florian_blaschke „Meine erste Anlaufstellen sind seit Jahren schon Twitter und mein Feedreader. Die Twitter-Timeline und Blogs, aber auch andere Nachrichtenseiten sind oft Anstoß oder Ideengeber für eine Geschichte“, erklärt Florian Blaschke. Im März 2014 löschte er seinen Facebook-Account, weil er wieder die Hoheit über seine persönlichen Daten zurückerlangen wollte. Unter dem Arbeitstitel „Reclaim your data“ entwickelte er systematisch ein Konzept, wie er seine persönlichen Daten besser kontrollieren und schützen kann. Seitdem sind seine Social-Media-Aktivitäten aber keinesfalls weniger geworden, sondern haben sich stattdessen stärker auf andere Plattformen wie beispielsweise Twitter und Ello verlagert. Blaschke ist gelernter Journalist mit Schwerpunkt Technologie, Medien und Wirtschaft. Nach Stationen in Bonn und Leipzig, wo er als Redakteur und Leiter des Medienressorts das Nachrichtenportal news.de mit aufgebaut hat, zog es ihn 2013 nach Hannover. Dort arbeitet er zurzeit als Redaktionsleiter für das Technik-Magazin t3n. Außerdem bloggt er auf trotzendorff.de und Twitter. Im Interview erklärt er, warum Twitter für seine tägliche Arbeit so wichtig ist und warum er in der Plattform YouTube weiterhin einen wichtigen Treiber für die Veränderung der Medienlandschaft sieht.

Florian Blaschke
Redaktionsleiter bei t3n.de

Web: trotzendorff.de
Twitter: @trotzendorff
Facebook: –

1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?

Was jeder Form des Journalismus jedoch schadet, ist der manchmal haarsträubende öffentliche Umgangston unter Kollegen und Kolleginnen. Was sich teils hochrangige Journalist/innen so alles an den Kopf werfen, geht zu Lasten der gesamten Branche.

Was Qualitätsjournalismus ist, liegt wohl seit jeher im Auge der Leser/innen. So zu tun, als sei der Journalismus per se wahr und schön und gut, ist scheinheilig – schon in den allerersten journalistischen Publikationen gab es den Versuch der Meinungsmache, Polemik und Desinformation. Insofern besitzt journalistische Qualität erst einmal, was bei der Zielgruppe funktioniert. In meinen Augen ist das auch kein allzu großes Problem, denn ich halte die Medienkompetenz in Deutschland für höher, als oft angenommen. Dennoch glaube ich, dass es einige Dinge gibt, die der Journalismus in den kommenden Jahren noch lernen muss: Stringentes, nachvollziehbares Storytelling, den sauberen Umgang mit Quellen oder die sinnvolle Nutzung von Big Data sind da nur einige Punkte. Was jeder Form des Journalismus jedoch schadet, ist der manchmal haarsträubende öffentliche Umgangston unter Kollegen und Kolleginnen. Was sich teils hochrangige Journalist/innen so alles an den Kopf werfen, geht zu Lasten der gesamten Branche. Und nach wie vor begreifen viele Medien die Chance von Social Media nicht und bedienen Facebook, Twitter und andere Netzwerke so, wie sie auch Print-Titel, Radio oder Fernsehen bislang bedient haben, nämlich als reine Sender. Im Jahr 2015 aber darf sich das kein Medium mehr leisten.

2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?

