Rund 20 Jahre nach dem Launch der Online-Enzyklopädie ist Wikipedia ein zentraler Bestandteil der Wissensgesellschaft. Wie Unternehmen und ihre Produkte dort dargestellt werden, ist für diese von enormer Bedeutung. Doch wer sein Bild auf eigene Faust schönen will, kann seine Reputation erst recht schädigen. Wir zeigen, wie es besser geht.
Wikipedia ist aus dem Internet nicht mehr wegzudenken. In einem Meer aus suchmaschinenoptimierten Inhalten ist die Online-Enzyklopädie für viele Menschen der erste Anlaufpunkt, wenn sie verlässliche Informationen suchen. Betrieben wird Wikipedia von der spendenfinanzierten Wikimedia Foundation von San Francisco aus, ausgebaut und gepflegt von einer Vielzahl freiwilliger Helfer.
Chancen und Risiken
Für Unternehmen birgt die Plattform durchaus Chancen. Aber eben auch einige Risiken. Einerseits ist es – ab einer gewissen allgemeinen Relevanz – möglich, einen Eintrag auf einer der nach wie vor meistaufgerufenen Websites der Welt zu erhalten. Und das in potenziell über 300 verschiedenen Sprachen, ob Englisch, Koreanisch, Ungarisch, Dzongkha oder Nordfriesisch. Zwar wird der Verwendung der Seite zur Suchmaschinen-Optimierung technisch ein Riegel vorgeschoben, aber auf Grund der einfachen Auffindbarkeit eines Eintrags liegen die Vorteile dennoch auf der Hand.
Andererseits: Ist ein Produkt oder die Firma als Ganzes negativer Berichterstattung ausgesetzt, schlägt sich das in vielen Fällen auch im entsprechenden Eintrag auf Wikipedia nieder. Und während Kritikpunkte in der Tagespresse oder den Sozialen Medien nach einiger Zeit in Vergessenheit geraten und entsprechende Beiträge von Google irgendwann in fast unauffindbare Bereiche gleiten, ist der Eintrag auf Wikipedia ihrem Wesen als Enzyklopädie gemäß auf Dauer ausgerichtet. Ein Reputationsschaden bleibt also deutlich länger bestehen.
Umfeld beachten
Normalerweise entstehen Artikel in der Wikipedia durch die Arbeit von Freiwilligen, von denen sich viele je nach Interesse und Expertise in Fach-Projekten oder -Portalen zusammengefunden haben. In diesen Projekten wird für gewisse Qualitätsstandards gesorgt und daran gearbeitet, beispielsweise neue und historische Fahrzeuge, alle Landtagsabgeordneten oder Computerspiele flächendeckend mit ordentlichen Artikeln zu versorgen. Änderungen an diesen Artikeln werden mit kritischem Auge beobachtet und oft zurückgesetzt oder korrigiert.
In diesem Umfeld im eigenen Interesse aktiv zu werden, ist eine Herausforderung und nicht unbedingt ratsam. Sowohl das Anlegen neuer Einträge zum eigenen Unternehmen, zu Tochterfirmen, Joint Ventures, Produktionsstätten und Produkten, wie auch der Versuch, eine dauerhafte Reputationsschädigung zu verhindern, stößt auf wenig Gegenliebe. Im schlechtesten Fall verärgert man die aktive Wikipedia-Community, sodass eine weitere Mitarbeit unmöglich wird. In einem von Freiwilligen aufgebauten und geführten Projekt, von denen viele freies Wissen als essenziell für eine lebenswerte Gesellschaft erachten, werden Versuche, aus kommerziellen Interessen schöngefärbte Beiträge zu erstellen oder Kritik zu unterbinden, eben logischerweise argwöhnisch betrachtet.
