Geht es nach Dennis Horn, verändert sich der Journalismus in den nächsten Jahren zwar nicht völlig, aber es wird sich viel Spannendes in den Redaktionen tun: „Ich glaube nicht, dass die Welt in fünf Jahren ganz anders aussehen wird als heute. Wir werden aber eine ganze Reihe weiterer Experimente erlebt haben.“ Früh entdeckte der Moderator, Redakteur und Autor sein Interesse an der digitalen Welt – schon während seiner Schulzeit programmierte und baute er Websites. „Die Initialzündung waren die Computerspiele, die mein Onkel Ende der 80er auf seinem Amstrad PC8086 installiert hatte.“ Sein weiterer Weg war im wahrsten Sinne des Wortes vorprogrammiert. Dennis Horns journalistischer Schwerpunkt liegt auf technischen und digitalen Themen. Direkt nach dem Abitur ging er zu 1LIVE, volontierte dann beim Neusser Radiosender NE-WS 89.4, war beim Hessischen Rundfunk tätig und moderierte die Frühsendung bei Antenne Düsseldorf. Heute teilt der 33-Jährige sein Wissen in „Digitalistan“, einem eigenen Format für Techthemen im WDR. Als Techjournalist ist Dennis Horn Experte für digitale Themen bei den Öffentlich-Rechtlichen. Seit zehn Jahren ist er außerdem als Redakteur, Reporter und Moderator bei der ARD beschäftigt. Von sich selbst sagt er, dass er sich dabei als Schnittstelle zwischen Hörfunk, Fernsehen und Online sieht. Besonders vor dem Netz hätten viele Menschen nach Horns Meinung noch immer Angst. Er wünscht sich, dass diese Furcht nachlässt – dann könne man mit Spaß die Möglichkeiten des Webs ergründen. Und das Potenzial liegt für Horn klar auf der Hand: „Es gibt für mich keine bessere tägliche Infoquelle als Twitter.“ Bei seinen Recherchen sind die sozialen Netzwerke demnach unerlässlich. Gleichzeitig seien die sozialen Netzwerke ideal, um das Publikum zu erreichen und für die eigenen Botschaften zu gewinnen. Im Interview erklärt Dennis Horn, warum er ein Problem mit dem Begriff „Qualitätsjournalismus“ hat und warum journalistisches Handwerk allein zukünftig nicht mehr ausreichen wird.
Dennis Horn
Technikjournalist, Moderator und Redakteur
Twitter: @dennishorn
Facebook: Dennis Horn
Instagram: @dennishorn
Xing: Dennis Horn
1. Wie zeichnet sich Qualitätsjournalismus in Zukunft aus und was schadet ihm?
Ich habe ein Problem mit dem Begriff „Qualitätsjournalismus“, vor allem in Zeiten, in denen sich Medien dieses Etikett aufkleben, die ihre Zeitungen und Sender und deren Qualität gleichzeitig kaputtsparen. Journalismus hat immer eine Qualität, und zwar die fürs jeweilige Medium definierte. Was den Journalismus in Zukunft auszeichnet, sind die handwerklichen Disziplinen, die ihn schon immer auszeichnen: Recherche, Sprache, Präsentation – und mittlerweile zum Glück auch der Dialog mit dem Publikum. Wir schaden dem Journalismus, wenn wir das vergessen: Wenn wir Recherchieren mit googeln gleichsetzen, wenn wir die Sprache nicht pflegen, wenn wir unsere Präsentation nicht ständig hinterfragen, wenn wir das Publikum ignorieren.
