Jeden Tag veröffentlichen Publisher zu viele Inhalte, um sie alle wahrzunehmen. Die überforderten Nutzer reagieren, indem sie Newsletter abbestellen und Kanäle für den Medienkonsum genau selektieren. In der radikalsten Form zeigt sich das am Trend Digital Detox – einem zumindest zeitweisen Verzicht auf moderne Kommunikationstechnologien wie das Smartphone oder Medienangebote wie Websites oder Social Media.
Einfach nur Content zu veröffentlichen, funktioniert schon lange nicht mehr, um dieser Entwicklung entgegenzutreten. Deshalb haben wir bereits 2016 Tipps für Auswege aus dem Content Shock gegeben. Doch was hat sich vier Jahre später verändert? Und wie können Unternehmen ihre Strategie an die aktuelle Lage anpassen? Wir liefern Antworten.
Was hat sich am Content Shock geändert?
Es hat zwei wesentliche Entwicklungen in der Online-Kommunikation gegeben.
Neue beziehungsweise schnell wachsende Plattformen
Innerhalb der letzten Jahre boomten vor allem vier Kanäle:
- Snapchat
- YouTube
- TikTok
Dabei ist nur TikTok wirklich neu: Die App erschien erst 2016 auf der Bildfläche. Dafür war der Aufstieg von TikTok rasant: Inzwischen zählt die Social-Music-App 5,5 Millionen aktive Nutzer allein in Deutschland.
Snapchat gibt es bereits seit 2010 und zählte im Jahr 2016 – als der Content Shock einen Peak erreichte – weltweit 63 Millionen Nutzer. Das ist schon eine stattliche Zahl, im Laufe der Zeit ging aber noch mehr: 2019 waren nach kontinuierlichem Wachstum und Börsengang 210 Millionen Nutzer aktiv – und das trotz des zwischenzeitlichen Schwundes durch die Konkurrenz Instagram, die mit dem Stories-Feature von Snapchat mitgezogen hatte.
Bei Instagram sieht es in Sachen Wachstum jedoch nicht anders aus: 2012, bevor Facebook das Netzwerk kaufte, waren „nur“ 30 Millionen Nutzer angemeldet. Heute besuchen allein über 200 Millionen Besucher Unternehmensprofile.
Auch YouTube wächst rasant: Die Bezeichnung „zweitgrößte Suchmaschine der Welt“ hat sich die Video-Online-Plattform redlich verdient. Und auch Community Building funktioniert über YouTube hervorragend. Die Zahl der Kanäle, die über eine Million Abonnenten haben, ist im Vergleich zum Vorjahr um über 65 Prozent gestiegen.
Bezogen auf diese Zahlen liest es sich so, als hätten sich neue, attraktive Möglichkeiten für Unternehmen ergeben, Content zu veröffentlichen. Das trifft vor allem auf visuelle Inhalte wie Fotos, Grafiken und Videos zu. Doch es gibt eine nicht unwichtige Parallelentwicklung, die den Content Shock leider nicht beendet, sondern verkompliziert.
Content Marketing boomt
Das Wachstum beziehungsweise die Neuentstehung der Netzwerke ist nur eine Seite der Medaille. Zugleich hat ein großer Teil der Unternehmen Content Marketing für sich entdeckt: Im Jahr 2014 fehlte noch 70 Prozent der Marketer eine konsistente, integrierte Content-Strategie. Doch über die Jahre professionalisierten sich die Unternehmen: So sollen bereits ein Jahr später 47 Prozent der Marketer geplant haben, ihr Content-Marketing-Budget innerhalb der darauffolgenden Monate zu erhöhen.
Und wie sieht es 2020 aus? 91 Prozent der Unternehmen nutzen laut einer Studie des Software-Anbieters SEMrush Content Marketing und verbreiten ihre Inhalte über Social Media. Allerdings sind nur 9 Prozent vollauf mit ihrer Strategie zufrieden. In dieser Diskrepanz lässt sich die Ursache für den Content-Frust finden.
Mehr Kanäle, aber auch mehr Publisher
Die genannten Entwicklungen zeigen: Es gibt zwar mehr erfolgreiche Kanäle als noch vor einigen Jahren, aber auch wesentlich mehr professionelle Publisher. Das veranschaulicht bereits die schiere Menge an Blogs, von denen es heute Millionen gibt.
Es existieren also deutlich mehr Publisher, die um die Aufmerksamkeit der User buhlen. Da helfen auch steigende Mitgliederzahlen auf schnell wachsenden Plattformen nicht viel, denn auf mehr Nutzer strömt längst auch mehr Content ein.
3 Tipps für den Umgang mit dem Content Shock
Wie kann man angesichts dieser Masse da noch mithalten? Unsere drei Tipps:
1. Umwege nehmen
Es war schon immer eine schlechte Idee, einfach nur der Masse zu folgen. In der Kommunikation ist das nicht anders: Wer identische oder ähnliche Inhalte wie die Konkurrenz veröffentlicht, braucht sich über wenig bis keine Interaktion nicht zu wundern.
