Der Raum, in dem ich stehe, sieht aus wie eine Szene aus dem Film „Matrix“. Hinter mir die unendliche Weite eines weiß gerasterten, schwarzen Feldes. Vor mir die Worte: „New Game“, „Continue“ und „Shop“. Ich entscheide mich für „New Game“ und stehe kurz darauf auf einer Plattform inmitten alter ägyptischer Tempel – mir laufen Spinnen, Skelette und andere zu besiegende Gegner entgegen. Ich bin mittendrin in einem Videospiel. Aber es fühlt sich echter an als alles, was ich je zuvor im Gaming erlebt habe.
Der Fortschritt, den Virtual Reality in den vergangenen Jahren gemacht hat, ist enorm. Die Möglichkeiten scheinen unendlich, und es bleibt nur zu erahnen, was noch alles möglich ist. Lange war es ausschließlich ein Gadget, um das Videospiel-Erlebnis zu verbessern und es noch ein Stückchen realer zu machen. Doch ist das heute überhaupt noch der Fall, oder ist das „Gaming“ bei all den hinzugekommenen Möglichkeiten zur Nebensache geworden?
VR-Geschichte
Virtual Reality ist laut Definition die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven und virtuellen Umgebung. Oder kurz: Die Möglichkeit, mit virtuellen Umgebungen dank Zubehör aktiv zu interagieren. Erstmals verwendet wurde der Begriff vom australischen Autor Damien Broderick in seinem Science-Fiction-Roman „The Judas Mandala“ von 1982.
Als zunächst theoretisches Konzept erschien es fünf Jahre später im Oxford English Dictionary. Die Geschichte von Virtual Reality als Gadget für Videospiele beginnt in den frühen 1990er Jahren, als mehrere sogenannte „Virtual Reality Head Mounted Displays“ (HMD) von Firmen wie Nintendo, Virtual I-O oder anderen auf den Markt gebracht wurden. Diese dienten zur Implementierung von Grafiken, Sound und Eingabetechnologien. Für den Verbrauchermarkt war die damalige Technologie allerdings noch nicht ausgereift genug, um VR als einen profitablen Markt zu etablieren – sie waren zu unhandlich, die zu erzielenden Bewegungen häufig nicht intuitiv genug und für „Otto-Normalverbraucher“ meist nicht zu bezahlen.
Mehr als Gaming
Durch den Fortschritt der Technik wird VR mittlerweile in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt. Ob Architekten, die ihren Kunden vorab das geplante Endprodukt zeigen, oder Fallschirmspringer, die ihre Jungfernsprünge am Boden per VR proben, – die vielseitig verwendbare Zukunftstechnologie findet immer mehr Einsatzgebiete und Nischen, die sie erfolgreich besetzt. Auch OSK hat als technologisch fortschrittliche Agentur schon Anwendungsmöglichkeiten für VR gefunden: Geplante Messestände wurden für Kunden digital zugänglich gemacht, indem ein virtueller Raum erstellt wurde, den der Kunde mit der VR-Brille betreten und sich darin umsehen konnte. So entstand schon vor der Umsetzung in der realen Welt ein erster Eindruck vom Messestand in der virtuellen Realität.
Brendan Iribe, Mitgründer und CEO von Oculus VR, erklärte im Mai 2014 auf der TechCrunch Disrupt Now York: „Wir haben uns anfangs sehr auf Spiele konzentriert. Aber wenn wir uns anschauen, in welche Richtung sich Virtual Reality in den nächsten zehn Jahren entwickelt, wird es viel um Kommunikation und Social gehen.“ Auch Mark Zuckerberg, der mit seinem Unternehmen Facebook Oculus kurz vor Iribes Statement für gerade einmal 2 Milliarden US-Dollar übernahm, ist einer ähnlichen Ansicht. So verkündete er in einem Post auf Facebook zur angesprochenen Übernahme, dass man Oculus‘ Pläne, neue Computerspiel-Erlebnisse zu entwickeln, unterstützen werde, man die Zukunft von VR aber sehr viel breiter gestreut erwarte. Ob Sportmatch auf perfekten Sitzplätzen oder mit Studenten aus aller Welt gemeinsam in einem Klassenraum sitzend.
Realität und Virtuelles werden eins
Dass die Entwicklung noch längst nicht abgeschlossen ist, sieht man an Beispielen wie dem im vergangenen Sommer von Intel angekündigten „Project Alloy“. Das Headset (inklusive VR-Brille) verkörpert die sogenannte Merged Reality, bestehend aus Komponenten von Augmented Reality (AR) und VR im Zusammenspiel mit der reellen Umgebung. In der erstmaligen Vorführung des Projekts machte ein Mitarbeiter mit seinen Händen in der Realität eine Bewegung, die das Drücken eines Knopfes darstellte. Das Headset erkannte diese Bewegung, und in der Simulation öffnete sich ein Tor. Aber auch andere Hersteller sind fleißig am tüfteln.
Ein Beispiel dafür ist der größte Kickstarter in der Geschichte: Magic Leap. Das Unternehmen aus Florida hat in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Dollar eingesammelt, um an einer eigenen AR-Lösung zu arbeiten. Vereinfacht gesagt funktioniert das so, dass Magic Leap virtuelle Elemente in die reale Umgebung integriert. Wie das System genau funktioniert, ist bislang nicht klar, da Magic Leap kaum Infos nach außen gibt. Vermutet wird aber, dass der User eine Art Headset oder Brille nutzen wird. Das Technik-Magazin WIRED bekam im April 2016 einen genaueren Einblick. Demnach sollen die digitalen Einblendungen in die reale Welt wie aus einem Guss wirken, ohne sichtbare Pixel. In der Demo gehen Office-Anwendungen fließend in Entertainment über.
Festzuhalten bleibt: Das einstige Gaming Gadget hat sich bereits erfolgreich in anderen Bereichen etabliert und wird auch für Firmen sowie im alltäglichen Gebrauch immer häufiger eingesetzt. VR hat noch viel Potenzial, das es in naher Zukunft auszuschöpfen gilt. Die Marktfähigkeit ist im Vergleich zu den oben genannten Anfängen längst erreicht, immer mehr Gebrauchsfelder werden entdeckt. Wir können gespannt sein, wohin sich die VR-Branche weiter entwickeln wird. Und mit Intels Merged Reality steht auch schon die nächste Entwicklungsstufe in den Startlöchern.
// Über den Autor
Maximilian Schrott studiert Sport- und Eventmanagement an der Hochschule Macromedia in Köln. Besonders interessiert er sich für die neuesten Gadgets und Technologien sowie alles, was in der Technik-Welt gerade aktuell ist. In seiner Freizeit wirkt er an der Facebook- Fanseite des 1. FC Köln „Geißbocks Eleven“ mit, geht seiner Leidenschaft für Videospiele nach und genießt die breitgefächerte Kölsche Kultur.