Team Deutschland Titel

Die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang waren nicht nur ein sportlicher Erfolg für die deutschen Athleten – auch die Social-Media-Kommunikation des Deutschen Olympischen Sportbundes war medaillenverdächtig. Sie war sogar derart gut, dass das Team kürzlich mit dem Deutschen Preis für Onlinekommunikation ausgezeichnet wurde.


Keine Angst vor Kalauern; das könnte das Instagram-Motto des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) für die Olympischen Winterspiele von Pyeongchang gewesen sein. Auf seinem Instagram-Kanal feierte der DOSB die vielleicht schönsten Momente der deutschen Olympiateilnehmer mit emotionalen Bildern und frechen Sprüchen: Der Bobfahrer Francesco Friedrich holt Doppelgold? Er muss sich fühlen, als sei er On Bob of the World. Die deutsche Biathlon-Staffel holt Bronze? Keine Frage, das muss sie sein, Die beste Staffel, seit es Netflix gibt. Deutschlands Skispringer sind natürlich Deutschlands beste Fluggesellschaft. Die offene Art der Kommunikation kommt gut im Netz an.

Verantwortlich für die Social-Media-Kommunikation des Deutschen Olympischen Sportbunds ist Jens Behler, der die Digitale Kommunikation des DOSB leitet. Unterstützt wurde er in Pyeongchang unter anderem von Digitalstratege und Social-Media-Fachmann Marvin Ronsdorf, der die deutschen Athleten mit seiner Kamera begleitete. Zum Team gehörten noch Jörg Stratmann (DOSB), Daniel Schüler (freier Redakteur) und die Grafikerin Theresa Gramckow. „Team Deutschland“ ist der neue Markenauftritt der Deutschen Olympiamannschaft, unter dessen Dach die deutschen Athleten erstmals während der Olympischen Winterspiele aufgetreten sind. Das Ziel, der 2017 ins Leben gerufenen Marke in den sozialen Netzwerken einen ganz neuen Auftritt zu geben, haben sie klar erreicht. Nicht nur auf Instagram wurden die Motive der deutschen Athleten gefeiert, auch auf Facebook, Twitter und über eine Website hielten Behler und sein Team die Fans in Deutschland rund um die Uhr auf dem Laufenden. Nicht nur die Fans belohnten das Engagement mit Likes und Klicks, das Team gewann vor Kurzem auch den Deutschen Preis für Onlinekommunikation.

Wie sie die sozialen Kanäle genutzt haben, um abseits der traditionellen TV-Berichterstattung für relevante Inhalte zu sorgen, erzählen uns Behler und Ronsdorf im Interview.

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Jens Behler, Marvin Ronsdorf, Jörg Stratmann und Daniel Schüler (v.l.). Bild: Team Deutschland
Ihr seid im Februar zusammen mit den deutschen Athleten zu den Olympischen Winterspielen nach Pyeongchang gereist. Was habt ihr dort erlebt, was war euer absolutes Highlight?

Jens Behler: Bislang war ich fünfmal bei den Olympischen Spielen, davon bei drei Winterspielen. Für mich ist das immer noch ein Privileg, weil ich ein absoluter Olympia-Fan bin. Wenn man beruflich vor Ort ist und viel arbeitet, nimmt man die Spiele natürlich anders wahr als jemand, der zuschaut. Daher waren die Winterspiele 2010 in Vancouver, die ich privat besucht habe, ganz besonders. Von den vier im Dienste des DOSB waren die in Pyeongchang vielleicht die schönsten. Sehr viel hat sehr gut funktioniert. Unsere Athleten waren erfolgreich, wir hatten ein tolles Deutsches Haus, der Teamgedanke und die Haltung unserer neuen Marke „Team Deutschland“ wurden von den Athleten gelebt und haben für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Als Eishockey-Fan war natürlich der Run bis zur Silbermedaille sehr intensiv, aber auch die Feier unserer Skispringer, die wir gemeinsam mit den Norwegern im Deutschen Haus veranstaltet haben, war sehr olympisch. Das werde ich sicher nicht vergessen.

Mit der Zeit in Pyeongchang ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen.

