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“Entscheidend sind Authentizität und Relevanz” – OSK Geschäftsführer Oliver Schrott über neue Kommunikationschancen in der digitalen Welt und die Bedeutung realer Erlebnisse.

oliver schrott

Oliver Schrott ist Geschäftsführender Gesellschafter von OSK. Nach mehrjähriger Tätigkeit für aktuelle Magazine arbeitete der gelernte Journalist als Autor für Automobil-, Marketing- und Wirtschaftsmedien. 1993 gründete er Oliver Schrott Kommunikation als Kommunikationsagentur für die Branchen Auto, Mobilität und Technologie. Seitdem hat OSK mehr als 600 Live- und 3-D Projekte in 40 Ländern realisiert.

OSK: Unser Alltag wird immer stärker von Medien geprägt. Statistisch verbringt jeder Deutsche zehn Stunden am Tag mit deren Nutzung, davon 169 Minuten im Internet – mit deutlich steigender Tendenz. Geht der Medien-Boom zulasten realer Erlebnisse?

Oliver Schrott: Teils, teils. Zwar ist die Mediennutzung insgesamt gestiegen, das liegt aber auch daran, dass immer mehr Medien parallel genutzt werden. Wir schauen Fernsehen und surfen gleichzeitig im Internet, wir hören Radio beim Zeitunglesen, wir schicken SMS aus dem Kino. Zwar ist das Zeitbudget für eher traditionelle Freizeittätigkeiten wie Spazierengehen, Treffen mit Freunden oder Einkaufen nach den letzten Untersuchungen zurückgegangen. Gleichzeitig machen aber immer mehr Menschen Städtereisen, besuchen Konzerte, Festivals oder Sportveranstaltungen. In der Saison 2001/2002 hatte die Erste Bundesliga gut zehn Millionen Zuschauer. Heute sind es über 13 Millionen. Das beweist, dass die Lust an realen Erlebnissen unabhängig vom Boom der digitalen Medien nicht ab-, sondern zunimmt. Es müssen aber eben echte Erlebnisse sein.

Was ist für Sie ein echtes Erlebnis?

Menschen haben Lust auf Neues, wollen ausgetretene Pfade verlassen. Ein echtes Erlebnis ist deshalb eines, das Menschen erstaunt, überrascht, begeistert, bewegt oder auch polarisiert, weil es vom Alltag und der Normalität abweicht. Weil es authentisch ist, Gesprächsstoff liefert und zum Weitererzählen taugt. Wenn Menschen heute massenhaft ihre Handys hochhalten, ein Foto machen und anschließend fieberhaft bei Facebook und Whats-App posten, dann war das Gesehene für sie wahrscheinlich ein echtes Erlebnis, denn sie haben das Bedürfnis, es zu teilen.

Wie schaffen Marken echte Erlebnisse?

Indem sie sich zunächst einmal von den internen Vorgaben, PowerPoint-Folien und Marketingplänen lösen und fragen, was die Zielgruppe will. Die Binsenweisheit, dass der Köder dem Fisch schmecken muss und nicht dem Angler, stimmt heute mehr denn je, denn das Angebot an Informationen und Unterhaltung wird immer größer. Verbraucher haben ein gutes Gespür dafür, welches Angebot authentisch ist und welches aufgesetzt. Ein reales und relevantes Erlebnis wird aus der Marke heraus entwickelt und nicht im Hochregallager der Event-Industrie oder bei einem Content-Aggregator bestellt. Es ist kein Zufall, dass für den Auftritt und die Aktivität von Marken im Internet und im Social Web heute ähnliche Erfolgsfaktoren gelten wie für gute Live-Kommunikation: Kreativität, Relevanz, Authentizität, Dialogorientierung und Partizipation.

Gibt es ein Geheimrezept?

Liebe geht durch den Magen! Ernsthaft: Der Bauch ist ein guter Seismograf dafür, was Menschen mögen und was nicht. Für ein “Gut” gibt es meistens rationale Argumente, ein spontanes “Wow” entsteht im Bauch. Insofern lohnt es sich, auf die eigenen Gefühle zu hören, das gilt auch für die Beurteilung von Ideen, Konzepten und Kreationsentwürfen.

Werden reale Events in Zukunft durch virtuelle Erlebnisse verdrängt?

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Zwar gewinnen virtuelle Erlebnisse gerade für jüngere Zielgruppen an Bedeutung, wie man zum Beispiel am Gaming-Boom sehen kann, gleichzeitig sehnen sich die Menschen aber als Gegengewicht nach realen Erlebnissen. Außerdem benötigen Unternehmen und Marken echte Events und Aktionen, um daraus glaubwürdigen Content zu generieren. Content Marketing setzt ja voraus, dass es regelmäßig neue Inhalte gibt. Felix Baumgartner ist nicht nur deshalb aus der Stratosphäre gesprungen, um mit einem spektakulären Event Aufmerksamkeit für Red Bull zu schaffen, sondern auch, um attraktiven Content für die Marke und ihre Medien zu generieren.

