Der Blogger Eddie Vassallo sorgte 2013 mit einem Artikel über Magazin-Apps für Diskussionsstoff: Sie seien tot, so seine Einschätzung. In seinem Text kritisierte er Magazin-Apps als „digitale Replikate“ ihrer Print-Ausgaben. Sie würden schlichtweg nicht gelesen, seien für Herausgeber jedoch extrem kostspielig. Nur wenige Anbieter hätten den Sprung von einem digitalen Replikat zu einem dynamischen Magazin geschafft, das alle Möglichkeiten der Technik ausnutzt und sich der Logik der sozialen Medien anpasst.

Entgegen dieser Meinung wächst die Zahl der angebotenen Magazin-Apps weiterhin. Denn noch nie war es so einfach, eigene Inhalte zu veröffentlichen und einem Publikum zu präsentieren wie heute. Autoren können ihre Arbeiten über Self-Publishing-Plattformen anbieten und verkaufen, Inhalte auf dem eigenen Blog oder über Dienste wie Medium.com veröffentlichen. Für Unternehmen sind die Möglichkeiten im Bereich Corporate Publishing nicht weniger spannend – ob Online-Magazin, Magazin-App, Zeitschrift im Apple Zeitungskiosk oder Corporate Blog. Doch welche Formate werden überhaupt gelesen? Dieser Frage gehen wir nach und zeigen Vor- sowie Nachteile von Magazinen in Web- und App-Form auf.

Eddie Vassallo steht mit seiner Meinung nicht alleine. In den vergangenen zwei Jahren wurde in Branchenmagazinen wie Gigaom immer wieder über das mögliche Ende des Magazins in App-Form spekuliert. Bei der Diskussion geht es aber nicht um die Frage, ob über das Smartphone oder Tablet gelesen wird – denn das wird es mehr denn je. Es geht vielmehr darum, welches Medium Leser auf dem Endgerät ansteuern. Die Gewohnheiten der Nutzer haben sich verändert. User tendieren dazu, interessante Inhalte über das Social Web und Apps wie Facebook, Twitter oder Flipboard zu lesen. Wie Ergebnisse verschiedener Studien belegen, werden redaktionelle Online-Angebote inzwischen überwiegend über Apps konsumiert. Laut der Tomorrow Focus Media Studie „Mobile Effects“ hat sich die App-Nutzung für redaktionelle Inhalte 2014 im Vergleich zum Vorjahr sogar verdoppelt. 44 Prozent der Befragten nutzen Apps, rund 22 Prozent konsumieren redaktionelle Angebote im Browser.

Flipboard2Die Browser-Oberfläche von Flipboard

Dabei werden in Deutschland immer weniger neue Apps geladen, wie Netzökonom und Blogger Holger Schmidt in einem Artikel beschreibt. Nur eine Handvoll „etablierter“ Apps werden regelmäßig angesteuert, alle anderen bevölkern als ungeöffnete, bunte Icons die Bildschirme der Tablets und Smartphones. Besonders für Magazin-Apps ist das ein Nachteil, denn sie verschwinden schlichtweg aus dem Aufmerksamkeitsfeld der Nutzer. Am Ende landen sie unbeachtet auf der dritten oder vierten Seite des Tablets oder Smartphones. Laut einer Studie des Digitalvermarkters Tomorrow Focus Media nutzen nur rund 4 Prozent aller Befragten, die mehr als 30 Apps auf ihrem Gerät installiert haben, diese auch regelmäßig. Es sei denn, sie bieten einen echten Mehrwert, zum Beispiel eine besondere Information, Gestaltung oder Usability.

Magazin-Apps schotten sich ab

Magazin-Apps droht aber nicht nur die Gefahr, auf den Endgeräten und aus der Wahrnehmung zu verschwinden, sie gehen auch im Internet buchstäblich verloren. Denn Google kann ihre Inhalte nicht indexieren. Wer nach bestimmten Stichwörtern googelt, findet die Magazin-App gar nicht oder mit viel Glück in der Google Ergebnisliste. Und selbst wenn Google die Anwendung findet, muss ein Nutzer einige Hürden bewältigen. Er wird zum App Store und nicht zum eigentlichen Artikel weitergeleitet. Der Wechsel zwischen verschiedenen Plattformen und Hindernissen, wird zum Störfaktor. Ein Hauptgrund, dass viele frustriert aufgeben und den Artikel Artikel sein lassen. Aus SEO-Sicht schotten sich Magazin-Apps vom besten Traffic-Treiber der Welt, Google, ab.