Noch vor einem halben Jahr hätte ich mit Blick auf die Krautreporter vielleicht gesagt, dass crowd-finanzierte Angebote eine echte Alternative sein könnten. Nach dem leider enttäuschenden Start sehe ich das heute aber anders. Trotzdem glaube ich, dass die journalistische Vielfalt zunimmt, auch wenn es viele Tageszeitungen und Magazine schwer haben und etliche Titel in den nächsten Jahren vom Markt verschwinden werden. Doch es kommen auch unglaublich viele neue Angebote hinzu. Die Huffington Post und BuzzFeed sind in Deutschland schon gestartet, Politico öffnet bald eine eigene Redaktion in Brüssel, das Recherchebüro CORRECT!V macht eine wirklich beeindruckend gute Arbeit und die dpa-Tochter infocom plant einen Startup-Accelerator nach dem Vorbild von Matter.vc. Insofern bin ich grundsätzlich optimistisch. Ein Trend, der vor allem in Deutschland erst noch kommen wird, ist die sinnvolle Aufarbeitung und Visualisierung von Big Data, vor allem von Open Data. Hier gibt es, wie in Hamburg, immer mehr Projekte, die dafür die Chance bieten, und ich bin mir sicher, dass wir in diesem Bereich noch eine Menge spannender Dinge zu sehen kriegen.

3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?

Meine ersten Anlaufstellen sind seit Jahren schon Twitter und mein Feedreader. Die Twitter-Timeline und Blogs, aber auch andere Nachrichtenseiten sind oft Anstoß oder Ideengeber für eine Geschichte. Eine Plattform, die mich seit einiger Zeit mehr und mehr begeistert, ist Medium.com. Hier schreiben großartige Autor/innen wirklich großartige Geschichten – eine erstklassige Inspirationsquelle. Meine Favoriten aber bleiben Events wie die re:publica oder der Web Summit, denn hier trifft man Menschen, und die liefern nach wie vor die besten Ideen und Geschichten.

4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

Ich glaube, gelesen und konsumiert zu werden ist so schwer oder leicht wie bisher, je nach Reichweite der Plattform oder des Mediums, in dem Journalist/innen veröffentlichen. Wichtiger finde ich es, relevant zu sein, und um das zu erreichen, müssen wir mit unseren Leser/innen kommunizieren. Wir müssen ihr Feedback und ihre Kommentare ernst nehmen, ihnen zuhören, auf sie eingehen, ihnen antworten und aus dem, was sie uns erzählen, wieder neue, bessere, relevantere Geschichten machen. In den vergangenen Jahren haben wir viel Zeit damit verbracht, uns untereinander zu vernetzen, was gut und wichtig war. Jetzt ist es an der Zeit, das auch mit unseren Zuschauer/innen zu tun.

// Über #ZukunftDesJournalismus

Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?

Vertrieb, Marketing, Redaktion und technische Abteilungen wie Entwicklung oder SEO müssen Hand in Hand gehen, um ihre Produkte zukunftsfähig zu machen.

Zunächst müssen sie sich die Mühe machen und verstehen, was da passiert. In zu vielen, gerade kleineren Redaktionen herrscht nach wie vor eine Abwehrhaltung gegenüber neuen Technologien – und es gibt zu wenig technisches Know-how. Darüber hinaus glaube ich, dass eine engere Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen eines Medienhauses oder Publishers nötig ist. Vertrieb, Marketing, Redaktion und technische Abteilungen wie Entwicklung oder SEO müssen Hand in Hand gehen, um ihre Produkte zukunftsfähig zu machen. Newsrooms, in denen Mitarbeiter/innen aus diesen Abteilungen zusammen an einem Tisch sitzen, sind da ein guter Anfang. Eine große Baustelle ist meiner Meinung nach zudem die Ausbildung von Nachwuchsjournalist/innen. Ihnen nicht nur das redaktionelle Handwerkszeug mitzugeben, sondern sie auch technisch fit zu machen und ihnen darüber hinaus ein Verständnis für Vertrieb und Marketing zu vermitteln ist eine Herausforderung, die bisher nur wenige Verlage meistern.

6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?