2. Was sind die großen Trends im Journalismus und was wird sich davon künftig durchsetzen?
Ein Trend sind für mich die vielen Experimente, die zurzeit stattfinden. Beim WDR haben wir im vergangenen Jahr Pageflow als Open-Source-Software für Multimedia-Reportagen an den Start gebracht. Dieses Jahr arbeiten wir an mehreren YouTube-Formaten; gerade ist zum Beispiel WDR #3sechzich als erstes öffentlich-rechtliches Nachrichtenformat für YouTube an den Start gegangen. Auch aus anderen großen Häusern, privat und öffentlich-rechtlich, von Print über Fernsehen bis Hörfunk höre ich, dass sich endlich Dinge bewegen. Mal abgesehen von den vielen neuen Playern von BuzzFeed Germany über CORRECT!V bis zu lokalen Angeboten wie Taeglich.ME.
Was müssen wir schon beim Dreh des Fernsehbeitrags beachten, damit er später auch bei YouTube funktioniert?
Wir werden uns in den kommenden Jahren außerdem noch viel stärker als bisher mit der Distribution unserer Inhalte beschäftigen müssen. Wenn ich heute im WDR einen Fernsehbeitrag produziere, ist mit Organisation, Dreharbeiten und Schnitt nur die Hälfte erledigt. Wie bereite ich ihn im Netz auf? Wie „verkaufen“ wir diese Umsetzung bei Facebook und Twitter? Was müssen wir schon beim Dreh des Fernsehbeitrags beachten, damit er später auch bei YouTube funktioniert? Ich bezeichne soziale Netzwerke gerne als „Satelliten“, die um unser eigenes Onlineangebot herumschwirren. Die Zahl und Bedeutung dieser Satelliten wird eher zu-, als abnehmen – und damit die Herausforderung, sie alle adäquat zu bespielen, sodass wir ein relevantes Publikum erreichen, das sich individuell informiert fühlt. Dasselbe gilt auch für die Masse verschiedener Geräte mit verschiedenen Ausspielformen von Smartphones über Tablets bis zu Wearables.
3. Wie und wo recherchieren Sie nach guten und spannenden Inhalten?
Es gibt für mich keine bessere tägliche Infoquelle als Twitter. Wer dort als Journalist neu beginnt, dem empfehle ich twittlist.de: eine für den Einstieg hervorragende Liste wichtiger Twitterer vor allem aus den Medien – viel besser als die Standard-Empfehlungen, die Twitter selbst mir zum Einstieg bietet. Als Techjournalist schwöre ich außerdem auf die Aggregatoren Hacker News und Product Hunt. An Tagen, an denen mir die Zeit fehlt, am Puls zu bleiben, bin ich froh, dass ich mich auf Feedly als RSS-Reader verlassen kann. Nach wie vor der wichtigste Faktor sind aber: die Menschen, seien es eigene Kollegen, Akteure aus den Medien und der Techwelt oder einfache Nutzer. Und die Impulse, die ich Jahr für Jahr allein von der re:publica mitgenommen habe, kann ich gar nicht mehr zählen.
4. Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?
Wir müssen das journalistische Handwerk beherrschen. Wobei wir schon jetzt merken, dass uns das Handwerk allein nicht weiterbringt. Unser Publikum zieht sich immer weiter in seine Timelines zurück. Wir müssen es dort wieder erreichen, und das können wir am besten mit Relevanz, mit einem ehrlich gemeinten Dialog, dort wo er sinnvoll ist, und einer gelungenen Distribution der Inhalte. Die Aufbereitung unserer Themen wird also wichtiger – noch viel wichtiger, als sie es zurzeit schon ist.
// Über #ZukunftDesJournalismus
Mobiles Internet, immer leistungsfähigere Smartphones, neue Nachrichtendienste: Die Medienlandschaft verändert sich rasant und mit ihr der Journalismus. Viele Fragen bewegen die Branche: Ist die Tageszeitung ein Auslaufmodell, weil die jüngeren Zielgruppen aktuelle Nachrichten nur noch auf mobilen Endgeräten konsumieren? Erledigen bald Schreibroboter typische Routineaufgaben und machen damit einen Teil der Redakteure überflüssig? Mit welchen neuen journalistischen Darstellungsformen können Menschen erreicht werden, die immer weniger lesen und nur noch Bilder anschauen? Gemeinsam mit Journalisten und Medienmachern aus ganz unterschiedlichen Richtungen wagt OSK einen Blick in die Zukunft des Journalismus. Das Prinzip ist immer das gleiche: acht Fragen, acht Antworten. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das belastbare Aussagen zu entscheidenden Trends von morgen und übermorgen ermöglicht.
