Thomas Pleil

Bild: #cosca-Team

Thomas Pleil 4Jeder von uns hinterlässt jeden Tag seine Spuren im Netz. Facebook, Google und Co wissen wahrscheinlich mehr über uns als unsere eigenen Eltern. Für Unternehmen war es noch nie so einfach wie heute herauszufinden, wer auf der anderen Seite des Bildschirms sitzt.

Dieser Fakt hat großen Einfluss auf die Unternehmenskommunikation, denn Kunden können viel gezielter und vor allem individueller angesprochen werden. Was im (Online-)Marketing selbstverständlich ist, ist in der PR-Arbeit noch kein verbreiteter Standard. „Große Barrieren sind der Zeitmangel, zu wenig technische Kompetenz und die mangelnde Qualität der Daten“, erklärt Prof. Thomas Pleil. Seit 2004 lehrt Pleil Public Relations an der Hochschule Darmstadt. Zudem bloggt er auf „Textdepot“ über Public Relations, die Medienlandschaft und Online-Kommunikation.

Im Interview erklärt Thomas Pleil, wie Daten die PR-Arbeit verändern und welche Verantwortung Unternehmen dabei übernehmen müssen.

Welche PR-Aktion ist Ihnen in letzter Zeit positiv in Erinnerung geblieben und warum?

Mir gefallen die Kampagnen der „Aktion Mensch“ recht gut. Gerade den Einsatz von Videos finde ich gelungen. Storytelling, die Konfrontation mit Vorurteilen, aber auch Lösungen und Menschlichkeit treffen aufeinander, wenn es um Menschen mit und ohne Handicap geht. Die Kampagne „Begegnungen“ war hierfür ein schönes Beispiel.

Ein Ausschnitt aus der Kampagne “Begegnungen” der Aktion Mensch. (Bildquelle: Aktion Mensch, YouTube)

Was hat sich in der PR/Unternehmenskommunikation in den letzten Jahren geändert?

Öffentlichkeit und Meinungsbildung befinden sich im deutlichen Wandel. Ein Aspekt davon: Organisationen werden heute noch viel stärker beobachtet. Der Druck, Transparenz zu schaffen und Verständnis sowie Akzeptanz herzustellen, hat zugenommen. Die Digitalisierung hat neue Handlungsfelder wie Online-PR und Content-Strategie geschaffen – mit neuen Optionen eigenen Publizierens und direkten Beziehungen zu Stakeholdern. Das hat wiederum zur Folge, dass die ehemals so geliebte One Voice Policy in vielen Situationen nicht mehr funktioniert, sondern auch Mitarbeiter zu Kommunikatoren geworden sind.

Welchen Herausforderungen müssen sich PR-Profis zukünftig stellen?

Die Entwicklungen in der Kommunikation führen dazu, dass sich die Rollen vieler PR-Leute verändern: Einige werden stärker zu Netzwerkern und Ermöglichern von Kommunikation; andere adaptieren Arbeitstechniken, wie sie aus journalistischen Newsrooms bekannt sind. Es gilt: Agilität statt langfristiger Strategien; neue Kompetenzen in PR-Teams unter anderem in Bereichen wie multi- und transmedialem Storytelling, strategischem und technologischem Verständnis – ausgehend von der virtuellen Realität bis hin zur Datenanalyse.

Sie sprechen das Thema Daten an. Noch nie haben Unternehmen so viele Daten über Kunden sammeln können wie bisher. Wie helfen diese Datensätze bei der PR-Arbeit und welche Auswirkungen hat dieser Umstand auf die PR?

Daten schaffen ein besseres Verständnis von Stakeholdern und geben Hilfestellung bei der Entwicklung von Themen und Themensteuerung. Ich denke da beispielsweise an verbesserte Möglichkeiten, um Stakeholdern Kommunikationsangebote zu machen, etwa passend zum räumlichen oder zeitlichen Kontext. Dadurch kann bedarfsgerechter und serviceorientierter kommuniziert werden. Im besten Fall wird das Risiko eines Content Shocks reduziert und dadurch das Nutzererlebnis verbessert.