Marvin Ronsdorf: Gegen so viel Olympia-Erfahrung komme ich nicht an. Für mich waren es die ersten Spiele. Mit der Zeit in Pyeongchang ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen. Irgendwann habe ich akzeptiert, dass ich es als Athlet wohl nicht mehr zu Olympia schaffen werde, und so blieb die berufliche Perspektive als jemand, der digital gerne Geschichten erzählt. Zwei Momente hab ich besonders in Erinnerung behalten: die Eiskunstlauf-Kür von Aljona Savchenko und Bruno Massot, die wir im Deutschen Haus mit den beiden noch einmal in voller Länge geschaut haben. Sie hatten zuvor auch nur Ausschnitte gesehen und sie dort mit ihren Goldmedaillen um den Hals sitzen zu sehen und die Großbildleinwand anzulächeln, war echt emotional – auf den Erfolg hat sie 30 Jahre hingearbeitet. Der zweite Moment war das gewonnene Eishockey-Halbfinale. Ich hatte die Chance, danach in der Kabine der Eishockeyspieler dabei sein zu dürfen, und dieser Spagat aus Fassungslosigkeit und purer Freude über die schon sichere Olympiamedaille war eine unglaubliche Atmosphäre.

Die Olympischen Winterspiele sind ein riesiges Event, über das auf allen Kanälen berichtet wird. Mit welcher Strategie seid ihr nach Südkorea gefahren? Wie groß war das Team?

Jens Behler: Der Großteil der Berichterstattung findet immer noch im TV statt. Nur das Fernsehen strahlt derzeit Livebilder aus. Daher haben wir darauf gesetzt, den TV-Zuschauer aktuell und unterhaltsam am Second Screen mit Inhalten aus Südkorea zu versorgen. Wir haben für jeden Kanal festgelegt, was dort wann und wie stattfinden soll. Das Thema Zeitverschiebung spielte dabei natürlich eine Rolle.

Unser Team vor Ort bestand aus fünf Leuten. Eine Person für Website, App und Twitter, ein Chef vom Dienst, der für Facebook und Twitter schreibt und Beiträge plant, eine Person, die sich um Instagram kümmert, eine Person für alle Videos und eine Grafikerin. Dazu haben uns diverse Teams und Agenturen in verschiedenen Bereichen unterstützt. Wichtig war auch der enge Austausch mit Eurosport zur Crossposting-Funktion bei Facebook.

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Screenshot: Team Deutschland, Instagram
Marvin Ronsdorf: Speziell bei Instagram haben wir uns gefragt, was wir dem Fan bieten können, was er nicht schon woanders bekommt. Deswegen haben wir uns darauf fokussiert, den Fan ein Stück weit mit hinter die Kulissen zu nehmen. Die beste Gelegenheit dazu hatten wir dort, wo wir zu Hause waren: im Deutschen Haus. Wir haben aber auch mit Andreas Wellinger in der adidas Athleten-Lounge Kaffee getrunken, Eric Frenzel beim Training begleitet oder waren wie erwähnt ganz nah an unseren Eishockey-Helden dran. Die Bilder haben wir dann vor allem in den Stories ausgespielt. Diese hatten teilweise bis zu 100 Elemente und die Zahlen haben gezeigt, dass ein überwältigender Teil der Fans selbst diese bis zum Ende durchgeschaut hat.

Was waren die Ziele? Was habt ihr euch vorgenommen?

Jens Behler: Wir wollten mindestens die Zahlen von den Olympischen Spielen in Rio erreichen, das haben wir geschafft. Wir achten stark auf die erzielten Reichweiten. Aber auch der organische Fanzuwachs ist wichtig, da wir vor allem während der Spiele stark wachsen. Gleichzeitig wollten wir die Marke Team Deutschland etablieren. Ich denke, auch das ist uns gelungen.

Ihr habt über eure eigene Site, Facebook, Twitter, YouTube und Instagram berichtet. Welcher Kanal eignet sich für diese Form der Live-Berichterstattung aus eurer Sicht am ehesten und warum?

