Was David Fahrenthold kurz vor der Wahl des aktuellen US-Präsidenten ans Licht gebracht hat, hätte die meisten anderen Politiker wohl ruiniert. Der Investigativ-Reporter der Washington Post veröffentlichte Informationen über frauenverachtende Äußerungen, die Trump getätigt haben soll, und deckte einen Skandal über erfundene Spendengelder des mächtigsten Mannes der Welt auf.
Im zweiten Fall inszenierte Trump sich als Wohltäter, der sein Vermögen gerne mit den weniger Glücklichen dieser Welt teilt. Unter anderem versprach Trump eine Viertelmillion-Dollar-Spende an eine israelische Veteranenorganisation. Fahrenthold begann sich zu fragen, ob Trump seine Versprechen wahr gemacht hatte. Der Reporter kontaktierte 450 Wohltätigkeitsorganisationen und fragte, ob Trump ihnen jemals Geld gespendet hatte. Dabei setzte er unter anderem auf soziale Netzwerke, speziell auf Twitter. „Trump lebt auf Twitter, die Medienwelt lebt auf Twitter“, erklärte Fahrenthold damals seinen Ansatz. „Wenn ich nach diesem Geld suche, macht es auf Twitter sehr viel Sinn, weil es Trumps Aufmerksamkeit und die Aufmerksamkeit anderer auf sich ziehen wird.“
Auf dem Kurznachrichtendienst veröffentlichte der Journalist eine Liste mit den Organisationen, die er bereits kontaktiert hatte, und fragte die Twitter-Gemeinschaft, wo er weitersuchen sollte. Ein ungewöhnlicher Ansatz im investigativen Journalismus. Normalerweise behalten Redakteure ihre Infos so lange für sich, bis sie genug Material für eine Veröffentlichung gesammelt haben. Fahrenthold entschied sich jedoch, seine Erkenntnisse mit der Öffentlichkeit zu teilen, deren Tipps und Hinweise seine Arbeit mitformten.
Fahrenthold fand heraus, dass Trump seit 2008 kein eigenes Geld mehr an seine Wohltätigkeitsorganisation, die Trump Foundation, gespendet hat. Stattdessen hatte der heutige US-Präsident Geld von anderen genommen. Wie die Recherche ergab, verwendete Trump in mehreren Fällen Geld von der Stiftung, um Dinge für sich selbst und seine Unternehmen zu kaufen. In einem Fall erwarb der Politiker ein riesiges Porträt von sich selbst für 10.000 Dollar aus dem Topf seiner Stiftung. Lange wusste niemand, wie das Bild aussah oder wo es sich befand. Über Twitter war Fahrenthold in der Lage, es aufzuspüren. Für seine kritische Berichterstattung über Trump wurde der Journalist 2017 mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet.
Heute ist Fahrenthold mit über 500.000 Followern einer der einflussreichsten amerikanischen Investigativ-Reporter auf Twitter, ironischerweise des Präsidenten wichtigstem Kommunikationskanal. Dabei gehen David Fahrentholds Methoden weit über die klassische Recherche hinaus. Kaum ein anderer Journalist nutzt Social-Media-Kanäle aktiver, um gezielt an Informationen zu gelangen. Seine mächtige Follower-Power hilft ihm dabei. Jeder einzelne Informant sei wichtig für den Faktencheck seiner viel gelobten Reportagen, sagt er.
Wir haben den Journalisten getroffen und über den Stellenwert von Social Media im heutigen Journalismus gesprochen.
Auf Twitter sind Sie eine bekannte Größe. Wie nutzen Sie den Kanal für Ihre journalistische Arbeit?
Zum einen möchte ich Menschen an meiner Arbeit teilhaben lassen – so sind sie von den Anfängen meiner Ideen bis hin zu meinen Artikeln in der Washington Post live dabei. Dadurch erzeuge ich von Beginn an Aufmerksamkeit für meine Geschichten. Zum anderen möchte ich mit Twitter Menschen die Möglichkeit bieten, mich zu kontaktieren – für den Fall, dass sie Informationen haben, die wichtig für mich und meine Arbeit sein könnten.
Verwässere deine Community nicht mit Inhalten, von denen du keine Ahnung hast
Sie haben über 500.000 Follower. Wie baut man eine so große Community auf?
