TikTok, Twitter, Instagram: Für viele Unternehmer*innen sind soziale Netzwerke unverzichtbare Werkzeuge für Branding, Kundengewinnung und -bindung. Allerdings bindet es Ressourcen, die zahlreichen Kanäle zu bespielen. Für das Lean-Prinzip jedoch spielen schlanke Budgets und knapp bemessene Stundenumfänge nur eine untergeordnete Rolle – der ergebnisorientierte und hocheffiziente Prozess-Ansatz ist damit für jede Form von Social Media Marketing sinnvoll. Wir zeigen, was hinter der Idee steckt.
Kanäle genau auswählen: Darum ist es so wichtig
Täglich werden Millionen von Gigabyte an Inhalten ins Netz hochgeladen. Das kann schnell überfordern. Nutzer*innen bleibt daher keine andere Wahl, als zu selektieren, wo und in welchem Umfang sie soziale Netzwerke nutzen. In diesem Zuge entwickeln sie einen persönlichen Wahrnehmungsfilter, um genau den Content auszuwählen, der für sie relevant ist. Dies ist eine Reaktion auf den seit Jahren andauernden und sich verschärfenden Content Shock.
Dabei entscheiden User*innen nach Kanälen und Content-Formaten. Hierzu gibt es interessante Ergebnisse aus der ARD/ZDF-Onlinestudie 2020:
- 65 Prozent der 14- bis 29-Jährigen nutzen Instagram mindestens einmal in der Woche, Facebook liegt bei 44 Prozent und Snapchat 41 Prozent.
- 98 Prozent der Nutzer*innen in dieser Altersgruppe schauen mindestens einmal wöchentlich Onlinevideos.
- 71 Prozent aller User*innen greifen unterwegs auf das Internet zu, 24 Prozent davon schauen mindestens einmal in der Woche auf Instagram und Facebook vorbei.
- 9 Prozent der Nutzer*innen hören Podcasts, Hörbücher und weiteren Audio-Content mindestens einmal wöchentlich.
Instagram ist der klare Spitzenreiter in puncto Social Media, gefolgt von Facebook und Snapchat. Konsumiert wird mobil, vorzugsweise in Form von Videos. Jeder Zehnte hört Audio-Formate.
So viel zur Faktenlage, aus der Unternehmer*innen jeder Branche schon eine Menge Infos für ihren Lean-Social-Media-Ansatz mitnehmen können. Jetzt geht es darum, aus den allgemeinen Nutzungserkenntnissen eine konkrete Strategie für das eigene Unternehmen zu entwickeln.
Schritt-für-Schritt in Lean Social Media starten
Der folgende Plan lässt sich sowohl für Einsteiger*innen nutzen als auch für Fortgeschrittene, die ihre Social-Media-Strategie verschlanken bzw. optimieren wollen.
1. Ziele festlegen und priorisieren
Unternehmensziele sollten glasklar in der Social-Media-Strategie festgehalten sein, bevor Arbeit und Zeit in einen Kanal gesteckt werden. Die wichtigste Frage lautet deshalb:
Worum geht es uns, wenn wir Social-Media-Kanäle für die Unternehmenskommunikation nutzen?
Dabei unterscheiden sich die verschiedenen Plattformen teils stark voneinander: Bei Facebook etwa können Gruppen genutzt werden, um Community-Building zu betreiben und damit letztlich einen Kundenstamm aufzubauen. LinkedIn und Xing hingegen eignen sich ideal für Recruiting. Und als primär visuell-getriebenes Netzwerk ist Instagram die erste Adresse, um etwa außergewöhnlich designte B2C-Produkte zu vermarkten.
Bedeutsam ist ebenfalls, regelmäßig zu prüfen, ob die gesteckten Ziele auf den diversen Kanälen auch erreicht werden. Mindestens einmal im Quartal sollte man daher folgende Kennzahlen checken:
- Neu gewonnene Fans
- Reaktion/Interaktion
- Leads
- Conversions
Dies sind die entscheidenden KPIs, an denen die Budgetierung und andere Ressourcen wie die Arbeitszeit des eigenen Teams gekoppelt sind.
