Naturkatastrophen, Pandemie, Krieg: Über einschneidende Krisen und Katastrophen in der Welt wird längst nicht mehr nur in Zeitungen und dem Fernsehen berichtet. Nachrichten – häufig schlechte – dominieren in Form von Bildern und Videos auch die sozialen Netzwerke und zwar rund um die Uhr. Die Inhalte der Social-Media-Feeds bestehen dann plötzlich nicht mehr nur aus unterhaltsamen Clips, Memes und harmlosen Bildern, sondern zeigen mitunter erschreckende Szenen von Menschen auf der Flucht, von Gefechten und Zerstörung. Vor allem die Kurzvideo-App TikTok bekommt für ihren Umgang mit potenziell kritischen Inhalten Gegenwind. Wir erklären, woran genau das liegt, welchen Drahtseilakt Redaktionen mit ihren Kanälen in den sozialen Medien oft vollführen müssen und wie Nutzer*innen Falschinformationen erkennen können.

OSK Blog - TikTok als News-Kanal - Infoquelle für Jüngere

Falschmeldungen können sich in Windeseile verbreiten

Speziell für einen großen Teil der jüngeren Generation ist TikTok eine der wichtigsten Informationsquellen: Im September 2021 knackte das soziale Netzwerk die Marke von monatlich einer Milliarde aktiven Nutzer*innen weltweit. 69 Prozent von ihnen sind zwischen 16 und 24 Jahren alt. Neben Tanzvideos, Rezeptempfehlungen und Beauty-Tipps bekommen sie mittlerweile aber auch Kriegsszenen in ihre Feeds gespült, spätestens seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine.

Nur eines von zahlreichen Problemen dabei – auch mit Blick auf andere politische Themen wie zum Beispiel Wahlen: Vor allem in Krisenzeiten tauchen auf Social Media vermehrt Falschmeldungen auf. Ob die Postings wirklich das zeigen, was sie vorgeben, ist auf den ersten Blick oft nicht erkennbar. Und dennoch posten und teilen Nutzer*innen entsprechende Inhalte meist schneller, als sie gegengecheckt werden können. TikToks Algorithmus, der bestimmt, welche Videos im „Für Dich“-Feed angezeigt werden, tut sein Übriges. Denn kaum jemand steuert in der App gezielt Accounts an oder gibt Suchbegriffe ein. Das Wall Street Journal fand im vergangenen Jahr heraus, dass TikTok-User*innen, die sich Videos in diesem Kontext oft und lange anschauen, immer extremere Inhalte zu sehen bekommen, um wiederum ihre Verweildauer in der App zu erhöhen.

Genau dieser Algorithmus mache es laut Zeit.de darüber hinaus möglich, dass bereits das erste Video, das ein Account hochlädt, viral gehen kann und somit von Millionen angeschaut wird. Aktuell oder gar der Wahrheit entsprechend müssen die Inhalte dafür allerdings nicht sein. Studien zeigen, dass sich Desinformationen sogar schneller in den sozialen Medien verbreiten als Fakten.

OSK Blog - TikTok als News-Kanal - Fluch und Segen

Social Media in Krisenzeiten: Fluch und Segen zugleich

Der Spiegel beschreibt die Entwicklung von TikTok als „Schlachtfeld im Informationskrieg“. Denn: Auch beispielsweise die am Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beteiligten Parteien wissen sehr wohl um die Macht der Bilder- und Informationsflut auf den verschiedensten Plattformen und wollen sie dementsprechend für sich nutzen. Russische TikTok-Stars sollen etwa einer investigativen Recherche von Vice News zufolge koordiniert Kreml-Propaganda verbreitet haben. Und auch russische Staatsmedien wie Russia Today oder Sputnik nutzen die Plattform laut einer Studie des Institute for Stratetic Dialogue gezielt, um die Ukraine zu diffamieren. Mittlerweile hat TikTok seinen Dienst in Russland erheblich eingeschränkt: Nutzer*innen können dort keine neu hochgeladenen Clips mehr aus dem Ausland konsumieren.

Doch die App birgt durchaus positives Potenzial als Informationsquelle: Vor allem viele junge Menschen erhalten so eine Möglichkeit, auch von komplexen Vorgängen und Ereignisse zu erfahren, sie zu verstehen, zu verarbeiten oder selbst darüber aufzuklären. Mittlerweile sind auch renommierte Medienhäuser mit eigenen Kanälen auf TikTok vertreten – schließlich geht an der Plattform kaum ein Weg vorbei, wenn man junge Nutzer*innen erreichen möchte. Die Tagesschau startete bereits Ende 2019 mit einem eigenen Account, um laut der ARD „neben journalistischen Inhalten für eine junge Zielgruppe auch einen humorvollen Blick hinter die Kulissen der erfolgreichsten TV-Nachrichtensendung“ zu liefern. Ende Juni 2022 zählt der Kanal 1,3 Millionen Follower*innen. Die Washington Post liegt mit 1,4 Millionen auf einem ähnlichen Level wie die Tagesschau und gab vor knapp drei Jahren als langfristige Ziele an, Leser*innen für ihre Produkte zu begeistern und sich als modernes Medium etablieren zu wollen. Denn: Geld verdienen können Medienhäuser bislang nicht mit TikTok – es geht vor allem darum, das eigene Image innerhalb einer jungen Zielgruppe zu stärken.

