tl;dr (Lesezeit: 10 Minuten)
- Der Begriff „Bot“ kommt vom englischen Begriff „Robot“. Chatbot steht also für„Chat-Roboter“.
- Die textbasierten Dialogsysteme reagieren auf Fragen und orientieren sich an den Wünschen und Vorlieben der Nutzer.
- Es gibt bereits Chatbot-Experimente von Unternehmen. Noch erinnern die meisten Bots aber eher an Systeme zur Volltextsuche als an künstliche Intelligenz.
- Die jüngste Idee ist es, Chatbots in Form von Messengern wie WhatsApp zu nutzen, um Usern einen speziellen Service anzubieten.
- Facebook hat erst vor Kurzem drei verschiedene, digitale Gesprächspartner in sein Messenger-System integriert.
Warum ist das wichtig?
Chatbots bieten Unternehmen interessante Möglichkeiten der Kundenansprache. Die Idee hinter den Bots setzt auf Vereinfachung. Der Nutzer muss sich nicht durch ein Überangebot an Informationen arbeiten, sondern erhält personalisierten Content.
„Chatbots sind die neuen Apps“, sagte Microsofts CEO Satya Nadella auf der diesjährigen Build Konferenz. Dass er mit den gewichtigen Worten ins Schwarze traf, belegt der rasante Zuwachs bei den kleinen Helferlein, die auf textbasierten Dialogsystemen beruhen. Bestes Beispiel: Facebook hat das Thema ganz oben auf seine Agenda gesetzt und bereits drei Bots in seinen Messenger integriert. Auch die etablierten Fachmedien glauben an den Trend und haben 2016 bereits zum „Jahr der Chatbots“ ernannt. Was genau Chatbots sind, was sie können und worin ihr Mehrwert für Unternehmen liegt, haben wir zusammengefasst. So viel aber schon vorweggenommen: Den Menschen ersetzen sie in der Kommunikation nicht.
Der Begriff „Bot“ kommt vom englischen Begriff „Robot“. Chatbot steht also für„Chat-Roboter“ bzw. eine sprechende Maschine. Hinter jedem Bot steckt eine Software, die auf einen mehr oder minder ausgeklügelten Algorithmus zurückgreift. Die textbasierten Dialogsysteme reagieren auf Fragen, agieren möglichst individuell und orientieren sich an den Wünschen und Vorlieben ihres „Gesprächspartners“. Chatbots sollen möglichst personalisierten Content für die Nutzer bereitstellen. Funktioniert ein Bot gut, merkt sein menschliches Gegenüber mitunter gar nicht, dass es mit einer Maschine kommuniziert. Funktioniert er nicht gut, reagiert er „unlogisch“ auf Anfragen oder versendet schlichtweg Spam.
„Sie helfen dir bei so kleinen Alltagsaufgaben wie ‚Ich will ein Taxi‘‚ ,Wie wird das Wetter?‘ oder ‚Hat mein Flug Verspätung?‘. Der Clou: Du verlässt nicht eine Umgebung, in der du ohnehin bist, nämlich einen Chat“, erklärt Bot-Experte Marcus Engert in einem Themenschwerpunkt bei detector.fm.
Ganz neu ist die Idee der Chatbots nicht. Bereits 1966 entwarf Joseph Weizenbaum einen Bot Namens Eliza, der eine Psychotherapeutin verkörperte. Sie reagierte auf bestimmte Wörter, die der „Patient“ verwendete und wandelte die aufgeschnappten Begriffe dann in Fragen um. Ein Beispiel für einen echten Bot-Oldie ist Clippy (Bild links, Lizenz: Creative Commons), die lustige Büroklammer von Microsoft, die Nutzern bei Fragen zu Office-Programmen wie Word helfen sollte. Im Unterschied zum heutigen Ansatz stand das eigenständige Hinzulernen der Bots allerdings noch nicht im Fokus.
Der Clou: Du verlässt nicht eine Umgebung, in der du ohnehin bist, nämlich einen Chat.
Die aktuellen Bots hingegen können schon viel mehr. Sinnvoll sind beispielsweise Funktionen wie automatisierte Erdbeben-Warnungen per Twitter. Noch erinnern die meisten Bots aber eher an Systeme zur Volltextsuche als an künstliche Intelligenz: Denn trotz der Kompetenz, durch Faktenwissen Richtig von Falsch unterscheiden zu können, haben Bots nicht die Möglichkeit, über ethisch gut oder schlecht urteilen zu können. Nur so war es möglich, dass aus Microsofts selbstlernendem Tay innerhalb weniger Stunden ein extrem rassistischer Roboter wurde. Auch schädlich programmierte Bots, die auf Dating-Seiten mit Singles schreiben, in sozialen Netzwerken Hass-Kommentare posten oder automatisierte Kunden-Bewertungen verfassen, sind in ihrem negativen Ausmaß nicht zu unterschätzen.