Thomas Pleil 3“Daten schaffen ein besseres Verständnis von Stakeholdern”, erklärt Thomas Pleil.  (Bild: #cosca-Team)

Je mehr Daten wir zur Verfügung haben, desto individueller kann ein Angebot für Stakeholdergruppen oder sogar einzelne Personen sein. Mithilfe von Daten und Profilen können Informationen immer individueller ausgespielt werden. Das kennen wir von den Suchergebnissen bei Google, dem Facebook-Newsfeed oder vom Targeting in der Werbung quer über Plattformen. Denkbar ist eine Individualisierung jedoch zum Beispiel auch bei Corporate Websites oder Online-Magazinen.

Sie schreiben darüber, dass viele Kommunikatoren den Einsatz von Big Data scheuen. Was ist der Grund dafür?

In einer europaweiten Befragung, dem European Communication Monitor, haben PR-Profis als größte Hürde einen Mangel an analytischen Fähigkeiten gesehen. Große Barrieren sind – so die Befragung – auch Zeitmangel, zu wenig technische Kompetenz und die mangelnde Qualität der Daten.

Ich denke, für die PR ist es problematisch, dass viele Daten in unterschiedlichen Abteilungen und Systemen vorliegen – sie sind also noch lange nicht so nutzbar, wie man sich das von außen vorstellt. Hinzu kommt nach meiner Einschätzung, dass für die Nutzung großer Datenmengen zwar im Marketing klare Anwendungsszenarien bestehen, für die PR sind diese jedoch noch weniger geklärt oder gar erprobt.

Wie verbreitet ist Ihrer Meinung nach die Expertise über den sinnvollen Einsatz von Big Data in deutschen PR-Abteilungen?

Da ist Deutschland im Frühstadium.

Thomas Pleil 2Zeitmangel ist laut Pleil einer der Hauptgründe, warum Big Data von vielen PR-Profis noch nicht eingesetzt wird. (Bild: Steven Wolf, Hochschule Darmstadt)

Welche Voraussetzungen sind nötig, um den PR-Herausforderungen der Zukunft mittels Daten entgegenzutreten?

Dass oder wie viele Daten Unternehmen sammeln, kann auch ein PR-Problem sein. In den meisten Fällen nehmen Menschen das Sammeln von Daten durch das Marketing wahr – und das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Denken wir nur an den Einsatz von Werbeblockern, mit dem sich viele Nutzer zugleich ja auch gegen Tracking – also eine Spielart des Datensammelns – schützen möchten.

Bezogen auf die Stakeholder sind Verständnis und Akzeptanz entscheidende Voraussetzungen für die Nutzung von Daten in der PR-Arbeit. Als Verbraucher beziehungsweise Stakeholder wünsche ich mir in vielen Situationen einfache und verlässliche Opt-out-Möglichkeiten, wenn es um die Verwendung von Daten geht. Damit meine ich die Entscheidungsfreiheit, selbst wählen zu können, welche Daten ein Unternehmen von mir zu welchem Zweck hat – bis hin zur Möglichkeit der (weitgehenden) Anonymität oder einer Einsichtsmöglichkeit in eine Art Datenkonto mit Löschoptionen. Zum anderen ist der Umgang mit Kundendaten zu einer zentralen Vertrauensfrage für Unternehmen geworden. Daten werden damit zu einem der wichtigen Corporate-Social-Responsibility-Themen der Zukunft.

Wenn für die Stakeholder klar wird, welchen Nutzen die Erfassung ihrer Daten ihnen bringen kann, ist ein großer Schritt zur Akzeptanz getan.

Können Maschinen auf Basis detaillierter Daten zukünftig eigenständig handeln und den PR-Manager ersetzen?

Maschinen – oder besser: Software – können sicher helfen, vorhandene Informationen schnell bereitzustellen und langwieriges Suchen zu ersparen. Auch können manche Arten von Texten beziehungsweise Inhalten automatisiert erstellt werden. Je mehr sich jedoch PR-Profis wirklich als Manager positionieren und nicht zum Beispiel als Content-Produzenten, desto zukunftssicherer ist ihre Rolle.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

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