eSports boomt. Weltweit und auch hierzulande verzeichnet die Branche von Jahr zu Jahr neue Wachstums- und Umsatzrekorde. Viele Marken tun sich mit einem Engagement aber schwer. Zu undurchsichtig scheint die Gaming-Branche. In unserer neuen Artikelreihe wollen wir daher mit eSports-Experten sprechen und sie fragen, welche Potenziale die Szene für die Marketing- und Kommunikationsbranche hat, wie man einen authentischen Zugang zur Community bekommt und wer die Multiplikatoren sind.
Live, interaktiv, gemeinsam – das sind die Eigenschaften, die zukunftsfähige Unterhaltungsformate für Kristen Salvatore vereinen müssen. Seit 2016 ist Salvatore Vice President / Commercial Director eSports und Content Sponsorships bei Twitch. Die Livestreaming-Plattform ist vor allem bei Videospiel-Fans beliebt, die anderen Gamern beim Zocken zuschauen. Neben den Livestreams liegt der Fokus von Twitch auf der Interaktion der Community mit den Inhalten und auf dem Austausch der Nutzer untereinander.
Der Bereich „eSports“ ist ein essenzieller Bestandteil des Dienstes, der große Turniere überträgt und damit Tausende User erreicht. Eine spannende Zielgruppe, wie auch Salvatore weiß. Im Interview erklärt sie, wie sich Unternehmen auf Twitch platzieren und ob andere Inhalte neben Gaming ebenfalls erfolgreich sein können.
Frau Salvatore, wie würden Sie Twitch Menschen erklären, welche die Plattform nicht kennen?
Twitch ist die führende Community für Multiplayer-Entertainment – interaktive Live-Videos, bei denen Content-Creator und Zuschauer besondere Momente gemeinsam erleben. Auf Twitch sorgen Communitys zusammen für Unterhaltung, indem sie einem Streamer zuschauen und mit ihm interagieren. Geteilte Interessen wie Videospiele oder Sport bringen diese Communitys in einer Live-Umgebung zusammen. Das Ganze ist vergleichbar mit Sportfans, die sich ein Spiel in einer Bar oder bei Freunden zuhause ansehen.
Twitch ist besonders bei jüngeren Nutzern beliebt. Können Sie uns etwas über diese Zielgruppe sagen?
Videospiele sind in erster Linie interaktive Unterhaltung. 66 Prozent der Menschen ab 13 Jahren zählen sich selbst zur Gruppe der Gamer. Sie ziehen es vor, Inhalte in einer interaktiven Umgebung zu konsumieren, auf die sie direkt Einfluss nehmen können. Sie lieben gemeinsame Live-Erlebnisse, die sie in Videospielen wiederfinden, speziell im kompetitiven Bereich.
Twitch verdankt seine Popularität zu großen Teilen dem Hype um eSports. Wer ist dafür die Zielgruppe und welche Kommunikations-Chancen ergeben sich für Unternehmen?
Wer eSports-Fans anspricht, wendet sich an einflussreiche, soziale und technisch versierte Early Adopters. Sie verfolgen eSports auf Twitch wegen des Community-Elements: Fans können Wettbewerbe beobachten und zusammen mit anderen, die ihre Interessen und Leidenschaften teilen, kommentieren. Der Bonus dabei: Twitch bringt die User näher an ihre Lieblings-Spieler.
Insgesamt sind eSports-Fans ein äußerst engagiertes Publikum. Sie sind Teil der Inhalte, die sie konsumieren. Dadurch entstehen einzigartige Möglichkeiten für Unternehmen. Wir haben Gaming-fremde Marken erfolgreich im eSports-Bereich platziert, indem wir ihnen gezeigt haben, wie sie die Nutzer auf eine Art und Weise ansprechen können, die für sie selbstverständlich ist – interaktiv und mit Fokus auf der Community.
Viele Menschen verbinden Twitch mit den Themen eSports und Live-Gaming, jedoch veröffentlichen Nutzer zunehmend Inhalte ohne direkten Videospiel-Bezug. Können Sie uns mehr über dieses Phänomen erzählen?
Bei Twitch geht es in erster Linie um interaktive Unterhaltung. Die Plattform schafft Nähe zwischen den Content-Creatorn und dem Publikum. Interaktivität und Engagement können in diesem Kontext für jedes Themengebiet erzeugt werden, solange die Community daran interessiert ist. Es begann mit Gaming, einer Mainstream-Aktivität mit großem Publikum, das als Muster für andere Genres diente wie etwa Kunst, Kochen oder Reisen. Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Stunden, welche User mit Non-Gaming-Content verbrachten, um 100 Prozent. Dieses Segment ist so erfolgreich, dass wir unsere lizenzierten Inhalte um TV-Sendungen wie Power Rangers, Pokémon und sogar NFL Thursday Night Football-Spiele erweitert haben.
Warum macht es aus Ihrer Sicht für Marken Sinn, auf Twitch aktiv zu sein?
Twitch ist das Fenster zu Trends und Gewohnheiten des Medienkonsums von Millennials und der Generation Z, einer der gefragtesten Zielgruppen. Sie sind „Cord Cutter“, welche traditioneller Werbung skeptisch gegenüberstehen und sich nach Authentizität sowie der Möglichkeit sehnen, mit Inhalten zu interagieren und sie zu beeinflussen. Twitch rangiert in ihrem bevorzugten Format.
Wie wir das schaffen? Twitch ist live und interaktiv. Twitch erlebt man gemeinsam. Man kann keinen „Entertainment-Moment“ ohne das Publikum kreieren. Wenn Zuschauer sich einbezogen fühlen, sind sie für Botschaften empfänglicher. Fun Fact: Nur 3 Prozent der Sendeminuten auf Twitch sind für Werbung bestimmt, im klassischen TV sind es 18 bis 34 Prozent.
Viele sehen in Twitch das Fernsehen der Zukunft, live, interaktiv, plattformübergreifend. Wir wirkt sich das auf die Kommunikation von morgen aus?
Kommunikations-Profis müssen ihre Zielgruppen dort erreichen, wo sie sich aufhalten und zwar mit Medienformaten, denen sie vertrauen und die sie verstehen. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen: Interaktion mit den gezeigten Inhalten, die Möglichkeit, den Content zu beeinflussen, mit Gleichgesinnten Spaß zu haben und das Schaffen einer Community-Erfahrung. Sagt dem Publikum nicht, was es sehen soll, sondern gebt ihm die Werkzeuge an die Hand, sich die Form der Unterhaltung selbst zu schaffen, die es sich wünscht. Wenn klassische Werbeformate schwinden, müssen sich Marketer auf die neuen Gewohnheiten im Medienkonsum einstellen.
Zum ersten Teil der Reihe mit Stefan Zant geht’s hier.
// Über den Autor
René Krempin hat Kultur- und Medienwissenschaften studiert und über mehrere Stationen bei Print- und Online-Medien den Weg in die Agentur gefunden. In den letzten zwei Jahren betreute er als Redakteur den Online-Auftritt des Wirtschafts- und Lifestyle-Magazins Business Punk. Bei OSK arbeitet er als Online- und Social-Media-Redakteur. Mit großem Interesse verfolgt er unter anderem die Entwicklungen in der eSports-Szene. In seiner Freizeit ist er aber auch gerne analog unterwegs: mit Freunden auf dem Bolzplatz.