Berlin-Mitte, vergangene Woche. Wenn man durch die Tür des obersten Stockwerks der Mulackstraße schreitet, hat man nicht das Gefühl, ein Büro zu betreten. Der modern eingerichtete Arbeitsraum von „Freunde von Freunden (FvF)“ hat vielmehr die persönliche Atmosphäre eines stylischen Wohnzimmers als die eines anonymen Arbeitsplatzes. Torsten Bergler, Tim Seifert und Frederik Frede, die drei Gründer von FvF, begrüßen uns freundlich und führen uns durch das zweistöckige Apartment. Normalerweise läuft das Ganze umgekehrt. Die drei Berliner Gründer haben irgendwann angefangen, Freunde oder Freunde ihrer Freunde in deren Wohnungen und kreativen Arbeitsumgebungen zu interviewen und zu fotografieren. Heute sind sie selbst dran.

f1Die Gründer von Freunde von Freunden: Frederik Frede, Tim Seifert und Torsten Bergler (von links nach rechts)

In ihrem Redaktionsraum sitzt ein junges und internationales Team, bestehend aus Text- und Bildredakteuren, Multimedia-Produzenten und zwei Praktikanten. Jeder von ihnen ist bestens vernetzt und auf den wichtigsten digitalen Kanälen aktiv. Das Magazin FvF lebt von dieser globalen Vernetzung, die mithilfe von Social Media so einfach ist wie nie zuvor. An FvF arbeiten nicht nur Redakteure aus Berlin mit, sondern mittlerweile ein weltweites Netzwerk von rund 150 freien Mitarbeitern – das sind Fotografen, Filmer und Redakteure, die allesamt mittels einer digitalen Organisationsstruktur aktiviert und integriert werden. Heute hat FvF über 20.000 Besucher täglich sowie eigene themenspezifische Serien auf zeit.de und spiegel.de. Im Interview verrät uns Frederik Frede, wie das Konzept funktioniert, wer sie inspiriert und ob Freunde von Freunden auch mit einem Printformat so erfolgreich geworden wäre.

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f15Das Büro von Freunde von Freunden/MoreSleep

Oliver Nermerich: Was macht Freunde von Freunden ganz genau?

Frederik Frede: FvF ist ein unabhängiges, digitales und internationales Magazin, das seit 2009 inspirierende Menschen porträtiert und über kreative und kulturelle Themen berichtet. Mit authentischen und zeitlosen Inhalten erreichen wir über digitale Kanäle und Print weltweit ein einflussreiches Publikum. Und dank der Präsenz in über 75 Städten ist FvF auch ein globales Kreativ-Netzwerk an der Schnittstelle von Kultur, Design und Innovation. Mit diesem Netzwerk, der Reichweite der Plattform, unserer eigenen Produktionsfirma sowie durch die Unterstützung der Mutter- und Kreativagentur MoreSleep sind wir bei FvF in der Lage, individuelle Lösungen und Konzepte für Kunden und Partner zu erstellen. Diese Konzepte reichen von der Erstellung exklusiver und redaktioneller Inhalte über Video-, Film- und Fotoproduktionen bis hin zur Planung redaktioneller Konzepte und Markenstrategien sowie der Entwicklung von Websites und Apps.

Ihr seid quasi eure besten Kunden – FvF wurde von MoreSleep konzipiert. Wie habt ihr die Idee dazu entwickelt?

2009 haben wir nach einer Alternative gesucht, wie wir unsere Fähigkeiten und die Services der Agentur besser darstellen können und geschaut, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt, mit internationalen Marken und Partnern zu arbeiten. Und eigentlich wollten wir auch einfach mal ein Projekt für uns selbst und unsere Freunde machen. 2008/2009 wurde gerade die Mode- und Verlagsszene digital auf den Kopf gestellt. Facebook kam nach Deutschland, und die ersten Storytelling-Formate entwickelten sich im Netz. Wir haben dann die Brand „Freunde von Freunden“ mit Logo, Design und Strategie entwickelt, unser lokales Netzwerk für Fotos und redaktionelle Inhalte aktiviert und begonnen, unsere Freunde und deren Freunde zu porträtieren.