Jedoch wird die Platzierung von journalistischen Inhalten auf TikTok nicht nur positiv gesehen, was vor allem an der Intransparenz der Mutterfirma Bytedance bei ihrem Umgang mit Inhalten auf der Plattform liegt. Und um erfolgreich in sozialen Netzwerken zu sein, müssen Redakteur*innen zwangsläufig nach den Regeln der jeweiligen Plattform spielen, die durch ihre Wirkungsmechanismen großen Einfluss auf die Inhalte ausüben, wie eine Studie des Journalisten und Journalismusforschers Henning Eichler feststellt. Er weist allerdings darauf hin, dass einige Algorithmen und Features durchaus wünschenswerte Effekte haben. Eine Recherche von netzpolitik.org zeigte, dass TikTok Videos von politischen Protesten unterdrücken kann und auch ansonsten vielfältige Möglichkeiten hat, zu bestimmen, welche Inhalte sichtbar sind. Die Plattformbetreiber*innen selbst blieben der Autorin gegenüber dabei, „keine Inhalte basierend auf politischen Ausrichtungen oder Sensitivitäten“ zu moderieren.

OSK Blog - TikTok als News-Kanal - Falschmeldungen

Unseriöse oder gezielt irreführende Meldungen erkennen

Um zumindest die Ausbreitung von Falschinformationen oder irreführenden Inhalten zu begrenzen, sollte jede*r einzelne von uns ein Stück weit Verantwortung übernehmen. Dazu gehört laut watson zuallererst, Informationen auf Social Media kritisch zu hinterfragen – unabhängig davon, ob sie das eigene Weltbild bestätigen oder nicht. Grundsätzlich sei die Quelle ein wichtiger Anhaltspunkt dafür, ob geteilte Informationen und Bilder vertrauenswürdig sind, wie tagesschau.de erklärt. Nachrichtenagenturen wie dpa, AFP oder AP prüfen ihr Material vor der Veröffentlichung und geben bei Bildern und Videos – soweit möglich – die jeweilige Quelle, das Datum und den Aufnahmeort an. Bei Social-Media-Profilen lohne es sich, auf die Anzahl der Follower*innen, das Erstellungsdatum des jeweiligen Accounts, die Verifizierung des Profils via blauem Haken oder den Arbeitgeber der Person zu schauen, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen.

Auch mit einer Bilderrückwärtssuche lässt sich die Glaubwürdigkeit von Bildern und Videos überprüfen: Suchmaschinen durchkämmen dabei das Internet nach gleichen oder ähnlichen Darstellungen. So kann man im Zweifel bereits zu einem früheren Zeitpunkt verwendete oder auch manipulierte Inhalte entdecken. Häufig finden sich in den Kommentarspalten bereits entsprechende Hinweise anderer aufmerksamer Nutzer*innen. Zwar ist auch mit diesen Tipps nicht immer klar zu erkennen, wie vertrauenswürdig bestimmte Inhalte tatsächlich sind. Doch wer sich Zeit nimmt, Informationen zu prüfen, kann in vielen Fällen verhindern, auf Desinformation hereinzufallen. In jedem Fall sollte gelten: Besteht nach der eigenen Recherche Zweifel an Echtheit oder Aktualität eines Inhalts, sollte man das jeweilige Bild oder Video besser nicht teilen. User*innen können das Posting aber auf vielen Plattformen melden und so eine Überprüfung veranlassen.

Doomscrolling: Im Sog der schlechten Nachrichten

Gerade in Krisenzeiten können viele Menschen nicht mehr damit aufhören, ständig auf das Smartphone zu schauen und sich durch all die schlechten Nachrichten zu klicken. „Doomscrolling“ nennt sich dieses Verhalten – eine Wortschöpfung aus „doom“, Englisch für Untergang/Verderben, und „scrollen“ – und es kann schnell zu Stress, Überforderung oder im Zweifelsfall sogar zu handfesten psychischen Problemen führen. Deswegen kann es ratsam sein, Push-Nachrichten auf seinem Smartphone zu deaktivieren und sich bewusst auch news-freie Phasen zu schaffen, um Informationen sortieren und Gefühle verarbeiten zu können. Auch der Austausch mit anderen kann dabei helfen, die eigenen Sichtweisen zu hinterfragen und einzuordnen.

Über die Autorin

Christina Finke ist ausgebildete Print- und Onlineredakteurin, ihr Volontariat absolvierte sie bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Bevor sie Mitte 2021 ins Agenturleben einstieg, schrieb sie über alles, was sich ums Thema Auto dreht – zunächst für die Neue Osnabrücker Zeitung, anschließend für die Online-Redaktion der Auto Zeitung. Für OSK textet sie vor allem für Social-Media- und Digital-Projekte. Privat verbringt sie ihre Zeit am liebsten auf dem Beachvolleyballplatz und in Konzerthallen, spielt selbst Klavier und leidet unter permanentem Fernweh.

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