Clever ist, wer abseits der vollgestopften Autobahnen Umwege fährt, die ihn letztlich schneller ans Ziel führen.
Kurzfassung des verlinkten Artikels: Kluge Publisher adressieren mit ihren Inhalten nicht nur den Kunden direkt, sondern Sekundärzielgruppen: die beste Freundin des Wunschkunden oder den Chef zum Beispiel. Wer die Menschen des engsten Umfeldes überzeugt, wird bald Gesprächsthema sein – und zwar dank der Sekundärkontakte, die sich mit dem Kunden über die Marke unterhalten.
2. Fanbase über Touchpoint Management aufbauen
Die wichtigste Aufgabe in der externen Unternehmenskommunikation besteht darin, Fans zu gewinnen. Wer es schafft, seinen Blog und seine Social-Media-Aktivitäten so auf ein Zielpublikum auszurichten, dass eine Bindung entsteht, braucht sich um den Content Shock keine Sorgen zu machen. Denn die loyalen Fans kommen gezielt, gern und regelmäßig zu ihrer Top-Quelle für Informationen zurück.
Wie das gelingt? Über den Prozess des Touchpoint Managements. Mehr denn je müssen Unternehmen ihre Zielgruppe an den passenden Kontakten mit den richtigen Inhalten abholen. Ihre Perfektion findet diese Strategie im One-to-One Marketing: Jeder Nutzer möchte individuell mit passgenauen Inhalten und seiner derzeitigen Fragestellung abgeholt werden.
Das ist technisch wie auch inhaltlich extrem aufwendig. Aber einmal in ein vernünftiges Konzept auf Basis eines genauen Verständnisses der Zielgruppe gegossen, wird sich diese nachhaltige Strategie auf Jahre bezahlt machen. Die Belohnung ist nämlich ein Stamm von Anhängern, der einen engen Bezug zur Marke pflegt.
3. Viel Geduld haben
Content Marketing ist ein Marathon: Unternehmen, ob groß oder klein, sollten sich auf jahrelange Investments vorbereiten, bis sie erste Erträge sehen. Alles andere ist Augenwischerei. Wer noch nie mit professioneller Marken-Kommunikation in Kontakt kam, dem kommt die Online-Blase wie eine bunte Abenteuerwelt vor.
Wir können jederzeit und überall posten. Wie toll!
Schnell folgt jedoch die Ernüchterung:
Wir haben nur zwei Likes für unseren Facebook-Beitrag bekommen? Und es gibt nur eine Kundenanfrage, obwohl wir bereits fünf Blogartikel veröffentlicht haben?
Viele Unternehmer schlagen nach der Anfangseuphorie hart auf dem Boden der Tatsachen auf, wenn die Erfolge ausbleiben. Seriöse Agenturen und Berater machen daher von Anfang an auf den Umfang, die Vielschichtigkeit und die Herausforderungen einer Content-Marketing-Strategie aufmerksam.
Diese ist die notwendige Grundlage für die ebenso notwendige Geduld. Es braucht seine Zeit, das Hindernis Content Shock zu überwinden – als würde man ein Gebirge überqueren müssen. Das gelingt meistens auch nicht an einem Tag. Mit genügend Vorbereitung und Ausdauer ist der Content Shock jedoch wie ein Gebirge auch überwindbar.
Alte und neue Tipps kombinieren
Unsere Tipps von damals haben nichts an Gültigkeit verloren: Nach wie vor müssen Inhalte von Unternehmen qualitativ hoch- und damit nutzwertig für die Zielgruppe sein.
Die erweiterten Möglichkeiten zur Veröffentlichung durch neue Plattformen bieten Chancen, gleichzeitig wird jedoch immer mehr Content ins Netz gepustet. Ein Weg, um diesen Teufelskreis zu verlassen, ist der klare Fokus auf die Primär- und Sekundärzielgruppe – damit aus Nutzern Fans werden. So steigen Unternehmen aus dem Hamsterrad der sinnlosen Content-Produktion aus und schaffen nachhaltige Kundenbeziehungen. Diese zu bilden, ist die wichtigste und effektivste Maßnahme raus aus dem Content Shock.
// Über den Autor
Benjamin Brückner ist Journalist, Blogger und Gründer der Online-Plattform Freelance Start. Nach mehrjährigen Tätigkeiten in Hörfunk- und Fernsehredaktionen veröffentlichte er zwei Bücher und arbeitet unter anderem als Redakteur und Newsletter-Teamleiter bei Zielbar. Auf seinem eigenen Blog verfasst er regelmäßig Rezensionen, Lesetipps und Analysen zu gesellschaftlichen Themen. Privat interessiert Benjamin sich für Philosophie, Geschichte, Sport, digitale Entwicklungen und natürlich für kreatives Schreiben. Für den OSK-Blog schreibt Benjamin als Gast-Autor über aktuelle Internettrends, die Digitalisierung und die Medienbranche.