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Stehen die reale und die digitale Welt im Wettbewerb oder ergänzen sie sich?

Sie ergänzen sich perfekt, da die eine die andere fördert und befeuert. Digitale Medien profitieren von realen Ereignissen, und reale Events profitieren von der Digitalisierung. Es ist also nicht die Frage, ob die eine oder die andere Welt besser ist, sondern wie es gelingt, eine möglichst perfekte und wirksame Kombination aus beiden Welten zu kreieren  und die Chancen voll auszuschöpfen. Digitale Technologien machen Events mehrdimensionaler und spannender und ermöglichen Erlebnisse, die es früher so nicht gegeben hat. Auf modernen LEDs verschwindet die Grenze zwischen Realität und Virtualität fast vollständig. Mit Augmented-Reality-Software machen wir Ungesehenes sichtbar und reisen in Vergangenheit und Zukunft. Die heutigen technischen Möglichkeiten sind faszinierend und noch lange nicht ausgeschöpft.

Gleichzeitig ist die Kommunikation von Live- Events durch das Internet viel breiter geworden. Nehmen Sie zum Beispiel die Pressekonferenzen auf einer großen Messe wie der IAA. Früher waren das tatsächlich Pressekonferenzen für ein paar Hundert oder Tausend Journalisten, über die sie die Endverbraucher angesprochen und – hoffentlich – erreicht haben. Im schlechtesten Fall mit ein paar Zeilen Text, im besten Fall mit 20 Sekunden Tagesschau. Heute werden aus Pressekonferenzen immer öfter fernsehgerechte Live-Events, die im Internet übertragen werden und sich direkt an ein Millionenpublikum richten, überall auf der Welt. Das ist eine neue, großartige Kommunikationschance und hat unserer Arbeit mehr Gewicht gegeben, auch bei der Verteilung der Budgets in den Unternehmen.

Warum sollte sich jemand im Internet eine Pressekonferenz anschauen?

Weil er die Informationen und Bilder aus erster Hand bekommen möchte und selbst bewerten kann, ohne den Filter der klassischen Medien. Allerdings müssen die Themen und Inhalte dafür entsprechend interessant und publikumsgerecht aufbereitet und inszeniert werden. Sonst haben sie im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit keine Chance.

Eine Pressekonferenz als Dauerwerbesendung?

Auf keinen Fall. Das oberste Gebot ist und bleibt die Glaubwürdigkeit. Aber eine Rede oder ein Statement wirkt nicht dadurch ehrlicher, dass der CEO am Rednerpult steht und vom Blatt abliest. Und ein Produkt wirkt pur nicht unbedingt attraktiver, als wenn es begehrlich inszeniert wird. Entscheidend für den Erfolg sind aber Authentizität und Relevanz. Wenn die Geschichte schlecht ist, wird sie nicht weitererzählt.

Wo holen Sie sich neue Anregungen, im Internet oder im wahren Leben?

Überall. Mir passiert es sehr oft, dass ich in einer Zeitung oder in einem Magazin auf etwas stoße, was mich interessiert, dieses dann im Internet vertiefe und daraus wiederum der Wunsch entsteht, das Objekt des Interesses – was auch immer es ist – in Realität anzuschauen. Das können architektonisch besondere Gebäude und Locations sein, neue Hotels oder Restaurants, ausgefallene Shops und Showrooms, einzelne Produkte, Museen und Ausstellungen – einfach alles, was man auf Papier und Bildschirmen zwar anschauen, aber nicht wirklich erleben kann. Dieses reale Erlebnis versuche ich dann in eine meiner nächsten Reisen zu integrieren, wenn es zeitlich und räumlich irgendwie passt.

Vielen Dank für das Gespräch!

// Über die Autorinkirsten_small Kirsten Paul arbeitet seit zehn Jahren als PR-Redakteurin bei OSK, aktuell betreut sie verantwortlich das OSK-Intranet. Dabei versorgt sie die Teams in Deutschland, USA und China regelmäßig mit Informationen zu Projekten aus dem Agentur-Kosmos und berichtet über aktuelle Themen der Branche. Darüber hinaus ist die Germanistin Ansprechpartnerin für den Web-Auftritt von OSK und betreut die Agentur-Zeitung OSK INSIGHT. Darin bittet sie auch interessante Persönlichkeiten um ihre Einschätzung zu neuen Entwicklungen, so zuletzt zu chinesischen Design-Trends und Shopkonzepten der Zukunft. In ihrer Freizeit durchstreift die Bonnerin am liebsten die Eifel, bevorzugt auf dem Rücken ihres Pferdes. // E-Mail

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