Wie bisher auch mit einer Mischkalkulation. Ich glaube beispielsweise nicht, dass die klassische Bannerwerbung im Netz verschwinden wird. Aber sie wird ergänzt und bekommt Konkurrenz durch Produkte wie Sponsored Posts oder Branded Content – und wenn die Verlage und Publisher solche Produkte redaktionell hochwertig produzieren und seriös kennzeichnen, halte ich sie durchaus für vollwertige Inhalte, die den Leser/innen einen Mehrwert bieten und den Redaktionen Profit sichern können. Dazu kommt, dass immer mehr Medien Verzeichnisdienste und Zusatzinformationen als Einnahmequelle entdecken – einige große Verlage machen uns ja schon seit Jahren vor, wie sich damit gutes Geld verdienen lässt. Und nicht zuletzt werden im Netz nach und nach bezahlpflichtige Angebote etabliert – und zwar eigentlich 20 Jahre zu spät. Für das ein oder andere Medium aber könnte das durchaus noch reichen. Es wundert mich, dass es in Deutschland nach wie vor nicht gelungen ist, ein angebotsübergreifendes Micropayment einzuführen. Würden sich hier die großen Verlagshäuser an einen Tisch setzen wie das in Holland beispielsweise mit Blendle passiert ist, wäre das ein riesiger Schritt. Interessanterweise aber scheinen es gerade kleinere Publisher zu sein, die von einer solchen Lösung nichts hören wollen – zu ihrem eigenen Schaden.

7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

Ich glaube, dass YouTube bei der Veränderung der Medienlandschaft weiter eine enorme Rolle spielen wird. Schon heute ist zu beobachten, wie (Jugend-)Formate etablierter Fernsehsender sich an YouTube-Kanälen und ihren Inhalten orientieren. Insofern erwarte ich, dass das Angebot für die heute unter 20-Jährigen weiter ausgebaut wird. Darüber hinaus vermute ich jedoch auch, dass es einige Unbelehrbare gibt, die weiterhin versuchen, Journalismus so zu machen wie vor 25 Jahren – und die werden in fünf Jahren nicht mehr da sein. Etliche Lokalzeitungen werden eingestellt oder Redaktionen zusammengelegt, was ja schon heute für kleinere Städte und ländliche Regionen ein echtes Problem ist. Ich wünsche mir und glaube, dass es Publisher oder Startups geben wird, die in diesem Bereich eine Chance sehen und die Lücke, die sich da auftut, füllen – sei es mit Bürgerjournalismus wie beim WAZ-Projekt „Lokalkompass“ oder hyperlokalen Online-Angeboten, die redaktionell erstellt werden.

8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?

Ein Männermagazin, das nicht nur Klischees wie Autos, Technik oder Erotik bedient, sondern das Gesundheit, Sexualität, Familie, Mode, Kosmetik, Freizeit und andere relevante Themen aufgreift und ordentlich aufbereitet. Ansätze für solche Magazine gab und gibt es, sie alle aber fallen immer wieder in die gleichen Muster zurück, die Männer auf althergebrachte Rollen reduzieren. Noch lieber wäre mir zwar, es gäbe ein solches Magazin geschlechterübergreifend, aber allein, was die Vermarktung angeht, ist es dafür wahrscheinlich noch zehn Jahre zu früh. Dennoch: Einen Abonnenten hätte ein solches Angebot.

Hier gelangt ihr zu den anderen Teilen der Serie #ZukunftDesJournalismus.

Über den Autor

Oliver Nermerich ist Kommunikationswissenschaftler und lebt im Internet. Bei OSK arbeitet er als Manager Online/Social Media und entwickelt kundenübergreifend Strategien, Auftritte und Kampagnen für das Internet und mobile Anwendungen. Auch privat dreht sich bei ihm alles um die digitale Welt: Er gehört zum Autorenteam des Lifestyle-Blogs Whudat.de und betreibt mit Freunden das Rolling-Magazin "Be-Mag". Sein Smartphone gibt er nur aus der Hand, wenn er auf sein Board steigt und an der Algarve die nächste Welle surft. Für das OSK Blog spürt er die neuesten Trends und Entwicklungen im Netz auf und spricht mit Meinungsmachern und Digital Influencern.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.