Das Wichtigste ist, seinen Lesern immer einen Mehrwert zu bieten. Ich möchte ihre Zeit nicht verschwenden, indem ich von Sachen rede, von denen ich keine Ahnung habe. Ich kenne mich auf einem bestimmten Gebiet aus und lerne ständig neue Dinge, die ich über meine Social-Media-Kanäle mit meinen Followern teile. Bei mir gibt es interessante und wahre Informationen, keine unnützen Infos. Das Gleiche erwarte ich als Leser, wenn ich anderen Experten folge. Kurz gesagt: Halte dich an das, was dich auszeichnet, und verwässere deine Community nicht mit Inhalten, von denen du keine Ahnung hast.
Gab es eine bestimmte Zeit oder einen bestimmten Anlass, wo Ihre Social-Media-Kanäle besonders viel Zuspruch bekamen?
Ja, das war 2016, zur Zeit des US-amerikanischen Wahlkampfs, als ich über die fragwürdigen Spendengelder berichtete, die Donald Trumps Stiftung angeblich an verschiedene Wohltätige weitergeleitet hatte. Bei meinen Recherchen bekam ich eine Menge falscher Informationen und irreführende Antworten von den Verantwortlichen der damaligen Trump-Kampagne. Ich musste also einen Weg finden, um herauszubekommen, was es mit den Spendengeldern wirklich auf sich hatte. Ich nutzte schlussendlich Twitter, um den direkten Austausch mit den betroffenen Personen zu suchen. Das und meine Veröffentlichung über das „Access Hollywood tape“ zu Donald Trump halfen mir, auf Twitter zu wachsen.
Ich belohne meine User
Wie bekommen Sie Ihre Follower dazu, mit Ihnen und Ihrem Content zu interagieren und sie gleichzeitig als Quelle zu nutzen?
Ein offener Auftritt ist entscheidend. Man sollte jederzeit interessiert und bereit sein, Neues von seinen Followern zu lernen. Zudem ist es kontraproduktiv, sich als jemand zu präsentieren, der sich bereits eine feste Meinung gebildet hat und über den Dingen steht. Begegne deinem Publikum auf Augenhöhe, sei Neuem gegenüber aufgeschlossen und zeige Dankbarkeit, wenn sich jemand an dich wendet.
Was würden Sie deutschen Journalisten im Umgang mit Social Media raten?
Nutzen Sie sie als eine Art, mit Ihren Lesern zu kommunizieren, so mache ich das jeden Tag. Falls Ihre Leser Fragen zu Ihrer Arbeit haben, gehen Sie darauf ein, auch wenn es Fragen sind, die Sie schon mehrfach beantwortet haben. Viele User sehen meine Tweets und Inhalte zum ersten Mal und sind noch nicht voll im Bilde. Es gilt, rechtzeitig ein Gespür zu entwickeln und jeden Einzelnen mit ins Boot zu holen, was meine Themen und Geschichten angeht. Ich gebe meinen Followern die Möglichkeit, sich mit mir zu unterhalten. Wenn ich Antworten suche, frage ich danach. Bekomme ich das, wonach ich gesucht habe, belohne ich meine Leser, indem ich es in meinen Tweets erwähne.
Twitter nutze ich mit Abstand am meisten
Sehr beeindruckend, aber auf der anderen Seite doch auch ein Haufen Arbeit. Arbeiten Sie im Team?
Nein, das bin in der Tat nur ich, bei Twitter mache ich alles allein. Es ist wirklich eine Menge Arbeit, aber es lohnt sich. Ich erhalte so viele wichtige Infos, an die ich ansonsten nie herangekommen wäre. Die große Herausforderung ist es, in der übrigen Zeit nicht auch noch die Tweets aller anderen zu lesen (lacht).
Welche weiteren Social-Media-Kanäle nutzen Sie für Ihre Arbeit?
Auch wenn ich selbst kaum etwas poste, nutze ich Instagram, um herauszufinden, in welchem seiner Privatklubs sich der Präsident aktuell aufhält und was er von dort veröffentlicht. Darüber hinaus habe ich ein Facebook-Profil, mit dem ich allerdings deutlich weniger Zeit verbringe. Denn Facebook ist für mich und meine Arbeit weniger hilfreich. Twitter nutze ich mit Abstand am meisten.
Können Sie weitere Journalisten nennen, die im Umgang mit Social Media einen richtig guten Job machen?
Klar, da gibt es eine Menge. Ich persönlich folge gerne Maggie Haberman, einer bekannten Politik-Reporterin von der New York Times. Sie nutzt Twitter, um ihr wertvolles Wissen an ihre Follower weiterzugeben.