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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

dieses Jahr sind namhafte Projekte der deutschen Jugendmedien-Branche eingestellt worden. BuzzFeed Deutschland steht zum Verkauf, der Spiegel schließt bento und auch Zeit Online integriert sein Angebot ze.tt als Ressort. Aber kann der Journalismus trotzdem etwas von diesen Medien lernen? Und wie erreichen Redaktionen junge Menschen wieder, speziell mit Blick auf die heranwachsende Generation Alpha? Damit haben wir uns im aktuellen OSK Weekly auseinandergesetzt.

Viel Spaß beim Lesen!

OSK Weekly KW 50 - Junger Journalismus - Nachrichtenverständnis Jugendlicher

Das Nachrichtenverständnis Jugendlicher – „Was können die Medien für mich tun?“

Im Leben junger Nutzer steht vor allem die eigene Entwicklung und die Lebensfreude im Mittelpunkt, schreibt das Reuters Institute for the Study of Journalism basierend auf einer Studie. Dieser Antrieb spiegele sich auch in den Anforderungen wider, die jüngere Zielgruppen an Nachrichten hätten.

Sie benötigten Nachrichten weiterhin, um in Kontakt mit der Welt zu bleiben, würden traditionelle Medien jedoch nicht zwingend als den besten oder einzigen Weg verstehen, um dieses Bedürfnis zu erfüllen. Gleichzeitig gebe es ein hohes Maß an indirekter „Hintergrund“-Exposition gegenüber Nachrichten, etwa auf sozialen Netzwerken. Daher hätten viele das Gefühl, nicht aktiv nach Nachrichten suchen zu müssen. Zudem sei ein großer Teil der Formate und Genres, die Jugendliche spannend fänden, eher am Rand des Nachrichtenkosmos‘ einzuordnen, darunter beispielsweise Infotainment, Lifestyle oder Blogging.

Im Ergebnis definieren junge Menschen die Rolle von Nachrichten anders als etablierte Medien. Diese verstünden Nachrichten als etwas, dass der Leser wissen muss. Jugendliche hingegen sehen in ihnen Informationen, die sie (bis zu einem gewissen Grad) wissen müssen, aber die sie ebenso als nützlich, hilfreich und auch unterhaltsam empfinden. Zudem sei das Verständnis von Journalismus eher individualistisch geprägt. Es gehe eher darum, was Medien für den jeweils Einzelnen tun können als für die Gesellschaft als Ganzes.

OSK Weekly KW 50 - Junger Journalismus - Die Nachrichtenquelle spielt für Jugendliche eine untergeordnete Rolle.

Die Nachrichtenquelle spielt eine untergeordnete Rolle

Soziale Medien werden für junge Erwachsene in Deutschland bei ihrem Nachrichtenkonsum immer bedeutender, wie aus dem aktuellen Reuters Institute Digital News Report hervorgeht. Demnach gaben 30 Prozent der befragten 18- bis 24-Jährigen an, dass die sozialen Medien ihre wichtigste Nachrichtenquelle seien.

Das Projekt #UseTheNews, initiiert vom Leibniz-Institut für Medienforschung und der dpa, wurde im Sommer 2020 gestartet und soll tiefere Infos zum sich ändernden Nachrichtennutzungsverhalten junger Zielgruppen liefern. In einem Beitrag fasst Autorin Leonie Wunderlich die aktuelle Situation zusammen.

Wie erste Diskussionsrunden des Projekts ergeben hätten, würden in der Altersgruppe der 14- bis 24-Jährigen Nachrichten als Ereignisse wahrgenommen, die persönlich einen thematischen oder geografischen Bezug oder direkten Einfluss auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen hätten. Gerade für 14- bis 17-Jährige seien alltagsrelevante Themen wie Mode, Musik oder Umwelt wichtiger als politische Themen.

Ausschlaggebend sei für die Jugendlichen dabei vor allem, dass die Inhalte ansprechend sind. Ob sie von einer journalistischen Quelle stammen, spiele hingegen keine ausschlaggebende Rolle. „Für mich macht das auch keinen großen Unterschied, von wem das kommt. Hauptsache der Inhalt stimmt, also wie es geschrieben ist, und auch Bilder oder Videos sind oft auch sehr ausschlaggebend für mich“, habe zum Beispiel ein 16 Jahre alter Schüler bei der Studienbefragung angegeben.

