WeChat Titel

WeChat ist die App, die alles kann. Pizza bestellen, ein Taxi rufen oder schnell etwas Geld überweisen? Mit wenigen Klicks erledigt. Zwischendurch Nachrichten beantworten und schauen, was die Freunde so treiben? Auch kein Problem. Kaum eine andere App ist ähnlich tief im Leben ihrer Nutzer verankert wie der chinesische Messenger. Wie hat WeChat das geschafft?

Neu ist die Idee nicht, Dienstleistungen über ein soziales Netzwerk zu verkaufen. Neu ist hingegen die Idee, sämtliche Dienstleistungen über ein soziales Netzwerk zu verkaufen. Ursprünglich als Messenger entwickelt, ist die chinesische App WeChat heute nicht mehr wegzudenken aus dem Alltag ihrer Nutzer.

PowerPoint-PräsentationQuelle: WalkTheChat

Das zumindest lassen die Zahlen vermuten, die der chinesische Internetkonzern und WeChat-Gründer Tencent unlängst veröffentlicht hat. WeChat, das in China Weixin heißt, hat mittlerweile über eine Milliarde Mitglieder, 762 Millionen Menschen nutzen die App monatlich. Zum Vergleich: Der Facebook-Messenger kommt auf 900 Millionen monthly active users (MAU). WhatsApp, der weltgrößte Chat-Dienst, hat im Februar 2016 die Milliardenmarke geknackt.

Täglich mehr als vier Stunden in der App

Beachtlich ist nicht nur die schiere Anzahl der Nutzer, sondern auch ihr Umgang mit der App. Eine Umfrage von Tencent hat ergeben, dass rund 94 Prozent der Nutzer WeChat täglich verwenden, mehr als die Hälfte davon länger als eine Stunde. 17 Prozent der befragten Nutzer gaben an, täglich mehr als vier Stunden mit WeChat zu verbringen. 61 Prozent öffnen die App mindestens zehnmal täglich, 36 Prozent schauen mehr als 30-mal nach Neuigkeiten. Laut Tencent hat sich damit nicht nur die Zahl der aktiven Nutzer erhöht, sie sind auch insgesamt aktiver geworden.

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Das könnte daran liegen, dass WeChat allgegenwärtig ist: Nutzer können innerhalb des sozialen Netzwerks nicht nur Rechnungen oder Einkäufe bezahlen und sich gegenseitig Geld schicken. Einige Regionen bieten Mitgliedern sogar an, Termine in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern zu vereinbaren oder Knöllchen bei der Polizei zu bezahlen. 200 Millionen Menschen haben bereits ihre Kreditkartendaten bei WeChat hinterlegt, 32 Prozent nutzen regelmäßig die von der App angebotene Bezahlfunktion.

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Mangelnde Alternativen

WeChat besticht vor allem durch seine Funktionalität: Apps, Webshops und Bezahlsysteme innerhalb der App haben aus dem einstigen Messenger einen Mikrokosmos gemacht, der einem Betriebssystem nahekommt. Die verschiedenen Anwendungen funktionieren reibungslos, der Zeitverlust durch das Hin- und Herwechseln zwischen verschiedenen Apps entfällt. Unbestritten ist, dass viele Nutzer sich WeChat aufgrund mangelnder Alternativen zuwenden: Facebook und Twitter fallen in China der Zensur zum Opfer.

Den chinesischen Konkurrenten Weibo hat WeChat dennoch bereits weit hinter sich gelassen: Dieser verzeichnete im März 2016 lediglich 261 Millionen aktive Nutzer je Monat. Tencent ist also in weiten Teilen das gelungen, was auch Mark Zuckerberg anstrebt: ein digitales Ökosystem zu erschaffen, das der Nutzer nicht mehr verlassen muss, um seinen Alltag zu organisieren.

Mehr Leser für Medien

Den Kern des Netzwerks machen soziale Aktivitäten aus – 58 Prozent der Befragten nutzen WeChat, um das soziale Netzwerk WeChat Moments zu verwenden, 54 Prozent, um Bilder, Videos und Sprachnachrichten an Freunde zu verschicken, 33 Prozent schicken sich gegenseitig Geld. Knapp 40 Prozent der Mitglieder gaben an, sich auch für kommerzielle Inhalte zu interessieren. Von denjenigen, die einem sogenannten „Official Account“ folgen, taten dies 74,2 Prozent, um News zu lesen, 42 Prozent folgen Marken und Geschäften.

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Medien und Verlage können WeChat also nutzen, um eine größere Leserschaft zu erreichen. 40 Prozent der WeChat-Nutzer konsumieren Nachrichten mittlerweile über das Netzwerk. Das sind deutlich mehr als die, die Nachrichten-Websites nutzen (21 Prozent), Fernsehen schauen (8 Prozent) oder gedruckte Zeitungen lesen (1,5 Prozent).

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Marken-Kommunikation per WeChat

Ebenso entdecken Unternehmen die App für sich: Statt auf eigene Webseiten zu setzen, verlagern Firmen – chinesische ebenso wie internationale – ihre Kommunikation auf WeChat, eröffnen Online-Shops und chatten mit potenziellen Kunden. Sie wissen, dass sie auf Interesse stoßen: Um Werbung oder Informationen zu erhalten, muss der Nutzer dem Firmen-Account aktiv folgen.

Er gibt also zu erkennen, dass ihm ein Unternehmen gefällt. Das belohnen die Firmen: Sein neues Smartphone präsentierte Samsung zuerst auf WeChat, die Kosmetik-Marke Lancôme bietet regelmäßig exklusive Verkaufsaktionen an. Andere Anbieter setzen auf Flash-Sales und Rabattaktionen. Indem Unternehmen dafür zahlen, die Dienste der App nutzen zu können, bleibt die Anzahl der Werbebanner außerdem überschaubar.

Promi-Einsatz

Auch wenn WeChat mittlerweile in einer reduzierten Variante in über 20 Sprachen verfügbar ist: Außerhalb der chinesischen Firewall verläuft der Erfolgskurs weniger rasant. Zu groß ist die Konkurrenz von Facebook, Twitter und WhatsApp, zu gering die Akzeptanz mobiler Bezahltechnik. Mit dem Einsatz prominenter Werbegesichter wie Lionel Messi will WeChat es zwar geschafft haben, rund 100 Millionen Nutzer aus 200 weiteren Ländern gewonnen zu haben, eine kritische Masse hat die App dort jedoch noch nicht erreicht. Das wiederum könnte sich als kritisch für die App aus Shenzhen erweisen: In China ist der Markt bereits fast gesättigt.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.