Anschließend gilt es, die Ziele nach Priorität zu gewichten: Was ist im Augenblick am wichtigsten – fähige Mitarbeiter*innen schnell für den Ausbau des Teams zu gewinnen oder den Absatz anzukurbeln?
2. Personas definieren
Viele Unternehmen arbeiten noch immer mit Zielgruppen. Das ist zu allgemein! Wir erinnern uns an den Content Shock: Publisher*innen müssen personenbezogene Kommunikation betreiben, um ihre Zielgruppen in der Masse an Inhalten zu erreichen. Sowohl große Player wie Microsoft als auch Start-ups setzen deshalb immer mehr auf „One to One“-Marketing.
Um gezielt Kund*innen und potenzielle Mitarbeiter*innen zu erreichen, braucht es Personas: Je besser Unternehmen ihre Kunden verstehen, desto erfolgreicher können sie diese in Social Media auch erreichen.
Für die Erstellung von Personas gibt es kostenlose Vorlagen im Internet. Fragen wie diese helfen bei ihrer Erstellung:
Kund*innen:
- Welche Bedürfnisse hat unser*e ideale*r Kund*in?
- Was braucht er/sie, wo hält er/sie sich online wie offline auf und zu welchem Zweck?
Potenzielle Mitarbeiter*innen:
- Welches Mindset wünschen wir uns von neuen Mitarbeiter*innen?
- Was erwarten junge Fachkräfte von uns – und wollen bzw. können wir das bieten (flexible Arbeitszeiten, hybride Arbeitsmodelle etc.)?
Hier sind ein paar Beispiele für Personas:
- Marie, 29, extrovertiert, arbeitet als Marketingverantwortliche in einem mittelständischen Handwerksbetrieb; nutzt Instagram tagsüber für die Arbeit, um Insights aus dem Berufsalltag zu geben; privat am Abend schaut sie auf dem Tablet zur Entspannung YouTube-DIYs zum Thema Nähen sowie Instagram-Postings ihrer Freunde
- Sandra, 36, zurückhaltend-konzentriert, Personalerin eines Konzerns, der fortlaufend auf der Suche nach talentierten Mitarbeiter*innen ist; sie selbst ist Digital Native und High Perfomerin; ihr steht ein umfangreiches Budget für das Recruiting bei LinkedIn und Xing zur Verfügung; privat hört sie gern Podcasts unterwegs und checkt ihre Mails, beides auf dem Smartphone
- Jürgen, 48, extrovertiert und erfolgsorientiert, Geschäftsführer eines kleinen mittelständischen Unternehmens; sucht nach Apps, die ihm dabei helfen, seinen Tag zu strukturieren und Zeit zu sparen; hört gern Podcasts auf Spotify auf dem Weg zur Arbeit, tauscht sich via Laptop privat über Facebook mit Familie und Freund*innen aus
Die drei oben genannten Personas ließen sich nicht durch Zielgruppen-Analysen ausmachen, da diese zu heterogen sind. Neben Alter, Persönlichkeitsmerkmalen und Motivation sind folgende Angaben hilfreich:
- Wohnort
- Gewohnheiten
- Abneigungen
- Ziele, Wünsche, Bedürfnisse
Je detaillierter eine Persona entwickelt wird, desto besser lässt sich eine maßgeschneiderte und erfolgreiche Social-Media-Strategie entwickeln und umsetzen.
Viele irrelevante Kanäle und inhaltliche Formate fallen so ganz automatisch weg, was die eigenen Aktivitäten in sozialen Netzwerken erheblich verschlankt. So braucht eine Persona, die beispielsweise Facebook kaum nutzt, nicht auf dieser Plattform mit Content bespielt werden.
3. Kanäle ausprobieren und ausbauen
Die Kommunikation auf sozialen Netzwerken ist ein fortlaufendes Experiment, das viel Flexibilität erfordert. Was heute noch Hype oder Trend ist, kann morgen out sein.
