osk_weekly KW 50 Titel - Paid Content

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Liebe Leserinnen und Leser,

Richard Gutjahr fordert ein Netflix für Journalismus. Der Journalist und Digitalexperte bezweifelt, dass der Leser bereit sei, mehrere digitale Abos parallel abzuschließen. „Was wir bräuchten, wäre eine Content-Allianz (… ). Ein Abo, ein Passwort, verlagsübergreifend für mehrere Titel“, sagt Gutjahr im Interview mit Meedia. Er weiß: Die Digitalisierung setzt Verlagen weiterhin zu. In Zeiten sinkender Werbeerlöse legen viele Publisher und Medien-Anbieter ihre Hoffnungen daher auf Paid Content. Zwar wächst die Bereitschaft, für kostenpflichtige Netz-Inhalte zu zahlen, aktuell haben jedoch die meisten Verlage Probleme, die Nutzer langfristig von Paid-Modellen zu überzeugen. Im aktuellen OSK Weekly gehen wir daher darauf ein, wie Medienhäuser mit dem Thema umgehen und welche Strategien sie im Paid-Bereich einsetzen.

Viel Spaß beim Lesen!

ZEIT Online lässt Leser mit Daten und Geld zahlen

ZEIT-Leser sind durchaus zahlungswillig. Vor allem für ihre „Lieblingsthemen“ sind sie bereit zu investieren. Das sei im Falle der ZEIT in erster Linie Content aus den Ressorts Weltpolitik, Wirtschaft und dem Magazin, erklärt Martin Kotynek, stellvertretender Online-Chefredakteur. Nach drei Monaten zog der Verlag eine erste Bilanz zu seinem Paid-Content-Modell Z+, das im April 2017 testweise eingeführt wurde. Z+ funktioniert mit zwei Bezahlarten: Zum Teil muss der Leser „nur“ seine Daten preisgeben und sich auf der Seite registrieren. Andere Inhalte kosten „echtes“ Geld und stehen nur zur Verfügung, wenn ein Digital-Abo abgeschlossen wird. Der Reichweite habe dies nicht geschadet, sagt Kotynek. Und über die vielen Neuregistrierungen habe man darüber hinaus wertvolles Datenmaterial zur weiteren Verwendung gewinnen können. Das Experiment der ZEIT laufe daher weiter, der Lernprozess beginne gerade erst.

Verlage können nicht gleichzeitig auf Abos und Reichweite setzen

Das Konzept, gleichzeitig auf Reichweite und Paid Content zu setzen, sei gescheitert, sagt Axel-Springer-Vorstand Jan Bayer im Interview mit Horizont. Das Ziel, maximale Werbeerlöse und maximale Vertriebserlöse in gleichem Maße steigern zu wollen, könne nicht mehr funktionieren. Medienhäuser, die auf Reichweite und Werbevermarktung setzen, produzierten ein anderes journalistisches Produkt als Verlage mit einem Fokus auf Digital-Abos. „Klickbasierter Journalismus ist anders als Journalismus, der sich an zahlende Leser wendet“, erklärt Bayer. Er sei überzeugt, dass Verlage für jeden ihrer Titel diese fundamentale Entscheidung treffen müssten. Schlussendlich habe diese Wahl konkrete Auswirkungen auf die Steuerung des Unternehmens. Wir haben zu lange überall beides gleichzeitig getan.“

Die Paywall-Schranken der US-Tageszeitungen sind oftmals „undicht“

US-Tageszeitungen lehnen einen „All-in-Ansatz“ mit „harten“ Paywalls ab, schreibt Columbia-Journalism-Review-Autorin Ariel Stulberg in ihrem Beitrag. Stattdessen würden entweder „undichte“ Abo-Schranken mit vielen „Hintertürchen“ oder gar keine Paywalls eingesetzt. Das habe eine CJR-Analyse der 25 meistbesuchten US-Tageszeitungsseiten ergeben, darunter die New York Times, die Washington Post und die Los Angeles Times. Die Analyse zeigt detailliert auf, wo sich bei welchem Medium „Hintertürchen“ befinden, und stellt die monatlichen Abonnement-Kosten der Medien gegenüber. Von den analysierten Websites haben 10, also 40 Prozent, keine Paywalls und setzen weiterhin rein auf Anzeigenumsätze. Nur 15 Seiten setzen Paid-Content-Schranken ein, welche sich jedoch häufig umgehen lassen.

NYT und WP setzen auf Abos

Wie diese versuchen, ihre Leser vom Bezahl-Modell zu überzeugen, zeigt der Economist im ersten Teil seiner Serie zur Zukunft des Journalismus auf. Die große Herausforderung dabei: Wieso sollten die Leser zahlen, wenn sie anderswo weiterhin kostenlosen Content konsumieren können? Die New York Times und die Washington Post konzentrieren sich mit ihrem „Subscription-first“-Ansatz verstärkt auf Abonnements. Mark Thompson, Chef der New York Times, glaubt, die Strategie könne mehr Gewinn generieren als die bisherigen, von Werbung abhängigen Geschäftsmodelle. Während die Times die Zahl der Online-Abonnenten in knapp zwei Jahren verdoppelt, schaffte die Post dieses Kunststück bereits in zehn Monaten und hat nun mehr als eine Million zahlungswillige Leser.

