Ob soziale Netzwerke, Unternehmens- oder Nachrichtenseiten: Der Bild- und Videoanteil im Web steigt weiter rasant an. Viele Seitenbetreiber passen sich dem veränderten Leseverhalten von Nutzern an. Diese Entwicklung dürfte besonders die Köpfe eines sozialen Netzwerks freuen: Pinterest.
Die Bilderplattform boomt, denn sie begeistert nicht nur mit ihrer Vielfältigkeit, sondern auch mit ihrer simplen Funktionalität – dies macht es zu einem der zur Zeit angesagtesten Netzwerke. Dank der bewusst limitierten Auswahl an Optionen ist Pinterest besonders einfach zu handhaben: Ähnlich wie bei einem Panini-Album lassen sich die schönsten Netzfundstücke der Community auf Pinnwänden anordnen, die – anders als bei anderen sozialen Netzwerken – den Namen „Pinnwand“ auch wirklich verdienen. Mögliche Kandidaten liefert die mehrspaltige Timeline, mit der man in kürzester Zeit unzählige Bilder sichten kann. Die angezeigten Inhalte bestimmt der Nutzer durch die von ihm favorisierten Themengebiete (z.B. Sport, Reisen, Mode, etc.) und die Pins anderer Nutzer, denen er folgt – und wird dabei nicht selten zum Jäger und Sammler.
„Pins“ wichtiger als „Pinner“: Nicht Personen, sondern Inhalte stehen bei Pinterest im Vordergrund
Eine Eigenschaft, die das Netzwerk im Bereich Content Marketing sowohl für Produkthersteller als auch Medienunternehmen interessant macht: Im Gegensatz zu anderen sozialen Netzwerken, wie zum Beispiel Facebook, steht bei Pinterest der gepinnte Inhalt im Vordergrund – Themen interessanter „Pinner“ ohne persönlichen Mehrwert blenden Nutzer einfach aus. Im Idealfall entwickelt sich die Timeline so zu einer thematisch geschlossenen Bilderwelt, die favorisierte Interessensgebiete von allen Facetten beleuchtet – und Unternehmen eine gute Präsentationsumgebung bieten kann. Denn Nutzer von Pinterest stehen werblichen Inhalten durchaus offen gegenüber, da sie nach Inspirationen und Anregungen für ihre Interessensgebiete suchen. Insofern unterscheidet sich Pinterest erheblich von anderen sozialen Netzwerken, deren User sich mit paid content bekanntermaßen sehr schwer tun oder ihn sogar durchweg ablehnen. Auch wenn Pinterest damit ein gewisses Potenzial für Marketing-Maßnahmen bietet, sollten Unternehmen intelligent und adäquat vorgehen – das Netzwerk als Verlängerung des eigenen Onlineshops zu verstehen, wäre sicherlich der falsche Weg.
Darauf sollten Unternehmen auf Pinterest achten
Daher sollten für ein erfolgreiches Content Marketing auf Pinterest einige Regeln beachtet werden: Unternehmen können sich mit einem sogenannten Business Account registrieren, den das Netzwerk für Profi-Nutzer vorsieht. Dies ermöglicht auch die Nutzung von „Rich Pins“, die direkt auf dem Pin zusätzliche Informationen bieten. Unternehmen können dadurch etwa zusätzliche Echtzeit- sowie Geo-Informationen erhalten, und der Nutzer kann erfahren, wo und für wieviel Geld das abgebildete Produkt aktuell zu haben ist. Passend dazu liefert das Netzwerk-eigene Analytics-Tool aufschlussreiche Zugriffsinformationen über die Resonanz der eigenen Pins. Wichtigste Regel für den Erfolg: Nur wer auf den ersten Blick begeistert, wird auch gesammelt, gerepinnt und damit verbreitet. Dabei spielt die Qualität der Bilder eine entscheidende Rolle – eigene, kreative und visuell starke Bilder sind deshalb für den Einsatz auf der Plattform besser geeignet als generische Stock-Bilder.