War Facebook zum Beispiel vor Jahren noch das Netzwerk für Teenager*innen und junge Leute halten sich dort einer Umfrage zufolge inzwischen eher User*innen mittleren Alters auf. 2014 noch dominierte die Jugend im Alter von 16-19 Jahren bei Facebook mit 92 Prozent, dieser Anteil sank rapide auf 32 Prozent.
Ein Umschwung kann auch plötzlich passieren, wie das Beispiel Snapchat zeigt: Als die App 2016 richtig durchstartete, war sie kurzfristig bei jungen Nutzer*innen beliebter als Instagram.
Kluge Unternehmer*innen reagieren schnell auf solche Entwicklungen und probieren neue Kanäle und Medienformate aus, ohne dabei jedoch die eigenen Personas aus den Augen zu verlieren. Ein Zeitraum von drei bis vier Wochen genügt völlig, um herauszufinden, ob eine neue Social-Media-Plattform tendenziell für das Erreichen der Unternehmensziele geeignet ist.
Zeigt sich die eigene Social-Media-Strategie auf einigen Plattformen bereits erfolgreich, lohnt sich eine Expansion wie bei einer Markterschließung auch proaktiv – wenn es bei Facebook gut läuft, warum nicht Instagram ausprobieren? Erfolgreich in sozialen Netzwerken bleibt schließlich, wer seine Strategie wiederkehrend anpasst und dranbleibt.
4. Auf dem Laufenden halten und Strategie anpassen
Um für Lean Social Media die richtigen Entscheidungen zu treffen, braucht es regelmäßige Weiterbildung. Dazu gehören:
- aktuelle Umfragen und Studien zur Mediennutzung
- Erfahrungen anderer Unternehmer*innen in Social Media
- eigene Recherchen in den sozialen Netzwerken
Beim letzten Punkt geht es darum, die Sichtweise zur Position der Konsument*innen zu wechseln. Facebook, Twitter und Co werden durch die Augen der zuvor erstellten Personas erkundet: Auf welche interessanten Inhalte stoßen sie bei Accounts, Hashtags und in Gruppen? Wovon kann man sich für die eigenen Aktivitäten inspirieren lassen?
Sich regelmäßig auf den neuesten Stand zu bringen, muss und sollte keine Unmengen kostbarer Arbeitsstunden kosten. Pro Woche reicht dafür eine Stunde, die jedoch fester Bestandteil der regelmäßigen To-dos sein sollte.
Fazit: Fokus statt Vielfalt
Viele Tipps im Netz führen in eine Falle: Überall soll man in Social Media als Unternehmer*in aktiv sein, selbstverständlich mit hochwertigem Content und täglichen Postings. Je kleiner eine Firma ist, desto schwieriger dürfte das umzusetzen sein – ehrlicherweise oftmals auch mit unbefriedigenden Ergebnissen wie ausbleibenden Klicks oder stagnierenden Verkäufen.
Statt auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen, empfiehlt es sich daher, maßgeschneidert und schlank auf den Social-Kanälen aktiv zu sein. Jedes Posting folgt idealerweise klaren, messbaren Zielen. Erst wenn diese erreicht werden, lohnt sich ein weiterer Ausbau der Aktivitäten. Die gute Nachricht lautet: Wer so strategisch und zugleich schlank vorgeht, ist auch mit kleinem Budget erfolgreich.
// Über den Autor
Benjamin Brückner ist Journalist, Blogger und Gründer der Online-Plattform Freelance Start. Nach mehrjährigen Tätigkeiten in Hörfunk- und Fernsehredaktionen veröffentlichte er zwei Bücher und arbeitet unter anderem als Redakteur und Newsletter-Teamleiter bei Zielbar. Auf seinem eigenen Blog verfasst er regelmäßig Rezensionen, Lesetipps und Analysen zu gesellschaftlichen Themen. Privat interessiert Benjamin sich für Philosophie, Geschichte, Sport, digitale Entwicklungen und natürlich für kreatives Schreiben. Für den OSK-Blog schreibt Benjamin als Gast-Autor über aktuelle Internettrends, die Digitalisierung und die Medienbranche.