Facebooks Instant-Articles-Abo bietet Publishern neue Möglichkeiten

Mit dem geplanten Launch von Facebooks Instant-Articles-Abo könnten Publisher neue Möglichkeiten der Monetarisierung von Online-News in dem sozialen Netzwerk erschließen, erklärt NewsWhip-Autor Liam Corcoran. Zu den ersten Partnerverlagen zählen unter anderem die Washington Post, der Economist, die LA Times und einige europäische Websites. Mit der Einführung sollen weitere „Hintertürchen“ von Paywalls geschlossen werden. Vorgesehen ist, dass User monatlich zehn Instant Articles kostenfrei lesen können, erst dann stehen sie vor einer Paywall. Für Publisher könnte die Zahl der frei verfügbaren Inhalte zu hoch sein. Der Boston Globe bietet Nichtabonnenten beispielsweise nur alle 45 Tage zwei Artikel. Es sei daher für Publisher wichtig, dass sie das Modell umfassend testen.

Ausgerechnet BuzzFeed bemängelt Facebook-Dominanz

BuzzFeed CEO Jonah Peretti bemängelt in einem überraschend offenen Statement die Dominanz von Facebook in der Medienwelt, die durch das Instant-Articles-Abo noch weiter wachsen würde. Zusammen mit Google kontrolliert das Netzwerk inzwischen 63 Prozent der digitalen US-Anzeigenausgaben. „Duopoly“ nennt er diese Entwicklung. Obwohl BuzzFeed ein Medium ist, das einen Großteil seines Erfolgs der Fähigkeit verdankt, mit den Algorithmen der großen Plattformen mitzuschwimmen, sieht sich Peretti zunehmend bedroht und strebt nach Eigenständigkeit. Er warte nicht einfach nur auf einen „glücklichen Zufall“, sondern sehe den Bedarf einer Diversifizierung der Gewinne im Mediengeschäft und wolle aktiv dazu beitragen. Zudem fordert Peretti die Netzwerke dazu auf, qualitativ hochwertigen Content vernünftig zu bezahlen. Schließlich seien Social-Plattformen mehr denn je auf gute Inhalte angewiesen.

Statt Paywalls: Der Guardian bittet seine Leser mit offenen Worten um Unterstützung

„Lasst uns gemeinsam den unabhängigen Journalismus retten“, appelliert der Guardian direkt an seine Leserschaft. Mehr als 800.000 Abonnenten in 140 Ländern unterstützen die britische Tageszeitung bereits. Das sei ein bedeutender Schritt, schreibt Katharine Viner, Editor-in-Chief, in ihrem emotionalen Beitrag. Darin bedankt sie sich für die wachsende Zahl an Unterstützern und appelliert an den Rest: „Bitte schließt euch an.“ Viner schlägt damit einen neuen Weg ein und legt offen dar, dass der Guardian nur mit der Hilfe seiner Leser dauerhaft investigativen Qualitätsjournalismus liefern kann. Das Konzept der Zeitung basiert auf einem freiwilligen Bezahl-Modell. Es werde auch zukünftig keine Paywalls geben, verspricht Viner: „Wir wollen eine starke, progressive Kraft bleiben, die für alle zugänglich ist.“ Sie verweist auf die tief gehende Berichterstattung des Guardians, etwa zur US-Präsidentschaft oder zum Brexit, die man in der heutigen Zeit unbedingt brauche.

“Für eine Nachricht will der Nutzer nichts bezahlen” – Journalisten äußern sich zu Paid Content

Für unsere Blogreihe sowie unser Buch zur Zukunft des Journalismus haben wir mit vielen Journalistinnen und Journalisten gesprochen. Paid Content war in den über 40 Interviews natürlich ebenfalls ein Thema. Hier einige der spannendsten Zitate:

Nikolaus Röttger (Oktober 2016)

„Paid Content fordert viele Verlage noch immer heraus. Sie hadern mit dem Verlust der Reichweite. Das ideale Modell, journalistische Inhalte online zu monetarisieren, hat bislang zwar noch niemand gefunden, aber man spürt deutlich, dass Medienunternehmen kreativer werden, unternehmerischer denken und alternative Geschäftsmodelle aufbauen, die auch redaktionelle Angebote finanzieren können.”

Holger Schmidt (Juli 2016)

„Oft glauben Medien, sich für eines der beiden entscheiden zu müssen: Paid Content oder Werbung. Der Guardian beispielsweise ist digital so erfolgreich, weil er radikal auf frei zugängliche Inhalte setzt und sich ausschließlich über Werbung finanziert. Das hat der Zeitung zunächst sehr gutgetan und aus dem Provinzblatt eine international anerkannte Marke gemacht. Auf Dauer ist die Strategie aber nicht aufgegangen, weil sie zu teuer war: Der Guardian hat hohe Verluste gemacht, trotz vieler Leser im Netz.“

Daniel Fiene (Juni 2016)

„Das Problem von Paid Content war bisher, dass die Modelle aus Sicht der Medienmarke und nicht des Nutzers entwickelt wurden – das funktioniert nicht. Für eine Nachricht will der Nutzer nichts bezahlen, das war aber (…) schon immer so. Ich glaube eher, dass die Nutzer zukünftig aus Bequemlichkeit bezahlen werden. Dafür muss man allerdings ihre Bedürfnisse genau kennen und darauf aufbauend ein Angebot zusammenstellen.“

Uwe Vorkötter (November 2015)

„Je klarer ein Medium seine Zielgruppe definiert, je kleiner die Nische, je wertvoller der Inhalt genau für diese Community, desto größer die Chance, Vertriebs- oder Werbeerlöse zu generieren. Also schlechte Aussichten für diejenigen, die Medien für alle machen, für Jung und Alt, Reich und Arm, Mann und Frau …“

 

 

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.