Eine andere Untersuchung unterstreicht hingegen, dass klassische Medien für junge Nutzerinnen und Nutzer weiterhin relevant sind. Laut der Postbank Jugend-Digitalstudie 2020 setzen Teenager insbesondere auf sie, wenn es um aktuelle Nachrichten und Meinungsbildung geht. Vor allem das Vertrauen in die jeweilige Mediengattung sei in diesem Zusammenhang wichtig. 59 Prozent der Befragten vertrauten Online-News von seriösen Medien wie Spiegel oder ARD. 46 Prozent verließen sich auf die Berichterstattung von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. 45 Prozent hielten Fernsehbeiträge für vertrauenswürdig.

Soziale Medien schnitten hier deutlich schlechter ab: Nur jeder Vierte vertraue im Nachrichtenkontext auf YouTube-Clips. Beiträge auf Instagram stellten zwölf Prozent nicht infrage. Bei Twitter-Posts seien es lediglich sechs Prozent und bei Facebook drei Prozent.

OSK Weekly KW 50 - Junger Journalismus - Deutscher Journalismus kann von jungen Medien lernen.

Deutscher Journalismus kann von jungen Medien lernen

„Wenn dieses Jahr für Medien ein schlechtes war, dann war es für junge Medien ein beschissenes“, schreibt Vice-Chefredakteur Felix Dachsel in einem Gastbeitrag für Meedia. Er habe den Text jedoch nicht verfasst, um das Klischee vom jammernden Millennial zu erfüllen, sondern weil er sich über die Schadenfreude wundere, mit der einige Kollegen die Turbulenzen kommentierten. Anstatt die Einstellung von bento und Co zu bejubeln, lohne sich ein genauerer Blick, um zu lernen, was etablierte Medien von Jugendformaten lernen können.

Laut Dachsel hätte Jugendmedien es zum Beispiel gut verstanden, wie man die Geschichte in den Vordergrund hebt und nicht die Autorin oder den Autor. In einem der letzten Beiträge habe bento etwa Angehörige der Hanau-Opfer in den Mittelpunkt gestellt, die persönliche Einblicke in ihre Gefühlswelt geben. „Präsentiert sind diese Protokolle nüchtern und kahl, ohne schönschreiberisches Beiwerk, ohne hinzugefügte Stimme der Redaktion.“

Zur Vice-Redaktion gehörend, schildert der Autor seine Ansicht aus der Perspektive eines Mediums, das selbst eine jüngere Zielgruppe anvisiert. Dementsprechend wird nicht jeder seinen aufgelisteten Punkten zustimmen. Dennoch unterstreicht der Text einen wichtigen Punkt, in dem Jugendformate durchaus Vorreiter sein können: Häufig sind sie in Bezug auf neue Ideen abseits der bekannten Pfade mutiger und schneller. Sie gehören oft zu den ersten, die den Schritt in unbekanntes Terrain wagen und neue Weg für andere abstecken.

OSK Weekly KW 50 - Junger Journalismus - TikTok-tagesschauARD aktuell erreicht mit der tagesschau auf TikTok mehr als 650.000 Follower .

TikTok-Tagesschau

Trotz des Scheiterns einiger Jugendformate, gibt es in Deutschland durchaus erfolgreiche Angebote für die junge Zielgruppe, wie Petra Petruccio in einem anderen Beitrag für #UseTheNews schreibt.

Nova (DLF), Das Ding (SWR) und Funk (ARD/ZDF) erreichten die unter 30-Jährigen mit einer zielgruppengerechten Sprache und entsprechend zugeschnittenen Themen auf Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram, Twitter, Spotify, Snapchat und TikTok. ARD aktuell erreiche mit der Tagesschau auf TikTok mehr als 650.000 Follower sowie auf Instagram über 2,2 Millionen Nutzer, überwiegend aus jungen Altersgruppen.

Mit Funktionen wie den „Stories“ ist Instagram für journalistische Medien interessanter geworden. Sowohl traditioneller Journalismus als auch neue Formate erreichen dort ein junges Publikum, wie deutschlandfunk.de erklärt. Neben digitalen Medienunternehmen wie BuzzFeed oder dem deutschsprachigen News-Portal „Watson.de“ setzten ebenso viele traditionelle deutsche Medien mittlerweile auf Instagram.

Medien wie der Spiegel, die Tagesschau oder die FAZ bereiteten ihre Beiträge für die Plattform als Stories auf, um ihre Recherchen und Beiträge jungen Zielgruppe zu präsentieren. Es gebe jedoch auch „Instagram Only“-Formate. Funk, das junge Content-Netzwerk der Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland, setze etwa verstärkt auf Inhalte, die ausschließlich für Instagram produziert würden. Dazu gehöre beispielsweise „Mädelsabende“ vom WDR, das mittlerweile 176.000 Abonnenten erreiche und täglich Stories zu einem wöchentlich wechselnden Oberthema veröffentliche. Ein anderes Beispiel sei die „NewsWG“ vom Bayerischen Rundfunk, in der junge Moderatorinnen und Moderatoren Nachrichtenthemen präsentieren.