5. Die technologischen Veränderungen sind rasant – wie müssen sich vor diesem Hintergrund der Journalismus verändern und dessen Anbieter anpassen?
Es gibt erschreckend viele Redaktionen, die noch nicht einmal den Schritt zum Web 1.0 bewältigt haben.
Ein guter Anfang wäre ein grundlegendes Verständnis dieser Veränderungen. Eine der Redaktionen, für die ich arbeite, hat sich plötzlich bewegt, als sich ihr Chef ein iPhone geleistet hat – und begriffen hat, was dort eigentlich vor sich geht. Diesen Punkt müssen viele Redaktionen aber erst noch erreichen. Dann können wir weiterreden: vor allem über technisches Grundlagenwissen, sowohl im Redaktionsmanagement als auch bei den Journalisten. Es gibt erschreckend viele Redaktionen, die noch nicht einmal den Schritt zum Web 1.0 bewältigt haben. Gute Erfahrungen haben die Redaktionen gemacht, in denen verschiedene Gewerke direkt miteinander arbeiten: Dort, wo Journalisten, Techniker, Programmierer und Grafiker ständig an einem Tisch sitzen oder zumindest dauernd miteinander zu tun haben. Das schärft das gegenseitige Verständnis, verhindert Grabenkämpfe und sorgt dafür, sehr schnell reagieren oder Ideen umsetzen zu können, zum Beispiel, indem man für kleine Projekte auf Zuruf schlagkräftige Teams bilden kann.
6. Wie verdient der Großteil der Medien künftig Geld?
Man muss da auch mal ehrlich sein: Ich weiß es nicht. Bisher sehe ich da weiter einen Mix aus Werbung, Paywalls und Abomodellen. Und ich glaube, dass auf lange Sicht auch noch einmal eine Diskussion über den Rundfunkbeitrag dazugehört: Wie sollte sich moderner, öffentlich-rechtlicher Journalismus im Netz niederschlagen?
7. Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?
Ich glaube nicht, dass die Welt in fünf Jahren ganz anders aussehen wird als heute. Wir werden aber eine ganze Reihe weiterer Experimente erlebt haben. Wir werden weitere Nischenmedien haben, und ich glaube, dass auch große Medienhäuser erkannt haben werden, dass ihre Zukunft darin liegt, ihr Publikum individueller anzusprechen. Wir werden in fünf Jahren etwas genauer darüber Bescheid wissen, wie verschiedene Bezahlmodelle funktionieren. Mit all diesem Wissen und diesen Erfahrungen glaube ich, dass wir in fünf Jahren die Frage nach der Zukunft in noch einmal fünf Jahren etwas besser beantworten können als heute. Und das ist schon ganz schön viel, finde ich.
8. Welches Medium fehlt heute noch auf dem Markt?
Da bin ich befangen: Mir fehlt so etwas wie der geplante Jugendkanal der ARD. Ich wünsche mir, dass wir in der ARD endlich mit einem guten Produkt ein junges Publikum erreichen. Mit 1LIVE im WDR arbeite ich bei einem Radiosender, der das schafft. Für den Jugendkanal hoffe ich, dass dessen Macher das Wort „Kanal“ nicht zu ernst nehmen und mit einem Verständnis dafür antreten, wie YouTube, BuzzFeed, VICE und andere Anbieter relevant und groß geworden sind. Wären da nicht die Mühlen, Hierarchien und Bedenkenträger in der ARD, die am Ende zu oft alles wieder weichspülen, wäre ich sogar ganz hoffnungsfroh. Ich bin gespannt.
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