Influencer sind vor allem junge und schöne Menschen, die von Unternehmen Unsummen geboten bekommen, um gephotoshoppt auf Instagram Werbung für wahlweise Make-up, Handtaschen oder Abnehm-Shakes zu machen. Ich polarisiere mit der Aussage bewusst, keine Frage.
Zwar stolpere ich eher selten über derart überspitzt formulierte Meinungen, jedoch vertreten einige Kritiker der Netz-Stars diese Ansicht. Deshalb möchte ich die Chance nutzen und einmal meine eigene Perspektive zeigen: als Teil einer jungen Zielgruppe und als jemand, der sich mit dem Bereich Influencer Relations auseinandersetzt
Meiner Meinung nach stecken in Influencer Relations wertvolle Chancen, die für viele Unternehmen einen einzigartigen Nutzen darstellen. Umso bedauerlicher finde ich die vielen Vorurteile und mangelnde Wertschätzung, die rund um das Thema Influencer oft mitschwingen. Zwar erwischt man auch mich dabei, wie ich das Gesicht verziehe, wenn ich durch die YouTube-Trends scrolle.
Und auch ich kann mir nur schwer ein Augenrollen verkneifen, wenn auf Instagram eine bezahlte Kooperation offensichtlich darin endete, dass ein Küchengerät neben Blümchen und Lichterketten kunstvoll auf der Bettdecke drapiert wird. Jedoch ist das für mich nicht mehr als nur ein kleines Teil im großen Puzzle und vor allem nicht das, was ich unter Influencer Relations verstehe.
Was ich mir anhören muss
Aktuell sind Influencer Relations wesentlicher Bestandteil meines Praktikums bei einem großen Einzelhandelsunternehmen. Hier darf ich nämlich bei den Prozessen um Media und Influencer Relations mitmischen. Somit beschäftige ich mich noch mehr als zuvor mit dem Thema und mir fällt immer wieder auf, wie Influencer und ihre Zusammenarbeit mit Marken von Menschen außerhalb der Kommunikationsbranche häufig nur müde belächelt werden. So nehme ich momentan eine große Diskrepanz wahr: zwischen einerseits einer hoch professionalisierten Disziplin und andererseits einem geringen Verständnis dafür in (zumindest gefühlt) breiten Gesellschaftsschichten.
In einer Kooperation mit dem PRSH. e.V veröffentlichen Studenten des Fachs “Public Relations” an der Hochschule Hannover regelmäßig Artikel auf dem OSK Blog. Der Nachwuchs bildet die Kommunikationsprofis von Morgen, weswegen wir uns schon heute ihre Meinung zu Branchenentwicklungen, der Ausbildung und Kommunikations-Trends anhören.
Ich halte die abschätzigen Kommentare, die sich dabei in der Regel gegen Influencer richten, für selten gerechtfertigt. Vielmehr betrachte ich Influencer als wesentliche Kraft auf dem Meinungsmarkt und Influencer Relations als große Chance für Unternehmen. Deshalb bin ich froh, dass dieses Thema Teil meiner Ausbildung ist.
Dass es nicht nur mir so geht, merke ich allein an den zahlreichen Umfragelinks, die ich im Zuge von Abschlussarbeiten zu diesem Bereich geschickt bekomme. Ich lese daraus: Angehende PR-Profis nehmen das Thema ernst und gerade Studierende, die oftmals sehr nah an einer jungen Zielgruppe stehen, sehen das Potenzial und setzen sich intensiv mit dem Thema auseinander.
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Dass dieses Verständnis nicht zwangsläufig auch auf journalistischer Seite vertreten ist, bemerkte ich, als meine Nase kürzlich auf einen Beitrag stieß, in dem Influencer als die moderne Litfaßsäule bezeichnet werden – ein, zumindest für mich, schon längst überholtes Verständnis und ein Vergleich, der bei mir zumindest genauso starkes Augenrollen verursacht wie Küchengeräte im Schlafzimmer.
Denn, müsste die in der Überschrift gestellte Frage mit „Ja“ beantwortet werden, wäre das, was einen Influencer aus Unternehmenssicht interessant macht, allein seine Reichweite und gegebenenfalls noch der Fokus auf einen lokalen Radius. Wenn man mich fragt, verpasst jemand, der nur an Reichweite denkt, zahlreiche Chancen: Abgesehen davon, dass Influencer Relations dazu genutzt werden können, gerade bei Nischenthemen ganz gezielt eine spitze Zielgruppe zu erreichen, sollten Influencer nicht allein als Übermittler einer Botschaft, sondern vielmehr als Botschaft selbst betrachtet werden.
Oder, um es mit den Worten McLuhans zu sagen: The medium is the message
Interagieren Influencer mit einer Marke, so strahlt dies immer auf die Marke zurück. Denn der Influencer selbst ist als Marke für sich zu betrachten. Er kommuniziert über seine Ziele und Werte, die auf Marken rückwirken, zu denen der Influencer in Verbindung steht. Ziele und Werte, die wiederum zum Maßstab für die Authentizität von Kooperationen werden. Darüber hinaus baut sich durch den ständigen Kommunikationsfluss eine Bindung zur Followerschaft auf, die oftmals mehr Identifikation ermöglicht und persönlicher ist als die zu einem Unternehmen.
Dies alles anzuerkennen und zu nutzen, ist wesentliche Voraussetzung für die Authentizität von Influencern. Sie leben, was sie mitteilen, und sind oft selbst Teil derselben Zielgruppe, zu der sie sprechen. Diese einzigartige Position birgt große Chancen, wie zum Beispiel glaubhafte Fürsprecher zu gewinnen, zu denen eine Zielgruppe bereits (parasoziale) Beziehungen aufgebaut hat, Themen zu besetzen, Trends aufzugreifen oder mit der Zielgruppe in Interaktion zu treten. Diese Chancen werden insbesondere durch langfristige Zusammenarbeit freigelegt. Gehandelt wird mit Glaubwürdigkeit, nicht mit Reichweite. Und wenn das gelingt, dann wird klar, wie Influencer wirklich zu betrachten sind: nicht als Litfaßsäule, sondern als Brücke. Autorin: Debora Charlotte von Sacken, PR-Studierende Hochschule Hannover
// Über die Autorin
Debora von der Osten-Sacken studier Public Relations und ist Studentische Hilfskraft für Öffentlichkeitsarbeit an der Hochschule Hannover. Aktuell absolviert sie in Hamburg ihr Praxissemester im Bereich Media und Influencer Relations bei EDEKA.