OSK Weekly KW 11 / 2020 - Livestreaming

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Coronavirus beeinträchtigt in diesen Tagen unser tägliches Leben und wirkt sich zunehmend auch negativ auf die Wirtschaft aus. In der Folge geraten Vertriebs- und Kommunikationsmaßnahmen der Unternehmen unter Druck, die auf bewährte und effiziente Plattformen verzichten müssen. So werden Messen und Veranstaltungen verschoben oder sogar abgesagt, nach einer Statistik des Fachblatts m+a bislang schon über 500 weltweit. Besonders prominente Beispiele sind Leitmessen wie die Hannover Messe, die Eisenwarenmesse und die Tourismus-Börse ITB oder der Genfer Automobil-Salon als wichtigster Branchen- und Medientreff der Automobilindustrie im ersten Halbjahr.

Da der Kommunikationsbedarf aber unverändert groß ist, passen viele Unternehmen ihre Maßnahmen an und gehen alternative Wege, um Medien, Öffentlichkeit und B2B-Zielgruppen über wichtige Themen, Produkte und Neuigkeiten zu informieren. Dabei erleben Live­streaming-Tools einen Boom – vom einfachen Facebook-Stream bis zu hochwertigen, vielfältig nutzbaren Streaming-Technologien für professionelle Anwendungen. Im aktuellen OSK Weekly beschäftigen wir uns daher mit Livestreaming-Trends und zeigen Beispiele dazu auf, wie Unternehmen die Technologie nutzen.

Viel Spaß beim Lesen!

High Fashion und Sterne im Livestream

Das gab es noch nie: Wegen des Coronavirus liefen die Models von Modeschöpfer Giorgio Armani bei der Mailänder Fashion Week vor leeren Rängen. Armani hatte seine Fashion Show – ein jährliches „Must“ der Branche – kurzerhand für die Öffentlichkeit geschlossen. Dabei ist Mailand für die Modebranche eines der wichtigsten Events des Jahres, um neue Kollektionen der Öffentlichkeit und der Fachpresse vorzustellen. Allein aus dem wichtigen Markt China werden, so eine Schätzung, rund 1.000 Fashion-Journalisten, Händler und Designer dieses Jahr den großen Mode-Events fernbleiben. Daher entschied sich Armani, die Kollektion „Frauen Herbst/Winter 2020–2012“ via Livestream über die eigene Website und per Facebook zu präsentieren. Dort betrachteten bislang mehr als 11.000 Nutzer das Video.

Auch die Gourmetbibel Guide Michelin sagte die Gala zur Verleihung der neuen Sterne für Spitzenküchen in Deutschland aus Sicherheitsgründen kurzfristig ab. Jedes Jahr verfolgen Gastronomie-Branche, Medien und Gourmets gebannt, welche Häuser und Köche ihre Sterne behalten, verlieren oder mit neuen ausgezeichnet werden. Anstelle des Abend-Events entschied man sich in diesem Fall ebenfalls für einen Facebook-Livestream.

Zwar kann ein Livestream keine Gala mit Glamour, persönlichen Begegnungen und Networking-Möglichkeiten ersetzen, aber zumindest die Kommunikation. So griffen sowohl Armani als auch der Guide Michelin – ebenso wie zahleiche andere Unternehmen in den letzten Tagen – zum digitalen Ersatz, um mithilfe der zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten auch unter den widrigen Umständen mit ihren Zielgruppen zu kommunizieren.

Besonders deutlich wurde das beim Genfer Automobil-Salon. Nach der extrem kurzfristigen Absage der Messe, nur zwei Arbeitstage vor dem ersten Pressetag, schwenkten mehrere große (und einige kleinere) Autohersteller für die Präsentation ihrer neuen Modelle auf digitale Formate um.

Mercedes-Benz präsentiert seine Highlights in digitaler Pressekonferenz

Während einige Hersteller nach der Absage des Genfer Automobil-Salons lediglich vorproduzierte Video-Konserven online stellten, realisierte Mercedes-Benz über das Wochenende eine digitale Live-Pressekonferenz aus Stuttgart. Dabei nutzte das Unternehmen seine zur IAA 2017 eingeführte, von OSK Berlin entwickelte Plattform „Mercedes me media“, das derzeit leistungsfähigste Tool für Live-PR. Die Software bietet Journalisten und anderen Usern ein komplettes Service-Paket – vom Transkript bis zu einer Capture-Funktion zum Erzeugen druckfähiger Bilder – und holt sie trotz räumlicher Trennung nah und authentisch ans Geschehen.

So streamte Mercedes genau zum Zeitpunkt des ursprünglich geplanten Auftritts auf dem Messestand in Genf live aus einem Studio in Sindelfingen und präsentierte im Rahmen der digitalen Pressekonferenz seine Produktneuheiten sowie wichtige Unternehmensbotschaften. Tech-Journalistin Katie Linendoll moderierte das kurzweilige und informative Programm in Form eines Talks, in dem CEO Ola Källenius, Technikvorstand Markus Schäfer und Vertriebschefin Britta Seeger aus erster Hand zur aktuellen Situation und relevanten Themen informierten. Zusätzlich zur digitalen Pressekonferenz stellte Mercedes auf „me media“ drei „Walk-arounds“ zur Verfügung, in denen Experten die aktualisierte E-Klasse, die in Genf ihre Weltpremiere feiern sollte, ausführlich präsentieren.