Vor allem für bildstarke Medienunternehmen ist Pinterest als Traffic-Booster für die eigene Website interessant: So setzt zum Beispiel BuzzFeed das Netzwerk erfolgreich für eigene Vermarktungszwecke ein. Mit exklusiven Bildern statt recyceltem Content lassen sich Themen aufmerksamkeitsstark inszenieren und die Leser über die eingebettete Ursprungs-URL leicht auf die eigene Webseite holen.
So haben Unternehmen und Marken die Chance, die Bindung zu bestehenden Kunden weiter zu stärken, in dem sie passgenau originelle Produktbilder auf den Pinnwänden ihrer Follower platzieren. Durch das erneute Pinnen dieser Motive durch die bestehenden Kunden erhalten die Unternehmen zusätzlich Zugang zu neuen Nutzern und können so ihre Community erweitern. Ist der Pinterest-Button umgekehrt auch auf der Unternehmensseite eingebunden – bei Firmen aus dem Bereich E-Commerce zum Beispiel im Online Shop – landet der Einkauf nicht anonym im Warenkorb, sondern wird vielleicht sogar – für alle sichtbar – stolz auf der eigenen Pinnwand gepostet. Wie gut das funktioniert, beweisen bereits seit einiger Zeit Unternehmen wie Zalando oder H&M.
Wenn kein eigenes geeignetes Bildmaterial zur Verfügung steht, können Unternehmen auch mit fremden Pins punkten. Wie in anderen Netzwerken oder News-Plattformen, zählt dann das geschickte und zielgruppengerechte Kuratieren von (Bild-)Content. Bei Pinterest kann das eine besondere und gut strukturierte Zusammenstellung oder attraktive Collage sein. Aber auch ohne permanentes Bildfeuerwerk kann eine entsprechende Wahrnehmung erzeugt werden. Dabei ist der rege und kontinuierliche Austausch mit der Anhängerschaft wichtig: Wer sich gezielt mit reichweitenstarken Nutzern verknüpft und diese als eigene Follower gewinnen kann, verbreitert seine Basis weiter.
Der Pinterest-Auftritt von Zalando ist gegliedert in Bereiche wie Jahreszeiten (Spring), Farben (Weiß, Pink, Rot, etc.) und Themen (Sport, Wedding, etc.)
Der Pinterest-Auftritt von H&M ist gegliedert in Kollektionen (Fall/Winter Fashion), Designer (Alexander Wang), Themen (Party Time)
Knackpunkt Bildrechte
Wenn auf fremde Pins statt eigene Bilder gesetzt wird, sind bei Pinterest Urheberrechtsverletzungen aber oft nur einen Klick entfernt. So können sich trotz Angabe der Ursprungs-URL bei journalistischen Quellen ohne schriftliche Absicherung Probleme beim Repinnen von Bildern ergeben. Pinterest versucht deshalb auf verschiedenen Wegen, Rechtsprobleme vorab möglichst auszuschließen: So bietet die Plattform URL-Hinweise, die Bilder vor Fremdnutzung schützen, oder verweist auf Creative Commons Lizenzen, die eine freie Nutzung erlauben. Darüber hinaus verlinkt theoretisch jeder Pin zurück zur Quelle – praktisch allerdings kann die Quelle nach dem Pinnen manuell entfernt werden – und der Traffic-Nutzen kommt, wenn vielleicht auch unfreiwillig, dem ursprünglichen Autor zugute. Wie man sich als Unternehmen mit fremden Pins rechtssicher bewegt, beantwortet Pinterest Deutschland derzeit noch nicht. In einem Interview mit dem Wall Street Journal verweist Jan Honsel, Country Manager für die DACH-Region bei Pinterest, darauf, dass sich die Entscheidungslage bezüglich der rechtlichen Situation noch im Fluss befinde. Wenn jemand das Repinnen unterbinden wolle, werde man dem sofort Rechnung tragen, niemand solle zum Missbrauch angestiftet werden. Im Falle von Promoted Pins – Pins zu Werbezwecken, die in den USA bereits gestartet sind und auch in Deutschland wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen werden, – müssen Werbetreibende die Rechte für den Inhalt, den sie verwenden wollen, beim Rechteinhaber anfragen.