Wie findet ihr die Menschen, die ihr vorstellt?

Viele Menschen werden uns direkt über Freunde vorgestellt, einige recherchieren wir selbst. Aber alle Vorschläge kommen aus unserem Netzwerk, und es gibt immer eine direkte Verbindung.

Welches Porträt hat dich bisher am meisten beeindruckt?

Das Interview mit Gisèle d’Ailly van Waterschoot van der Gracht in Amsterdam. Gisèle war eine Künstlerin aus Amsterdam, wohnte in einem tollen alten Haus direkt an einem Kanal und wurde über 100 Jahre alt. Sie hatte überall auf der Welt gelebt, verdammt viel gesehen und einiges zu erzählen.

Ihr habt in den letzten Jahren Kreative aus aller Welt kennen gelernt. Was haben all diese Menschen gemeinsam?

Alle Menschen bei uns auf der Plattform führen ein selbstbestimmtes Leben und haben sich bewusst für ihre Art zu leben entschieden. Und alle vereint, dass sie einen Lebenslauf mit vielen Ecken und Kanten haben.

Ihr habt kürzlich euer zweites Buch veröffentlicht. Was glaubst du, wäre FvF als Print-Magazin genauso erfolgreich geworden wie als digitale Ausgabe?

Es wäre sicher noch mehr Arbeit gewesen. Dass so etwas prinzipiell geht, beweisen Magazine wie Monocle oder Kinfolk.

f2Amsterdam, Kapstadt, Barcelona – Das neue Buch von Freunde von Freunden porträtiert Kreative aus der ganzen Welt in ihrer privaten Umgebung.

Deine Prognose: Stirbt Print in naher Zukunft aus?

Solange es Bäume gibt, denke ich nicht. Es gibt ja auch noch Autos und Züge, obwohl das Flugzeug erfunden wurde. Aber wie man jetzt schon sieht, hat sich die Relevanz und Bedeutung geändert. Es ist etwas Besonderes, etwas Haptisches und Gedrucktes zu lesen. Man muss eine Relevanz herstellen, um gedruckt gekauft zu werden.

Wie werden wir in zehn Jahren Inhalte konsumieren?

Es wird noch einfacher und individueller werden. Egal ob Print oder Digital.

Sprechen wir über das Geschäftsmodell von FvF. Euer Magazin ist frei von Werbebannern und Anzeigen. Wie finanziert ihr euch?

Wir finanzieren uns einerseits über Sponsored Content und entwickeln dabei redaktionelle Ideen und Inhalte, die wir Kunden und Partnern vorschlagen und dann zusammen produzieren. Andererseits finanzieren wir uns über Auftragsproduktionen, bei denen Kunden unsere Services buchen und wir Corporate-Inhalte entwickeln und erstellen.

Wie bindet ihr Kunden und Werbepartner konkret in eure Storys ein?

Kunden und Werbepartner sind natürlich und authentisch in die Storys eingebettet. Nichts wird platziert oder gefaked. Autos, Möbel oder andere Produkte gehören den Protagonisten und sind natürlicher Bestandteil der Story. Wir würden nichts machen, womit sich unsere Freunde und Protagonisten unwohl fühlen würden oder was wir privat nicht selber bei uns zu Hause stehen haben wollen.

Wählt ihr die Protagonisten schon im Vorfeld danach aus, welche Produkte sie besitzen und/oder welche Marken sie präferieren?

Wir arbeiten zuerst immer redaktionell und recherchieren nach guten Storys und Protagonisten. Produkte und Marken suchen wir natürlich auch – aber das ist immer zweitrangig. Bei uns steht die Person im Vordergrund.

Wie sieht so ein Prozess genau aus?