Marvin Ronsdorf: Durch die Zeitumstellung waren manche Wettbewerbe mitten in der Nacht deutscher Zeit, andere liefen zu Zeiten, in denen viele Menschen arbeiten mussten. Instagram hat uns beispielsweise mit dem Story-Feature sehr dabei geholfen, auch die Leistungen der Sportler zu würdigen, die aufgrund der Uhrzeit weniger Einschaltquote in Deutschland hatten. Niemand, der es bis nach Pyeongchang geschafft hat, sollte zu kurz kommen, und so hat man mit Instagram keinen Wettkampf und kein Ergebnis verpasst.

Wir hatten rund 250.000 Unique User auf der Webseite und rund 2,2 Millionen Seitenaufrufe während der Spiele. Alle Kanäle zusammengerechnet sehen die Zahlen wie folgt aus:

  • 6 Kanäle
  • 17 Tage
  • 253 Beiträge
  • Gesamtreichweite aller Kanäle: 94.725.000 User
  • 300 neue Fans auf Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, App
  • 8.200.000 Videoaufrufe

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Jens Behler: Jeder Kanal hat seine eigenen kommunikativen Stärken, daher haben wir jeden Kanal unterschiedlich bespielt. Twitter gleicht am ehesten dem Live-Ticker. Über Instagram lassen sich die besonders bildstarken Momente feiern, die Stories-Funktion hilft, Erlebtes Revue passieren zu lassen. Facebook haben wir ganz unterschiedlich genutzt, uns dabei aber auf Highlight-Live-Videos konzentriert. YouTube war in unserem Kommunikationsmix eher der Near-Live-Kanal, weil zeitlose Videos dort besonders gut funktionieren.

Über Instagram lassen sich die besonders bildstarken Momente feiern.

Gab es Überlegungen, nur via Social zu berichten? Wie wichtig ist eine eigene Homepage noch?

Jens Behler: Unser Fokus in der Live-Berichterstattung lag klar auf den sozialen Netzwerken. Nur dort kriegt man die vollen Emotionen der Sportler und Fans unter einen Hut. Unsere Homepage verstehen wir als Serviceplattform. Sie zeigt Athletenprofile, Zeitpläne, Leistungsbilanzen, historische Daten und Livestreams von Pressekonferenzen. Infos rund um das Team Deutschland und zu einzelnen Athleten sind während der Spiele absolut relevant, daher können und wollen wir auf diese Anlaufstelle für die Fans nicht verzichten.

Welche Rolle spielt Facebook noch, nachdem das Netzwerk seinen Algorithmus umgestellt hat und Fanseiten weniger organische Reichweite generieren?

Jens Behler: Wir haben die Algorithmus-Anpassung gemerkt. Aber bei Weitem nicht so deutlich, wie wir befürchtet hatten. Wir haben eine sehr sportaffine, organisch gewachsene Followerschaft, für die wir genau die richtigen Inhalte produzieren. Da straft uns der Algorithmus selten ab, schon gar nicht während der Olympischen Spiele. Wir haben rund 200.000 Fans auf Facebook und unsere besten Posts haben zwischen 1,5 und 3 Millionen Menschen erreicht – ganz organisch. Daher bleibt Facebook als userstärkste Plattform in Deutschland für uns immer noch unersetzlich, auch wenn Instagram und YouTube sicherlich immer wichtiger werden.

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Screenshot: Team Deutschland, Facebook
Marvin Ronsdorf: Es ist immer die gleiche Entwicklung: Eine Plattform wird größer, mehr Leute posten Inhalte und die Netzwerke führen Algorithmen ein, um aus der Masse den für den User relevanten Content herauszufiltern. Das ist zuletzt auch bei Instagram passiert. Im Falle der Olympischen Spiele hat uns das aber sogar geholfen. Durch die emotionalen Motive sind wir sehr hoch gerankt worden und haben im Durchschnitt weit mehr User erreicht, als uns eigentlich folgen. Der Algorithmus kann auch dein Freund sein.

Wie lauten eure Tipps, um auf Facebook auch ohne Werbebudget eine große Nutzergruppe zu erreichen?