Das gilt insbesondere für unangemeldete Nutzer. Ohne Account hinterlässt man bei der Bearbeitung seine IP-Adresse in der Versionsgeschichte der Artikel. Daraus sind sich Rückschlüsse auf die Identität möglich, etwa wenn die IP-Range zu einem Unternehmen oder einer Behörde gehört. Solche Beiträge waren in der Vergangenheit Aufhänger von Medienberichten, in denen Politikern und Firmen die Manipulation von Artikeln vorgeworfen wurde. Schon allein deswegen empfiehlt sich die Erstellung eines Accounts, den man transparent offenlegt.
Realistische Erwartungen
Letzteres ist auch der von der Wikimedia Foundation in ihren Nutzungsbedingungen vorgeschriebene Weg. Ein Teil der deutschsprachigen Wikipedia-Community wollte Ende letzten Jahres die vergütete Bearbeitung durch PR-Dienstleister gänzlich untersagen. Eine Abstimmung zu diesem Vorschlag scheiterte allerdings, nicht zuletzt auf Grund der Tatsache, dass es einem Ausschluss seriös arbeitender vergüteter Schreiber*innen gleichgekommen wäre. Eine Mitarbeit in einem offenen Projekt wäre ohne transparentes Vorgehen aber logischerweise weiterhin möglich – auch wenn solche Versuche immer wieder durch Kontrollen mit speziellen Tools auffliegen.
Letztlich bleibt es wichtig, die eigenen Erwartungen in realistischem Rahmen zu halten. Ein Wikipedia-Artikel zur eigenen Person oder zum eigenen Unternehmen wird niemals einer Laudatio gleichkommen. Aber ein berechtigtes Interesse an einer sachlichen Darstellung besteht selbstverständlich, auch wenn der Weg dahin nicht immer einfach ist.
Fünf Tipps für Wikipedia
- Nichts überstürzen: Großflächige Löschungen oder das Ersetzen ganzer Artikel durch selbst geschriebene Inhalte fällt sofort auf und wird mit großer Wahrscheinlichkeit zurückgesetzt.
- Regeln akzeptieren: Viele grundsätzliche Diskussionen wurden in dem Projekt unzählige Male geführt, die geltenden Regeln sind das Ergebnis langwieriger und schwieriger Prozesse. Der Erstkontakt zu erfahrenen Benutzer*innen besteht entsprechend oft aus Verweisen auf bestehende Regeln. Deren Sinnhaftigkeit in Frage zu stellen, ist kurz- und mittelfristig nicht zielführend.
- Unterstützung hinzuziehen: Wer ein eigenes Unternehmen oder Produkt unzutreffend beschrieben sieht, ärgert sich sicherlich. Aber im ersten Emotionsausbruch zu handeln, ist nicht ratsam und führt zu unnötigen Auseinandersetzungen, anstatt zu einem befriedigenden Ergebnis. Fachkräfte können hier helfen – und wenn es vielleicht auch nur der Rat ist, keine weitere Energie in ein aussichtsloses Unterfangen zu stecken.
- Die Diskussionsseite nutzen: Auf Missstände kann man erstmal einfach hinweisen. Dadurch entsteht entweder eine – im besten Fall konstruktive – Diskussion, in deren Folge Mängel behoben werden. Bei ausbleibender Reaktion kann man nach einigen Tagen mit Verweis auf den Diskussionsbeitrag selbst versuchen, den Missstand zu beheben.
- Mehrwert schaffen. Nutzer*innen, die nur an sie betreffenden Artikeln arbeiten, fallen oft kritisch auf. Wer dagegen mit seinem Account auch auf anderen Seiten mithilft – von der Korrektur von Rechtschreibfehlern bis zur Recherche von Fakten oder dem Hochladen von qualitativen, urheberrechtlich kompatiblen Bildern – gewinnt an Vertrauen.
Über den Autor
Kilian Froitzhuber hat in Konstanz und Berlin Politik studiert. Mittlerweile arbeitet er als Redenschreiber für OSK. Vorher hat Kilian als Journalist und Berater im Europäischen Parlament Digitalthemen bearbeitet und sich vor allem mit Datenschutz und Urheberrecht auseinandergesetzt. Wenn er mehr als drei Tage frei hat, kann man ihn meistens nach längerer Suche irgendwo an Ost- oder Nordsee finden.