Chatbots als Freunde und Kundenberater
Trotz negativer Auswüchse setzen viele Unternehmen schon seit Jahren auf die Urväter der Chatbots – automatisierte Kundenberater. Auf der Webseite von Coca-Cola beispielsweise findet man „Hank“, der als virtueller Service-Mitarbeiter die Kundenbetreuung übernimmt. Er bewältigt spielend große Mengen eingehender E-Mails und spart auf diesem Wege Support-Kosten. Das gleiche Prinzip findet sich auf der IKEA-Webseite. Hier werden die Kunden von „Anna“ betreut. Die Hannoversche Lebensversicherung setzt auf „Hanna“, die sogar ein wenig zum Plaudern neigt. Wer einfach schlicht quatschen möchte, der findet im Chat-O-Mat „Chabba-the-Bot“ einen netten „Unterhaltungspartner“. Zwar versteht er nicht alles, aber zumindest kennen wir nun sein Lieblingsessen: Naturstrom von freilebenden Elektronen.
Chabba-the-Bot plaudert gerne, versteht aber nicht alles. Screenshot: pandorabots.com
Eugene Goostman ist quasi der Kinderstar unter den Chatbots. Er imitiert die Persönlichkeit eines 13-jährigen ukrainischen Jungen. Dabei altert er seit seiner „Geburt“ im Jahr 2001 nicht. Sein Entwickler, der Russe Wladimir Weselow, entschied sich für einen Chatbot im Teenageralter, da 13-Jährige eben vieles, aber nicht alles wissen. Bei einer Veranstaltung der Royal Society in London gelang es Eugene, 33 Prozent seiner menschlichen Chatpartner von seiner eigenen Menschlichkeit zu überzeugen. Eugene hört gerne Eminem und besitzt ein Meerschweinchen. Sein Vater ist Gynäkologe.
IKEA setzt im Kundenservice auf den Bot “Anna”. Screenshot: IKEA.
Bots: Wo sind die Grenzen?
Die jüngste Idee ist es, Chatbots in Form von Messengern wie WhatsApp zu nutzen, um Usern einen speziellen Service anzubieten. Sie sollen direkt im Messenger Informationen erhalten, ohne eine Suchmaschine bemühen zu müssen. Ganz so, als würde der Nutzer mit einem Freund schreiben und diesen „mal eben“ um Rat fragen. Anstatt auf Wetterportalen nach der Vorhersage für den gewünschten Ort zu schauen, würde dann die Frage „Hey, wie wird das Wetter heute?“ im Messenger genügen. So muss der Nutzer nicht einmal das Fenster wechseln, sollte er beispielsweise gerade WhatsApp verwenden.
Vorreiter dieser Idee war die Nachrichtenseite Quartz – allerdings noch auf Basis einer App. Doch auch hier kommt kein komplettes Gespräch zustande. Der Quartz-Bot reagiert lediglich mit einer möglichen Themen-Spezifizierung, in Form der Auswahlmöglichkeiten „tell me more“ oder „next“.
Auf Dauer sollen Bots ohne Apps funktionieren und in Messenger eingebettet werden. Damit springen sie auf den Trend des Chattens auf – die Dauerkommunikation via Smartphone und Co.
Hey, what are you looking for today?
Zurzeit nehmen viele Unternehmen die Chatbot-Idee auf. Facebook hat erst vor Kurzem drei verschiedene, digitale Gesprächspartner in sein Messenger-System integriert. Während der CNN-Bot die Nutzer fragt, mit welchen Nachrichten sie versorgt werden wollen, informiert die Wetter-App Poncho über die erwarteten klimatischen Verhältnisse. Laut Zeit Online scheitert Poncho bisher aber noch an der ein oder anderen Wettervorhersage, seiner eigentlichen Kernkompetenz. Der Spring-Bot soll dem Nutzer beim Internet-Shopping zur Seite stehen, versagt aber ebenfalls bei dem Versuch einer individuellen Unterhaltung. So bietet er dem Nutzer nach der Frage „Hey, what are you looking for today?“ lediglich die magere Wahl zwischen „Women’s items“ oder „Men’s items“ an. Wer individuell beraten werden will, landet dann irgendwann doch bei einem menschlichen Service-Mitarbeiter.
