indem sie Imagefilme, Insights, How-tos, Interviews oder ganze Magazine veröffentlichen. Der Content verfolgt dabei verschiedene Ziele: Von der Steigerung der Markenbekanntheit über die Kundenbindung bis hin zur Platzierung von Angeboten ist alles dabei. Auch Werbespots vor, nach oder innerhalb von Videos sind gang und gäbe.
Kein Wunder: Denn mit dem Upload von Videos bei YouTube schlagen Unternehmen zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen liefern sie Video-Content. Zum anderen sparen sie sich Ausgaben für Fernsehwerbung, um ihre Zielgruppe zu erreichen. Professionell sollten die Videos aber sein, wenn Unternehmen ernsthaft bei YouTube Marketing betreiben wollen. So warnt SEO-Agenturgründer Markus Hövener: „Ansonsten gibt es natürlich auch kleine Kunden, die dann irgendwie den Auszubildenden haben, der irgendwie sagt: ,Hey, YouTube, da gibts jetzt ganz viele Unternehmen, da müssten wir eigentlich auch mal aktiv werden.‘ Dem drücken die dann oft eine Kamera in die Hand und lassen den mal machen. Das ist natürlich dann auch strategisch nicht wirklich geplant.“
Entscheidend bei YouTube ist laut Hövener die Authentizität. So müssten es keine Tausende Euro teuren Hochglanz-Imagefilme sein, die sich an die eigene Zielgruppe richten. Das könnten die meisten kleinen mittelständischen Unternehmen, geschweige denn Einzelkämpfer, ohnehin nicht stemmen. Lieber professionell, aber mit visuell leicht umsetzbaren Videos anfangen:
- kurze Frage-Antwort-Clips mit dem Geschäftsführer
- Interview eines Mitarbeiters in den Büroräumen
- Aufrufe zur Bewerbung auf eine Stelle beziehungsweise einen Ausbildungsplatz
Auch bei kleinem Budget gilt also: YouTube eignet sich als Kommunikationskanal für Unternehmen. Dabei reicht die Bandbreite von sympathischen kurzen Clips bis hin zu hochprofessionellen Geschichten mit Schauspielern. Um die gesteckten Ziele zu erreichen, sollte in jedem Fall eine Balance zwischen Authentizität und einem Mindeststandard an filmischer Qualität bestehen (keine Wackelkamera etc.).
Welche Plattform ist besser?
Während bei YouTube einzelne Videos hochgeladen und immer wieder angeschaut werden können, dreht sich bei Twitch alles um Livestreams. Darüber hinaus ist die Zielgruppe bei Twitch spitzer, was an der starken Ausrichtung auf Gaming und Let’s Plays liegt. Doch melden sich immer mehr Nutzer an, die über Twitch Creative andere Interessen wie Social Eating*, DIY oder Kunst streamen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Für Unternehmen ist es wichtig, die Kommunikation auf diese unterschiedlichen Faktoren hin auszurichten.
Allerdings kommen auch Überschneidungen in Richtung Product Placement vor: So präsentieren bekannte YouTuber ebenso auf Twitch Produkte, die sie von Unternehmen erhalten. Eine Doppelnutzung beider Plattformen ist sogar recht häufig, wie Szenestars zeigen. So zum Beispiel Simon Unge, der in den vergangenen Monaten mit Reaction-Videos auffällt: Dabei reagiert er im Twitch-Livestream auf YouTube-Videos anderer. Diese Reaktion wird parallel aufgezeichnet und als Zweitverwertung bei seinem eigenen YouTube-Kanal veröffentlicht – und mit etlichen Zuschauern belohnt.
Zusammenfassend lässt sich sagen: YouTube und Twitch unterscheiden sich primär in der Art des Video-Contents, der Nutzung sowie der Zielgruppe. Während auf YouTube alle Themen und Formate ihren Platz finden, richtet Twitch sich klar an junge Gamingfans. Diese Unterschiede sollten Unternehmen vor Augen haben, wenn sie sich bei Marketingabsichten für oder gegen eine der beiden Plattformen entscheiden.
* Social Eating ist ein Trend, der vom südkoreanischen Muk-Bang stammt: Das Publikum schaut einem Streamer dabei zu, wie er isst.
// Über den Autor
Benjamin Brückner ist Journalist, Blogger und Gründer der Online-Plattform Freelance Start. Nach mehrjährigen Tätigkeiten in Hörfunk- und Fernsehredaktionen veröffentlichte er zwei Bücher und arbeitet unter anderem als Redakteur und Newsletter-Teamleiter bei Zielbar. Auf seinem eigenen Blog verfasst er regelmäßig Rezensionen, Lesetipps und Analysen zu gesellschaftlichen Themen. Privat interessiert Benjamin sich für Philosophie, Geschichte, Sport, digitale Entwicklungen und natrlich für kreatives Schreiben. Für den OSK-Blog schreibt der 30-Jährige als Gast-Autor über aktuelle Internettrends, die Digitalisierung und die Medienbranche.