Allen Instagram-Formaten gemein sei der Fokus auf interaktive Elemente. Während User unter Beiträgen im Newsfeed kommentieren und Nachfragen stellen könnten, böten Stories gleich mehrere Interaktionsmöglichkeiten von der Umfrage bis zum Quiz.

In diesem Zusammenhang ist ein Beitrag der taz interessant, der die Frage nach der journalistischen Unabhängigkeit im Social-Media-Kosmos stellt. Forscher warnten schon seit Jahren, dass klassische Medienunternehmen eben diese Unabhängigkeit verlieren könnten. Zwar könne ein Medienhaus über Instagram und Co seine Inhalte einem größeren Publikum zugänglich zu machen, aber es bleibe undurchsichtig, nach welchen Mechanismen und Kriterien die Intermediären auf die Verbreitung Einfluss nehmen. Mit Facebook und Instagram verwalteten bloß zwei Plattformen, die zudem zum selben Unternehmen gehörten, den Zugang zahlreicher klassischer Nachrichtenanbieter zur Öffentlichkeit.

OSK Weekly KW 50 - Junger Journalismus - Generation Alpha im Blick

Die Generation Alpha im Blick

Um die Themen von morgen aufzuspüren, hat der WDR das „Innovation Hub“ gegründet. „Unsere Aufgabe ist es, jeder Einheit und Redaktion im Sender Antworten auf Zukunftsfragen zu liefern“, erklärt Journalist Dennis Horn, der dem sechsköpfigen Team angehört, auf DWDL.de.

Teamleiterin Lisa Zauner ergänzt, man verstehe sich als Netzwerk, das sich beispielsweise mit Forschungseinrichtungen, Start-ups und anderen Organisationen und Expertinnen austausche. „Einerseits geht es darum herauszufinden, mit wem wir es bei der Generation Alpha in fünf bis zehn Jahren zu tun bekommen werden. Andererseits wird auch die Mediennutzung der Babyboomer in fünf Jahren eine andere sein. Auch darauf müssen moderne Medienhäuser reagieren.“

Die Generation Alpha umfasst alle, die ab 2010 auf die Welt gekommen sind und eine rein analoge Welt gar nicht mehr kennen. Das Wissen über sie gebe nicht nur Aufschluss darüber, wie Produkte gestaltet werden müssen, sondern auch über Inhalte oder Personalmarketing. Ein Beispiel sei Gaming, das zunehmend Elemente sozialer Netzwerke übernehme. User würden Games dementsprechend zukünftig verstärkt als soziale Treffpunkte nutzen. „Also suchen wir zusammen mit Games-Expertinnen und -Experten aus dem WDR und von außerhalb nach Antworten auf die Frage, was das für unsere Inhalte bedeutet – und wie wir sie auch in solchen Umgebungen ausspielen könnten.“

Journalismus RELOADed: Wie ein datengetriebenes Newsportal die brasilianische Jugend erreichen möchte

Die brasilianische Initiative RELOAD baut auf die Kraft der Kollaboration, um junge Menschen für Nachrichten zu begeistern. Der Fokus des Projekts: zu verstehen, welche Themen 15 bis 24 Jahre alte User in Brasilien besonders interessieren, über welche Kanäle sie diese am liebsten konsumieren – und ihnen aufbauend auf diesen Erkenntnissen Nachrichten über kreative, interaktive Storytelling-Formate bereitzustellen.

Dafür haben sich Journalistinnen und Journalisten aus insgesamt zehn brasilianischen News-Redaktionen zusammengetan. Datenanalysten unterstützen das Team dabei, Erkenntnisse über die Gewohnheiten der jungen Zielgruppe zu gewinnen und diese innerhalb des gesamten RELOAD-Netzwerks zu teilen. Auf dieser Basis bereiten die Journalisten des Kollektivs schließlich ausgewählte Storys ihrer eigenen Medienhäuser neu für RELOAD auf und betten sie in einen für Jugendliche ansprechenden Kontext ein. Die oberste Regel des Kollektivs: Berichte nicht so, wie du es magst – berichte so, dass es junge Menschen mögen. Auch deshalb ist die Zusammenarbeit mit bekannten brasilianischen Influencern fester Bestandteil des RELOAD-Ansatzes – genau wie die durch den Dreiklang aus News-Redaktionen, RELOAD- und Influencer-Kanälen entstehende Reichweitenmaximierung.

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Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.