Fährt jemand zum Beispiel einen Mini, und das Auto ist Teil der Geschichte, gehen wir im Nachgang auf Mini zu und schlagen vor, die Story gemeinsam zu produzieren. Wenn Produktion oder Anfrage es erfordern, recherchieren wir auch im Vorfeld, wer bestimmte Produkte besitzt. Wir können das einfach über unser internationales Netzwerk sourcen und bedienen. Auf FvF stehen aber immer Glaubwürdigkeit, Zeitlosigkeit und Story im Fokus. Natürlich machen wir viele Produktionen direkt für Kunden, die nicht auf FvF auftauchen.

Wie bezeichnet ihr diese Form der Content-Erstellung? Native Advertising, Product Placements oder einfach Sponsored Content?

Ich würde es Sponsored Content nennen, sicher nicht Native Advertising. Das ist ein Begriff, den die Werbeindustrie erfunden hat, um Schleichwerbung besser zu verpacken. Am Ende des Tages sind das alles nur Buzzwords, um Product Placements zu verkaufen. Was wirklich zählt, sind Mehrwert und Glaubwürdigkeit, auch weil inzwischen jeder Werbung erkennt und den Kanal davon voll hat.

Was sind Erfolgskriterien für solche Formate? Und was kann man von Medienangeboten wie BuzzFeed und Vice in Bezug auf bezahlte Inhalte lernen?

Das größte Erfolgskriterium ist Relevanz. Wären die Storys von Vice, Monocle und BuzzFeed nicht relevant und ohne Mehrwert, würde sie ja keiner lesen. Aber die präsentierten Daten zeigen eine andere Seite. Heutzutage einfach noch alle möglichen Werbekanäle und Formate zu buchen geht zwar, aber es ist sehr teuer und ineffektiv. Im Geschäftsmodell von Vice machen beispielsweise Video-Prerolls den größten Revenue aus. Der Fokus liegt bei Vice auf Wachstum, Geld und reißerischen Nachrichten. Wir unterscheiden uns da im Ton und wollen nicht provozieren, um gelesen zu werden, sondern inspirieren und aufzeigen, dass das Glas halbvoll ist.

Neben eurer Website seid ihr auf Facebook, Twitter, Instagram, Pinterest, YouTube, Mixcloud und mit einem eigenen Blog am Start. Welche Rolle spielen die Social-Media-Kanäle für euer Konzept, und welcher Kanal ist der wichtigste Traffic-Treiber?

Social Media spielt eine sehr große Rolle für uns. Es ist der direkte Draht zu unseren Lesern und Fans und unser Marketing-Kanal. Die größten Traffic-Treiber sind Facebook und Google, dicht gefolgt von Direktlinks anderer Medien, Pinterest und Tumblr.

Basierend auf euren Erfahrungen – welche Fähigkeiten sollte man im Jahre 2014 mitbringen, um ein guter Online-Redakteur zu sein bzw. zu werden?

Digitalität sollte keine Voraussetzung, sondern die Normalität sein. Natürlich muss die Qualität stimmen und das Handwerk vorhanden sein. Aber man sollte auch in der Lage sein, wie ein Mediaproducer zu denken und nicht nur wie ein Journalist. Im Endeffekt brauchen wir unternehmerisch denkende und agierende Redakteure, die eine Story für verschiedene Formate entwickeln und betreuen können. Da ist es egal, ob wir online in dynamischen Layouts arbeiten, einen Videodreh vorbereiten, Social Media machen oder ein Printmagazin produzieren.

Seit 2009 seid ihr online, vor wenigen Tagen habt ihr euer zweites Buch veröffentlicht und seid stolze Bewohner eines FvF-Apartments in Berlin. Wohin geht die Reise 2015? Gibt es Projekte, auf die ihr euch besonders freut?

Als erstes steht dieses Jahr vor Weihnachten noch der Launch unseres eigenen Online-Shops an, wo wir exklusive Produkte verkaufen, die wir mit unseren Protagonisten, Partnern und Freunden entwickeln. Im Zuge dessen steht ein Design-Update der Website an. Wir werden noch mehr Videoinhalte produzieren und auf der Website integrieren. Und wir haben für 2015 noch ein paar andere Projekte in der Pipeline und recherchieren, was wir von unseren in Deutschland getesteten Formaten internationalisieren können.

