Lars Gurow, CiscoLars Gurow arbeitet seit fünf Jahren für Cisco, dem weltweiten Marktführer in den Bereichen IT und Netzwerk. Seit Januar 2018 leitet er Kommunikation und PR in Deutschland. Vor seiner Zeit bei Cisco war Lars Gurow in leitender Funktion bei Strato tätig. Zuvor studierte er Technikjournalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg und arbeitete mehrere Jahre als freier Fachautor.

Lars Gurow
Leiter Kommunikation und PR Deutschland, Cisco

Twitter: @gurow
LinkedIn: Lars Gurow

1. Welchen Stellenwert hat die PR in Ihrem Unternehmen/Ihrer Organisation heute – und künftig?

In den letzten Jahren sind Zahl und Ansprüche der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen immens gestiegen. Geschäftsführungen müssen sich an mehr als nur dem reinen Geschäftserfolg messen lassen. Heute stehen sie in der Verantwortung, weit mehr zu sein als Profitmaschinen und reine „Arbeit-Geber“. Unternehmen müssen sich als Plattformen für Menschen verstehen. Es ist die Aufgabe von PR und Kommunikation, das herauszuarbeiten, und ich sehe da auch einen klaren Anspruch an uns, hier signifikant zur Wertschöpfung beizutragen. Das findet natürlich nicht nur in der Öffentlichkeit statt, sondern erfüllt auch eine interne Funktion.

Es ist auch Aufgabe der PR, intern zu helfen, Inkonsistenzen zu beseitigen, Dinge zu vereinfachen und aus dem Blickwinkel aller Anspruchsgruppen anzuschauen. PR und Kommunikation berichten bei Cisco direkt an den CEO, das ist gerade für amerikanische Unternehmen alles andere als selbstverständlich. Dort wird PR traditionell als Marketingfunktion verstanden. Aber in unserer heutigen Welt der allumfassenden Öffentlichkeit ist das nicht der richtige Ansatz.

2. Welche Stärken hat die PR? Wie kann sie ihre Position künftig weiter ausbauen? Was sind die großen PR-Trends und welche werden sich durchsetzen?

CEOs und Vorstände spüren die Power, die PR ihnen bringen kann.

PR baut Brücken. Mit den richtigen Zielen ausgestattet und einem klaren Fokus auf das Geschäft kann PR viele Perspektiven von außen einbringen. Führung ist Kommunikation, und CEOs und Vorstände spüren die Power, die PR ihnen bringen kann. Der größte Trend überhaupt sind der ständige Rückkanal ins Unternehmen und die Erwartungshaltung, die bei allen Anspruchsgruppen daraus erwächst.

Nahezu jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin sind öffentlich ansprechbar, auf XING, Twitter, LinkedIn und Co. Und deren Antwort muss schnell kommen und gut sein. Es geht also heute vielmehr darum, eine große Zahl von Menschen sprechfähig zu machen, nicht auf Pressesprecherniveau, aber doch so, dass sie in einem sozialen Netzwerk die wichtigsten Dinge kurz erklären können. Die Unternehmen werden erfolgreich sein, denen es gelingt, diesen Dialog zu führen, ohne sich davon zu sehr ablenken zu lassen.

3. Spielen Daten, Algorithmen und künstliche Intelligenz bereits eine Rolle in Ihrer täglichen PR- und Kommunikationsarbeit?

PR ist ein Beziehungsgeschäft, fragen Sie mal Ihre Freunde und Freundinnen, welche Rolle da Daten spielen. Kein Journalist, kein Kunde, kein Aktivist möchte eine Nachkommastelle in Ihrem Dashboard sein. Natürlich arbeiten wir alle mit Daten und Algorithmen, aber viele Tools sehen schick aus, dann steht auch noch irgendwie KI drauf, aber die Frage ist: Vertraue ich den Ergebnissen so weit, dass ich auf dieser Basis Entscheidungen treffe, die vielleicht Millionen kosten?

Bei allen Analytics ist die Datenqualität entscheidend, und die kann man oft nicht wirklich prüfen. Außerdem ist es wichtig zu verstehen, wie ein solches System funktioniert, weil man sonst die Ergebnisse auch nicht versteht.

Eine weitere Gefahr besteht darin, Daten nur dann heranzuziehen, wenn sie das bestätigen, was ich ohnehin schon glaube. Das ist vielleicht generell eine schlechte Angewohnheit von PR-Leuten.

Interessant wird es an den Stellen, wo mir diese Systeme sagen, wer in welchen Debatten die Wortführer sind und wer nur abschreibt, und vielleicht auch eine Art Vorhersage abgeben, wie sich ein Thema weiterentwickelt. Außerdem Tools, die mir helfen, meine persönliche Verzerrung auszugleichen, also Einschätzungen zur Wichtigkeit von Themen abgeben können, die in meinem Wahrnehmungsausschnitt unter- oder überrepräsentiert sind.