Poncho sagt dem User, wie das Wetter wird. Screenshot: Poncho
Der Onlinejournalist, Entwickler und Bot-Experte Martin Hoffmann dazu im Themenschwerpunkt auf detektor.fm: „Im Moment sind Bots noch Versprechen auf die Zukunft. (…) Die Texteingaben beim Facebook-Messenger sind bei weitem noch nicht so gut, wie sie mal sein müssen, um ein natürliches Gespräch zu führen (…)“. Sobald die Dinge komplexer werden, so Hoffmann, stoßen die Bots einfach noch an ihre Grenzen.
Im Moment sind Bots noch Versprechen auf die Zukunft.
Einfache Eingabebefehle versteht die heutige Bot-Generation aber durchaus. In den USA können User bereits ein Uber-Taxi oder Pizza über den Facebook-Messenger bestellen.
Vor dem endgültigen Durchbruch müssen die Bots allerdings auch noch einige rechtliche Hürden nehmen. Wer kommt auf, wenn ein Service-Bot seinem Nutzer eine fehlerhafte Anweisung gibt, die einen Schaden verursacht? Neues gesetzliches Terrain – und bisher nicht hinreichend definiert.
„Mental Convenience“: Der Mehrwert von Chatbots für Unternehmen
Für Unternehmen sind Bots allerdings schon heute interessante Tools. Beispiel: Beim Surfen auf einer Webseite spricht ein Chatbot potenzielle Kunden proaktiv an. Der Kunde äußert seinen Wunsch: „Ich suche eine blaue Hose mit goldenen Knöpfen“ – und sofort schlägt der hilfsbereite Roboter eine kleine Auswahl vor. Eine nette Shopping-Vorstellung für Kunden und ein interessantes Konzept für den e-Commerce.
Chatbots eröffnen Unternehmen attraktive Möglichkeiten. Wer sie nutzt, vermeidet beispielsweise Streuverluste. Die Medienwissenschaft betont immer wieder, wie sinnvoll der „Mental Convenience“-Gedanke ist. Bedeutet: Nutzer und Kunden haben es gern einfach – zu viel Auswahl überfordert und verschreckt.
Die Quartz-App schlägt mögliche Themen-Spezifizierung in Form von Auswahlmöglichkeiten vor. Bild: qz.com
Die logische Konsequenz: weniger Traffic auf Unternehmensseiten, weniger Abverkauf von Produkten etc. Die Idee hinter den Bots setzt auf Vereinfachung. Der Nutzer muss sich nicht durch ein Überangebot an Informationen arbeiten, sondern erhält personalisierten Content – in einem direkten Dialog mit dem Unternehmen. Und das auch noch über den bereits vorhandenen Messenger, ohne eine App installieren oder eine Webseite besuchen zu müssen – ganz einfach.
Abgesehen von bisher genutzten Gesprächs-Algorithmen sollen die Bots bald schon über weitere Daten via Smartphone auf Ort, Zeit und Gewohnheiten der Nutzer reagieren können und ihre Inhalte dementsprechend sortieren. Außerdem benötigt der Nutzer im besten Fall keine gesonderte App. Alle Angebote, die sich durch einfache Frage- und Antwort-Dialoge lösen lassen, könnten langfristig von Chatbots übernommen werden.
Für komplexe Fragen wird weiterhin ein menschlicher PR-Berater zuständig sein.
Auch in der PR sind Bots vorstellbar, etwa wenn es um Basisfakten zu einem Unternehmen wie der Firmengeschichte oder die -struktur geht. Also bei faktenbasierten Daten, die sich auch auf den meisten Unternehmensseiten finden lassen. Der Interessierte besucht dann nicht zwingend die Website, sondern holt sich die Infos im Chat. Aber keine Sorge: Für komplexe Fragen wird weiterhin ein menschlicher PR-Berater zuständig sein.
Von einem ausgefeilten, sozial kompetenten Dialog oder der Reaktion auf absolut neuauftretende Problematiken sind die kleinen Helferlein allerdings noch weit entfernt. Reine Zukunftsmusik sind die Chatbots aber definitiv nicht mehr. Schon bald könnten sie Unternehmen eine Menge Arbeit abnehmen und verstärkt im effizienteren Kundenservice zum Einsatz kommen. Komplett ersetzen werden sie die zwischenmenschliche Kommunikation aber wohl so schnell nicht.
// Über die Autorin
Pia Zietz hat ihren Bachelor-Abschluss in Journalistik gemacht und studiert derzeit im Masterstudiengang „Corporate Communication“. Nachdem sie einige Zeit im Journalismus gearbeitet hat, schreibt Pia nun als freie Autorin für den OSK Blog. In ihrer Freizeit genießt die gebürtige Oldenburgerin gutes Essen und Wein, treibt Sport, und interessiert sich für Reisen, Design sowie Fotografie.
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