Jens Behler: Auf Facebook ist es wichtig aufzufallen. Hier helfen Emotionen, Humor und ein starkes grafisches Auftreten. Man muss wissen, welche Zielgruppe man vor sich hat und wie man diese Zielgruppe am besten ansprechen kann. Man muss dazu allerdings sagen, dass wir es da mit dem Thema Sport etwas leichter haben als andere, da Sport ein sehr emotionales Thema ist und damit eben gut in den sozialen Netzwerken ankommt.

Wer seine Fans und Kunden gut kennt und ehrlichen Content mit Mehrwert für sie erstellt, wird belohnt.

Marvin Ronsdorf: Relevanz und Kreation. Jens hat die beiden Stichworte schon genannt. Wenn mir davon eines fehlt, wird es schwer. Das lässt sich langfristig nur durch Werbebudgets ausgleichen. Wichtig ist mir dabei, dass Relevanz nicht nur bei Großereignissen wie den Olympischen Spielen entsteht. Und nicht jeder muss eine Millionenreichweite erzielen, um in seinem Business erfolgreich zu sein. Wer seine Fans und Kunden gut kennt und ehrlichen Content mit Mehrwert für sie erstellt, wird belohnt.

Welche Voraussetzungen muss Content erfüllen, um User im Netz anzusprechen? Welche Inhalte haben bei euch am besten funktioniert?

Jens Behler: Guter Content erfüllt drei Kriterien: Er ist emotional und zeitlich ebenso wie inhaltlich relevant. Das Format oder die Länge sind weniger wichtig. Unser erfolgreichster Facebook-Post war das Video der Gold-Kür von Aljona Savchenko und Bruno Massot, ein Crosspost von Eurosport. Die beiden gewannen Gold, als es in Deutschland mitten in der Nacht war. Viele User konnten die Kür nicht live sehen, also haben wir sie am darauffolgenden Morgen serviert. Das Timing spielte hier also eine Rolle, viel wichtiger aber waren natürlich der Moment und diese einmalige sportliche Leistung.

So etwas fasziniert Menschen, auch in den sozialen Netzwerken. Für Facebook-Verhältnisse haben die User das Video auch unfassbar lange angesehen. Die meisten der über 1,2 Millionen haben es bis zum Schluss geschaut. Ein anderes Beispiel: Einen Sieg oder eine Medaille feiern auf Facebook natürlich viele, daher kommt es bei Medaillen-Grafiken oder Fotos darauf an, möglichst schnell und unterhaltsam zu sein. Ich denke, da haben wir uns mit unseren Sprüchen und dem passenden Look von anderen abgehoben.

Im Vergleich zu den anderen Social-Profilen ist der YouTube-Kanal von Team Deutschland noch recht klein. Woran liegt das?

Jens Behler: Der Kanal befindet sich noch in der Wachstumsphase. Wir haben erst kurz vor den Spielen begonnen, ihn professionell aufzubauen. Vorher hatten wir einfach keinen Content, der geeignet war. Durch das Fanreporter-Projekt, das wir gemeinsam mit der Sparkasse ins Leben gerufen haben, konnten wir vor den Spielen ein Content-Format produzieren, mit dem wir den Kanal bespielen konnten. Während der Spiele haben wir unser Angebot dann ausgeweitet. Mit den Zahlen sind wir für den Anfang sehr zufrieden. Für uns ist es jetzt wichtig dranzubleiben, damit wir bei den nächsten Olympischen Spielen besser aufgestellt sind.

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Screenshot: Team Deutschland, YouTube
Wie sehen die Pläne für die nahe Zukunft aus? Bis zur nächsten Olympiade sind es ja noch zwei Jahre.

Jens Behler: Wir pflegen die Kanäle natürlich weiter. Das machen wir seit den Olympischen Spielen in London 2012. Olympische Spiele sind für uns die Kür, unser Pflichtprogramm ist die Zeit dazwischen. Dann bekommen die olympischen Athleten und Sportarten nicht die Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Das wollen wir durch eine nachhaltige Kommunikation auf den digitalen Kanälen ein Stück weit abbauen. Und ich denke, wir sind da auf einem guten Weg.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

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