4. Welchen Stellenwert haben die etablierten Medienmarken im Vergleich zu den neuen? Sind die Newcomer für Ihre PR-Arbeit bereits wichtiger als die Platzhirsche?

Die spannende Frage ist doch: Was sind Medien? XING in Deutschland ist das einflussreichste Medium beim Thema Arbeit. YouTube ist in unserem Enterprise-Markt beispielsweise noch nicht so wichtig, das wird sich aber sicher noch ändern. Ich schaue mir gern die Social Media Feeds von Kollegen oder Geschäftspartnern an und muss sagen: Da dominieren immer noch die starken klassischen Medienmarken, gerade im Business-Umfeld.

Wir sehen auch bei Cisco, dass wir auf die Berichterstattung in klassischen Medien die meisten Rückmeldungen von Kunden und Partnern bekommen. Generell ist es aber natürlich so, dass starke Themen starke Rückmeldungen erzeugen, egal auf welchem Kanal.

// Über #ZukunftDerPR
Nach unserer erfolgreichen Serie #ZukunftDesJournalismus, die sich mit dem Medienwandel und den damit verbundenen Veränderungen für den Journalismus beschäftigt hat, werfen wir nun einen Blick auf die PR-Arbeit von morgen. Wie schon bei der #ZukunftDesJournalismus, werden wir die spannendsten Folgen unserer Blog-Reihe auch wieder in einem Buch veröffentlichen.
Worauf wird es dabei ankommen? Was sind die großen Trends? Gemeinsam mit Profis und Entscheidern der PR- und Kommunikationsbranche wollen wir diese Fragen beantworten. Das Prinzip ist immer das gleiche: sieben Fragen, sieben Antworten von PR-Experten aus den unterschiedlichsten Branchen und Bereichen. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das interessante Aussagen zu entscheidenden Entwicklungen von morgen und übermorgen ermöglicht.

5. Stichwort Content Marketing: Immer mehr Unternehmen sind inzwischen selbst zu Publishern geworden und bauen eigene Kanäle weiter auf/aus. Trifft das auch für Ihr Unternehmenn zu? Und falls ja, hat die PR oder das Marketing dabei den Lead?

Content Marketing hat dazu geführt, dass es wahnsinnig viel langweiligen Content gibt. Beispielsweise nach dem Girls’ Day, wo in allen Firmen ungefähr das Gleiche passiert, und danach sind die Unternehmensblogs voll von Berichten im Schulaufsatzstil. Natürlich ist es eine schöne Vorstellung, selber ein Medium zu sein – siehe Red Bull, die machen eigentlich Brause, sind aber gleichzeitig eine Medienmarke. Andere sind deswegen erfolgreich, weil sie ein klar abgegrenztes Thema glaubwürdig bespielen können.

Wenn man das will, muss man das aber sehr radikal machen und oft wird auch unterschätzt, wie aufwendig und schwierig redaktionelles Arbeiten ist. Das schafft kein Pressesprecher nebenbei und teuer ist es auch. Bei Cisco setzen wir sehr gezielt Content-Marketing-Maßnahmen ein, zum Beispiel in Form von Case Studies. Wir unterstützen die Kollegen vom Marketing auch mit PR-Content, wenn es passt, konzentrieren uns aber darauf, Dialoge zu führen. Das ist unsere Stärke.

6. Was kann Marketing von PR lernen und wo kann PR sich eine Scheibe vom Marketing abschneiden?

PR hat immer das große Ganze im Blick

Ein guter PR-Manager hat eine innere Distanz zum eigenen Unternehmen, die dabei hilft, Dinge aus nahezu allen Blickwinkeln kritisch zu betrachten. PR hat immer das große Ganze im Blick. Die Marketing-Branche ist beim Thema Daten und Automation deutlich weiter als die PR, wo noch viel intuitiv gemacht wird. Das können wir uns nicht mehr lange erlauben.

7. Bitte nennen Sie Ihr aktuelles (Lieblings-)beispiel für kluge, effektvolle und moderne PR (Strategie, Maßnahme, Person), das nicht von/aus Ihrem Unternehmen stammt.

Ich glaube, wir PR-Leute können momentan am meisten von jungen Menschen lernen. Wer mit kurzen virtuellen Wegen zu allen anderen Menschen der Welt aufgewachsen ist, versteht und verwendet Kommunikation anders und erwartet das natürlich auch von Firmen und Organisationen. Bei Fridays for Future zum Beispiel ist die Kommunikation gleichbedeutend mit der Initiative, das kann man überhaupt nicht trennen. Gleichzeitig wissen sie, wie wirkungsvoll das Trollen ist. Denn genau das ist der Schulstreik ja, sie trollen damit diejenigen, die vom Thema Klimaschutz am liebsten nichts hören wollen. Sie provozieren damit eine Antwort, und zwar über alle Medien hinweg. Das ist intuitiv passiert, wir klassisch geprägten PR-Leute hätten dafür vielleicht einen Strategieworkshop und eine Agentur gebraucht.

Foto: Cisco

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