Pinterest wächst – Bildportale liegen im Trend
Clever genutzt, sind die Chancen für eine breite Wahrnehmung vielversprechend: Nach Aussagen von Pinterest Deutschland sind weltweit bereits 70 Millionen Nutzer monatlich auf der Plattform aktiv, während Facebook auf aktuell 1,189 Milliarden, Twitter auf 232 Millionen und Instagram auf rund 200 Millionen kommen. Insgesamt verbringen die Pinner monatlich nicht weniger als 5,4 Milliarden Minuten auf Pinterest, 75 Prozent der Nutzung erfolgt dabei über mobile Endgeräte. Rund 30 Milliarden Fotos liegen auf 750 Millionen Pinnwänden. Die Plattform ist eines der derzeit höchstbewerteten Startups der Welt. Schon heute ist das soziale Netzwerk in 32 Sprachen verfügbar und betreibt Büros in UK, Frankreich, Japan, Spanien, Brasilien und Deutschland – erst vor wenigen Wochen wurde der neue Standort in Berlin eingeweiht. Dort hat man Großes vor: Jan Honsel möchte die Plattform hierzulande zur Nummer zwei unter den sozialen Netzwerken machen, wo Pinterest bereits 2,1 Millionen monatlich aktive Nutzer zählt. Ein ambitioniertes Ziel, auch wenn der Abstand zu anderen Plattformen deutlich geringer ausfällt als im internationalen Vergleich: In Deutschland liegt Facebook mit 34 Millionen Besuchern pro Monat vor XING (5,5 Millionen), Twitter (3,6 Millionen), LinkedIn (3,4 Millionen) und Tumblr (3,2 Millionen). Der Trend hin zu visuellen Inhalten könnte Pinterest Rückenwind geben, aber auch die anderen Plattformen werden versuchen, diese Entwicklung für sich zu nutzen. Auffällig ist, dass Pinterest bislang mit rund 80 Prozent einen sehr hohen Anteil weiblicher Nutzer aufweist – deshalb sind dort Themen wie Mode, Do-it-yourself (DIY), Essen und Trinken, Wohnen/Inneneinrichtung, Hochzeitsplanung und Reisen besonders stark vertreten. In der Ansprache von Männern besteht bei Pinterest also durchaus noch Nachholbedarf – und dies ist sicher ein guter Ansatzpunkt, wenn das Unternehmen sein Ziel, die Nummer zwei unter den deutschen sozialen Netzwerken zu werden, wirklich erreichen will.
Pinterest bringt Ordnung in die Pinnwand
Das neue Führungstrio von Pinterest in Deutschland (v.l.n.r.): Jan Honsel (Country Manager DACH-Region), Anna Neumann (Community Marketing Manager), Jana Würfel (Marketing & Communications Manager)
Bei der Housewarming-Party von Pinterest in Berlin gab es jede Menge Cup Cakes für die Besucher
Hochzeitsplanerin Charlotte holt sich auf Pinterest Inspiration für Ihre Arbeit. Die meisten Pins auf ihren Boards drehen sich um das Thema Mode.
// Über den Autor
Ingo Schümmer ist studierter Technik-Journalist. Nach PR Tätigkeiten für verschiedene Auto- und Motorradhersteller arbeitet er seit Anfang 2014 im Content-Team von OSK. Als begeisterter Auto- und Motorradfan ist er intensiv in sozialen Netzwerken unterwegs. Für das OSK-Blog schreibt er über Mobilität, Technik und Trends. // E-Mail