Magazine in Web-Form sind hier klar im Vorteil. Google findet sie einfach leichter. Außerdem sind sie einfacher teil-, like-, und kommentierbar. Aus der Magazin-App lassen sich Inhalte zwar auch via Facebook, Twitter und Co. mit dem eigenen Netzwerk teilen, andersherum ist der Zugriff auf die Inhalte der App aber schwieriger. Wenn sich ein verlinkter Inhalt nicht nach wenigen Klicks öffnet, nimmt das Interesse schnell ab. Das macht es schwierig, Magazin-Apps in die Logik des Social Webs zu integrieren. Für ein Web-Magazin funktionieren Links wunderbar. User können nach einem Klick entscheiden, ob der Inhalt sie interessiert. Der Weg zur Magazin-App im Store ist im Vergleich deutlich schwieriger und setzt voraus, dass das Magazin aktiv gesucht wird. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass Nutzer, die eine Magazin-App öffnen, sich ganz bewusst auf die Inhalte konzentrieren. Es gibt keine störenden Faktoren auf dem Bildschirm, die die Aufmerksamkeit einfordern. Ein wichtiges Argument, wenn es darum geht, Werbekunden zu gewinnen. Bei einem Magazin in Web-Form konkurrieren die Inhalte der Seite immer mit Nebenschauplätzen: Weitere Tabs, Meldungen und Programme lenken ab. Der Browser wird zum Katalog. Magazin-Apps bieten – gerade weil der Initialaufwand für den Leser höher ist – einen Lean-back-Moment. Auch unterwegs stechen sie Web-Magazine (noch) aus. Die Endgeräte sind zwar in der Regel internetfähig, Empfang und Qualität der Netze sind unterwegs häufig beschränkt.

Auffindbarkeit und Vermarktung sind ein ausschlaggebender Faktor

Ob Magazin-App oder Online-Magazin – bei beiden Varianten endet das Konzept viel zu häufig mit ihrer Veröffentlichung. Dabei funktioniert kaum ein Corporate-Publishing-Angebot aus sich selbst heraus. Die Auffindbarkeit und Vermarktung der Inhalte ist ein ausschlaggebender Faktor für den Erfolg. Magazin-Apps für tot zu erklären, wäre zu einfach. Fakt ist, Apps können ganz ohne das Web nicht funktionieren. Ein Konzept, wie die App distribuiert werden soll, ist zwingend nötig. Eine Website kann dabei als Einfallstor dienen: Hier werden Inhalte angeteasert und das Interesse geweckt. Erst dann gelangt der User in den App Store. Gleichermaßen kann eine App für ein Web-Magazin eine Ergänzung sein. Viel mehr noch: Für manche Inhalte – je nach Umfang, thematischer Tiefe und gewünschten Funktionen – ist eine App sogar die sinnvollere Alternative. Und zwar dann, wenn das, was technisch und kreativ möglich ist, ausgenutzt wird. Der Versicherer Allianz zeigt das mit seinem Kundenmagazin „1890“. Das Web-Magazin ist sozial, interaktiv und beschränkt sich auf so viel Text, dass Inhalte auf dem Desktop-PC sowie in der mobilen Ansicht gut zu lesen sind. Die Magazin-App für Tablet und Smartphone geht inhaltlich stärker in die Tiefe und bietet mehr Lesestoff.

Allianz3 - Kopie

Idealerweise kann der Nutzer aus einer Angebotsfülle heraus entscheiden, wie er lesen möchte. Ein weiterer Anbieter, der das schafft, ist beispielsweise The Economist. Die Herausgeber haben ein zentrales Abo-Modell entwickelt, um Lesern die Wahl zu lassen, wie sie Inhalte konsumieren möchten. Dabei werden die Inhalte auf jeden Kanal individuell zugeschnitten, Funktionen und Specials werden an die verschiedenen Gegebenheiten angepasst. Trotzdem entstehen ein einheitliches Lesegefühl und eine kanalübergreifende Stringenz.

Letztendlich geht es immer um Inhalte, auch bei der Entscheidung für und wider eine App oder ein Web-Magazin. Je nach Kanal müssen sie unterschiedlich aufbereitet sein und ein Lesegefühl schaffen, das zum jeweiligen Medium passt.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

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