Professionell produziert und auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten, ist ein Livestream eine gute Wahl, um Medien und anderen Stakeholdern Inhalte und Informationen zu liefern, die sie sich nicht direkt vor Ort holen können. Je komplexer und erklärungsbedürftiger die Themen sind, desto größer werden jedoch die Anforderungen an die jeweilige Streaming-Lösung. Denn allein mit einem Live-Bild, eventuell ergänzt durch das Einblenden von Präsentationscharts, genügt man nicht mehr den Ansprüchen an eine moderne Pressekommunikation. Professionelle Nutzer – speziell Medienvertreter – wollen eine der Live-Teilnahme möglichst nahekommende Arbeitsgrundlage haben, ohne vor Ort zu sein. Dazu gehören unter anderem ergänzende Informationen, wie zum Beispiel Bildmaterial oder aufbereitete Zitate der Protagonisten. Die Livestreaming-Lösungen von YouTube, Facebook und Co stoßen hier schnell an ihre Grenzen.

Live gehört zu den leistungsstärksten Online-Formaten

Livestreaming biete eine deutlich höhere Zuschauerzahl und ein höheres Engagement auf digitalen Plattformen als herkömmliche Videos, berichtet Horizont. Auf Facebook zum Beispiel erzeugten Live-Videos ein zehnmal höheres Engagement und eine dreifach höhere Watch Time. Ein Grund dafür sei die gefühlte zeitliche Beschränkung aus Sicht der Nutzer. Eine unmittelbare Live-Erfahrung wirke wie die Teilnahme an einem exklusiven Event. Zudem aktiviere die Vergänglichkeit von Live-Inhalten das Gefühl von FOMO („Fear of missing out“) beim Publikum, also der Angst, etwas Wichtiges zu verpassen. Insbesondere in Verbindung mit zeitnahen Ereignissen wie Konferenzen und Produktvorstellungen steigerten diese Faktoren das User Engagement.

Als Echtzeitformat fühlen sich Livestreams zudem unvermittelt, ungekünstelt und „ehrlich“ an, da die Inhalte ungeschnitten sind. Für Organisationen ergibt sich dadurch die Möglichkeit, die Menschen hinter einer Marke hervorzuheben, von der Führung über die Partner bis hin zu den Mitarbeitenden.

LinkedIn Live: Echtzeit-Videos pushen starkes User Engagement

Video-Inhalte sind auch auf LinkedIn sehr beliebt und erzielen gute Engagement-Raten. LinkedIn hat daher Anfang Februar angekündigt, den nächsten Schritt zu gehen und ein Live-Video-Format einzuführen. Das Feature mit dem Titel „LinkedIn Live“ ermöglicht Unternehmen und Einzelpersonen, Live-Videos an ausgewählte Usergruppen zu senden.

Die Funktion soll verschiedene Inhalte abdecken können und sich für Livestreams für Konferenzen, Produktankündigungen, Q&As oder Informationsvideos zum Unternehmen eignen.

Zunächst wird LinkedIn Live als Betaversion in den USA ausgerollt. Testen kann man es nur auf Einladung. In den kommenden Wochen soll es ein Formular geben, mit dem sich Interessierte für die Nutzung registrieren können.

Livestreaming für die Massen

Livestreaming ist mittlerweile ein Massenphänomen und speziell im Gaming-Bereich schon länger weitverbreitet, schreibt MEEDIA. Mehrere Zehntausend Zuschauer sind keine Seltenheit, wenn Gamer in Echtzeit ihren Bildschirm mit der Welt teilen. „Die Plattformen und das Format sind etabliert – allerdings bisher nur in speziellen Zielgruppen“, sagt Jürgen Seitz, Professor für Marketing, Medien und Digitale Wirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Am verbreitetsten seien Gaming und E-Sports, aber dem Experten zufolge erobern auch Lifestyle- und Tech-Themen zunehmend die Streams. Ebenso existieren von Vlog-ähnlichen Formaten, Popkultur, Musik, Kunst und Handwerk, bis hin zum Kochen zahlreiche Inhalte fernab des Gamings.

Twitch sei auch für Marken interessant, deren Kernzielgruppe keine Gamer sind, weswegen Unternehmen wie zum Beispiel OTTO bereits Twitch-Kampagnen realisiert haben. Bezüglich der Interaktion mit dem Nutzer ist plattformübergreifend das Chatfenster die wichtigste Funktion, über welche Nutzer mit dem jeweiligen Streamer interagieren können.

Übrigens: Zwar blieb Twitch im vergangenen Jahr der unangefochtene Spitzenreiter unter den in westlichen Ländern verbreiteten Livestreaming-Plattformen, doch auch andere Dienste erzielten Erfolge. Facebook Gaming etwa steigerte seinen Marktanteil im Vergleich zu 2018 von 3,1 auf 8,5 Prozent. Dieses Wachstum liege dabei nicht in einer zunehmenden Anzahl von Streamern begründet, sondern vielmehr in einer steigenden View-Zeit.

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Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.