Wie kam es überhaupt zu der Idee, ein eigenes FvF-Apartment einzurichten?

Das Apartment ist der real gewordene Traum aller unserer Interviews, die wir virtuell auf der Webseite haben. Den im Rahmen unserer Interviews gesammelten Inspirationen sowie unseren eigenen Stilpräferenzen konnten wir auf diese Weise einen Raum geben. Mit anderen Worten: Endlich können wir zeigen, wie unser Zuhause aussehen soll. Hier finden im Übrigen auch Ausstellungen statt. Wir hatten zum Beispiel kürzlich ein „Private View“ mit Felix Kiessling von der Galerie Alexander Levy. APC hat das Apartment schon häufiger für die Press-Days in Berlin gebucht, Dyson hat hier den Vorentscheid für den Dyson Award gehostet. Natürlich übernachten auch manchmal Kunden und Freunde hier. Oder wir benutzen es für Teamlunches, Präsentationen und Talks. Vor Weihnachten werden wir begleitend zum Launch des Online-Shops jeden Samstag einen Pop-Up-Store veranstalten und das Apartment damit öffentlich zugänglich machen.

Vielen Dank für das Interview!

f3Die individuelle Einrichtung und die Liebe zum Detail verleihen dem Apartment weniger den Charakter eines sterilen Showrooms als den einer authentischen Wohnung.

f4Ein Raumteiler trennt den Wohn- vom Schlafbereich des Apartments. So können für die regelmäßig im Apartment stattfindenden Interviews, Fotoshootings oder Videodrehs verschiedene Szenerien gewählt werden.

f5Vielseitig nutzbar: Der Schlafbereich des Vitra Apartments. Bei Bedarf kann das Bett im Raumteiler verstaut werden, damit ein weiterer Tisch Platz findet.

f6Die Küche des Vitra Apartments mit Fredes erstem Surfboard. Hier kann bei den regelmäßig im Apartment stattfindenden Firmen-Essen und Events direkt vor Ort gekocht werden.

f7Nicht nur schön, sondern auch praktisch: die Fahrradhalterung in der Küche des Vitra Apartments. Ein wichtiger Teil des Apartment-Konzepts ist, dass die Einrichtung auch im täglichen Leben nützlich ist.

f8Das Fahrrad als Wohn-Accessoire. Frederik Frede ist leidenschaftlicher Radfahrer und wohnte zunächst selbst in der Wohnung, ehe die Idee zum Design-Apartment aufkam.

f9Die Küche des Vitra Apartments ist mit allem ausgestattet, was zum Kochen benötigt wird.

f10„Lounge Chair“ – Der Sessel wurde 1956 entworfen und gilt bis heute als absoluter Klassiker, der die Wohnungen und Häuser vieler Kreativer schmückt.

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f12Ständig im Wandel: Weil Vorlieben verschieden sind und sich im Laufe der Zeit ändern, wird das Apartment regelmäßig umgestaltet.

f13Selbst das Bad des Apartments ist mit viel Sinn fürs Detail eingerichtet.

Über den Autor

Oliver Nermerich ist Kommunikationswissenschaftler und lebt im Internet. Bei OSK arbeitet er als Manager Online/Social Media und entwickelt kundenübergreifend Strategien, Auftritte und Kampagnen für das Internet und mobile Anwendungen. Auch privat dreht sich bei ihm alles um die digitale Welt: Er gehört zum Autorenteam des Lifestyle-Blogs Whudat.de und betreibt mit Freunden das Rolling-Magazin "Be-Mag". Sein Smartphone gibt er nur aus der Hand, wenn er auf sein Board steigt und an der Algarve die nächste Welle surft. Für das OSK Blog spürt er die neuesten Trends und Entwicklungen im Netz auf und spricht mit Meinungsmachern und Digital Influencern.

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