Obwohl ich mittlerweile im sechsten Semester Public Relations studiere, habe ich im Rahmen von Praktika und Werkstudententätigkeiten noch nie in einem klassischen PR-Job gearbeitet. Ist das schlimm oder lohnt sich der Blick über den PR-Tellerrand?
Blick nach links und rechts
Kurz vor unseren ersten Jobs und zum Ende des Studiums reflektieren meine Kommiliton*innen und ich aktuell unsere Praxiserfahrungen. Ich habe dabei festgestellt, dass die PR-Ausbildung in der Hochschule zwar relevant, aber nicht deckungsgleich mit meiner Praxiserfahrung ist: Ich habe noch nie Clippings gemacht, abseits von Seminaren eine Pressemitteilung geschrieben oder für einen Kunden ein Kommunikationskonzept erarbeitet.
Stattdessen habe ich mich in der Redaktion eines People-Magazins ausprobiert, Influencer Marketing auf Unternehmensseite kennengelernt und bin als Werkstudentin in Online Marketing und E-Commerce unterwegs. Fehl am Platz und zu weit weg von PR gefühlt habe ich mich nie, was sicherlich auch daran liegt, dass die Gewerke immer mehr verschmelzen und Kommunikatoren heute alles können sollen, von SEO bis Public Affairs. Daher nachfolgend einige Gedanken dazu, wie und warum der PR-Nachwuchs nach links und rechts blicken sollte:
Probieren geht über Studieren
Häufig fand ich mich in Situationen wieder, in denen ich gefühlt die Einzige war, die sich mit einem Thema nicht ausgekannt hat oder ein Tool nicht kannte. Beispiel: SEA. Auch wenn ich die Grundlagen kenne, hatte ich mit Google Ads noch nie Kontakt – bis ich mir das Thema in meinem aktuellen Job aus der Nähe angeschaut habe. Im Übrigen ist auch kein Arbeitgeber verärgert, wenn sich Werkstudierende für einen für sie neuen Bereich interessieren und lernen wollen, ganz im Gegenteil.
Abseits der Arbeit lohnt es sich genauso, Wissenslücken zu füllen, zum Beispiel, um bei wichtigen Trends mitreden zu können – auch hier gilt Probieren über Studieren! Ich versuche mich seit geraumer Zeit an TikTok und kann seitdem nachvollziehen, warum die App so süchtig macht und sie so extrem spannend für die Zukunft der Markenkommunikation ist.
In einer Kooperation mit dem PRSH. e.V veröffentlichen Studenten des Fachs “Public Relations” an der Hochschule Hannover regelmäßig Artikel auf dem OSK Blog. Der Nachwuchs bildet die Kommunikationsprofis von Morgen, weswegen wir uns schon heute ihre Meinung zu Branchenentwicklungen, der Ausbildung und Kommunikations-Trends anhören.
Soziales Networking tut immer gut
Im letzten halben Jahr habe ich festgestellt, dass ich die LinkedIn App genauso häufig wie Instagram öffne. Nirgendwo anders habe ich einen so guten Ausblick vom Tellerrand und finde so wertvolle Branchen-Insights von Kommunikatoren und verwandten Professionals. Der digitale Kontakt lohnt sich nicht nur für spätere Gelegenheiten, Einblicke in die Lösungen verwandter Branchen können helfen, berufliche Probleme neu zu denken und sein Skillset zu erweitern.
Was mir hier noch fehlt, sind lockerere Touchpoints für Studierende abseits der einschlägigen Business Schools, die Anreize schaffen, Gedanken zu teilen und das Business-Netzwerk im echten Leben zu erfahren.
Lunch abseits des Tellerrands
In meinem letzten Praktikum gab es eine Regel, die mich erst mal ins kalte Wasser geworfen hat, der ich bis heute aber unfassbar dankbar bin. Jeden Tag Lunch mit einer anderen Person. Auch wenn ich am Anfang eher überfordert war, stellte sich schnell der positive Effekt ein: Diese Lunch-Kultur unterstützt nicht nur das interne Netzwerk im Unternehmen und schafft Verständnis für gegenseitige Probleme, ich konnte so auch als Praktikantin andere Positionen im Unternehmen kennenlernen und mich beispielsweise intensiv mit dem Marktforschungsteam über Neuigkeiten aus der Welt des Social Listening austauschen.
Dieses Lunchen hat meine Neugierde für das Gegenüber und dessen Arbeit geweckt, nicht nur, weil ich mit dem neu gewonnenen Wissen meine Arbeit optimieren kann, sondern weil es auch so viele neue Möglichkeiten für den eigenen Berufsweg eröffnet.
Do What You Love
Ganz ohne Orientierung geht es aber doch nicht, deswegen muss ich einräumen, dass ich mich sehr auf eine Branche eingeschossen habe. Mir hat es früh in meinem Studium extrem geholfen, diese eine Branche für mich entdeckt zu haben. Bei der Suche danach bin ich dem gefolgt, was mir Spaß macht und was ich auch privat liebe. In meinem Fall ist das die Beauty-Branche. Von diesem Standpunkt aus fiel es mir viel leichter, auch unbekannte Territorien des E-Commerce und Online Marketing zu erkunden und die im Studium gelernten Inhalte einzusetzen. Eine Branche oder Profession, in der man sich sicher fühlt, hilft dabei, auch den Blick in das Umfeld zu richten.
Ich bin froh, mein Studium nicht nur für klassische PR-Erfahrungen genutzt zu haben. Letztendlich ist aber neben einer eigenen Profession, in der ich mich besonders gut auskenne, die Ausbildung, die ich in meinem Studium erfahren habe, für jede Praxiserfahrung wichtig – denn richtig kommuniziert werden will überall. Texten und visualisieren, Kommunikation verstehen und hinterfragen sind auch rechts und links von klassischer PR-Arbeit von großer Bedeutung. Deswegen ist es, auch wenn die Gewerke weiter zusammenwachsen, so wichtig, ein Feld zu haben, in dem man sich besonders gut auskennt.
Weiterbildung und Diversifizierung
Mir ist im Zuge meiner Praxiserfahrungen aber vor allem auch die Relevanz von Möglichkeiten für Weiterbildung und Diversifizierung klar geworden. Nicht nur in der Uni fordern die Studierenden diese ein – in unserem Studiengang gibt es zum Beispiel seit geraumer Zeit Spezialisierungen in Sprache und Kreativität, Wirtschaft sowie Kommunikationswissenschaft ab dem fünften Semester.
Auch vom zukünftigen Arbeitgeber wünsche ich mir weitere Fortbildungsmöglichkeiten, um in unserer immer dynamischer werdenden Kommunikationswelt on top bleiben zu können.
// Über die Autorin
Jolien Hasemann ist 24 Jahre alt, studiert im letzten Semester PR an der Hochschule Hannover und arbeitet nebenbei als Werkstudentin bei lavera Naturkosmetik. Seit einem Jahr ist sie Vorstand für Kommunikation beim PRSH e.V.
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