OSK Weekly KW 25 - Executive-Positionierung LinkedIn - Titel

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Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Zugegeben, die Frage war provokant, vielleicht war sie auch nicht ganz ernst gemeint. Einen Nerv getroffen hat sie dennoch. „Für welchen CEO sind die Leitmedien in Zukunft noch wichtig?“, fragte unlängst ein Wirtschaftsredakteur im Gespräch mit OSK – um gleich darauf hinzuzufügen, warum er befürchte, die bislang immer gut gefüllten Gastbeitragsspalten des Blattes könnten zukünftig leer bleiben: „Die schreiben doch inzwischen lieber auf LinkedIn.“

Die Frage, damals eher in einem Nebensatz hingeworfen, hat uns innehalten lassen – und bildet den Ausgangspunkt für diesen Newsletter. Denn mit der Rolle, die LinkedIn in der modernen PR- und Öffentlichkeitsarbeit spielt, beschäftigen wir uns täglich. Und diese Rolle ist bedeutend, keine Frage. Aber sollte das einstige Karrierenetzwerk den Gastbeitrag tatsächlich vom Thron gestoßen haben? Und wenn die Entscheiderinnen und Vorstandsvorsitzenden der bedeutendsten Unternehmen zunehmend auf LinkedIn veröffentlichen und sich dort positionieren, wie es so schön heißt, worüber sprechen sie dann dort?

Damit befasst sich dieser Newsletter – und eine kurze Einschätzung der Ausgangsfrage gibt es gleich mit dazu. Wie verhält sich der LinkedIn-Longread zum Gastbeitrag in der Tageszeitung? Ist es wirklich zielführender, direkt mit den eigenen Followern auf LinkedIn zu kommunizieren?

Viel Spaß beim Lesen!

Die Antwort auf die erwähnten Fragen ist, wie so oft, ein klares Jein: Wenn es darum geht, Öffentlichkeit für Vorstandsvorsitzende und andere Entscheiderinnen zu (er)schaffen, führt für Kommunikationsprofis kein Weg an LinkedIn vorbei. Wer die Positionen des eigenen Unternehmens einer breiteren Öffentlichkeit erklären will, wer die Auseinandersetzung mit kritischen Journalisten nicht scheut und auf die Wirkung eines Leitmediums setzt, sollte aber auch den klassischen Gastbeitrag nicht als aus der Zeit gefallen abtun.

Vorab ein paar Worte zu den Zahlen

Auch wenn es nach wie vor das beliebteste Netzwerk für die unternehmerische Führungsriege ist: Nicht alle Executives kommunizieren auf LinkedIn. Einer ECCO-Studie zufolge waren 2019 zwar immerhin 58 Prozent der Vorstandschefs der weltweit größten börsennotierten Unternehmen auf LinkedIn aktiv (zum Vergleich: 2017 waren es 41 Prozent), das bedeutet jedoch auch, dass sich weiterhin 42 Prozent bislang von LinkedIn fernhalten – sei es, weil sie den Aufwand scheuen oder weil sich ihre Öffentlichkeitsarbeit eben doch anderswo abspielt. Fakt ist: Es mag so aussehen, als sei die Party schon in vollem Gange, aber einige Gäste müssten dennoch komfortabel in den Räumlichkeiten Platz finden.

Dass es eine große Party sein könnte, zeigt dieser Artikel von Social Media Today, der sich den Q3-2020-Performance-Report des LinkedIn-Mutterkonzerns Microsoft vorgenommen hat. Dem Report zufolge hatte die Plattform im April dieses Jahres 690 Millionen Nutzer. Darunter mögen sich auch Karteileichen befinden – zur Zahl der monatlich aktiven Nutzer schweigt der Report – das Nutzerplus von 65 Millionen in drei Monaten, eine um 26 Prozent angestiegene Verweildauer und die von Microsoft-Chef Satya Nadella angesprochenen „Engagement-Rekordniveaus“ sprechen weiterhin für die Plattform. Im DACH-Raum verzeichnet LinkedIn über 15 Millionen Nutzer.

„Wir freuen uns sehr, dass so viele Fach- und Führungskräfte LinkedIn nutzen, um dort Nachrichten zu veröffentlichen und Diskussionen anzustoßen“, sagt Sara Weber. Die Redaktionsleiterin LinkedIn DACH & Benelux hat uns ihre Einschätzung über das Verhältnis der Plattform zum klassischen Journalismus gegeben: „Wir sehen uns hier keinesfalls als Konkurrenz zu klassischen Medien, sondern als Ergänzung, die es Unternehmen und allen Mitgliedern ermöglicht, ihre eigene Meinung direkt mit ihrem Netzwerk zu teilen. Dafür können sie die unterschiedlichsten Beitragsformen wählen – wie zum Beispiel Text-, Bilder- oder Video-Postings oder auch längere Artikel.“

Und, was sagen andere zu dem Thema?

Wendet man sich mit dieser Frage an Google, haben Führungspersönlichkeiten, die 2020 noch kein gut gepflegtes Profil mit Followern im fünfstelligen Bereich vorweisen können, eigentlich schon verloren. Wer als Chef auf Social Media verzichte – insbesondere auf LinkedIn –, vertue wichtige Chancen, schreibt Ute Schwaner auf W&V und führt aus: „Es ist einfach fahrlässig, gerade beim Thema C-Level-Positionierung den Schwerpunkt auf klassische Medien zu legen.“ Schwaner zufolge biete LinkedIn eine der besten Möglichkeiten, Vertrauen aufzubauen – zur eigenen Belegschaft, aber auch zur Öffentlichkeit. Das sei besonders wichtig in Zeiten, in denen das Vertrauen der Öffentlichkeit in Topmanager nachweislich gesunken sei.

Frank Dopheide, Ex-Geschäftsführer der Verlagsgruppe Handelsblatt, schlägt auf meedia.de in dieselbe Kerbe: Gerade jetzt, in unsicheren Zeiten, müssten Managerinnen und Manager in Deutschland mehr Präsenz zeigen und stärker in die Öffentlichkeit treten, auch in die digitale. Denn: Die mediale Zurückhaltung der Führungskräfte würde der Wirtschaft schaden, indem sie Misstrauen den Boden bereite. Seine Antwort: „Die Empfehlung heißt persönliche Präsenz.“ Schließlich könne man „in Gesichtern besser lesen als in Zeitungen.“ Spielt man Dopheides Argumentation weiter, ist ein gut gepflegtes LinkedIn-Profil heutzutage viel mehr wert als ein Gastbeitrag in einer renommierten Tageszeitung.

Empathie zahlt sich aus

Zumal die Führungskräfte, die in Zeiten von Social Distancing und Ausgangsbeschränkungen ins digitale Rampenlicht getreten seien, davon nur profitiert hätten, schreibt TBWA. Mit einer Mikrostudie zeigt die Werbeagentur, dass die Executives, die sich empathisch und einfühlsam an ihre Belegschaften gewendet hätten, nicht nur mit viel positivem Zuspruch, sondern auch mit Rekord-Engagementraten belohnt worden wären. Ähnliches berichtet Annette Mattgey von W&V: Das Engagement von Executives nahm auf LinkedIn zwischen Februar und April 2020 weltweit um 811 Prozent zu – der populärste Hashtag dabei: #COVID19.

Zurück zur Ausgangsfrage – LinkedIn oder Gastbeitrag? Es kommt darauf an.

Klar ist, dass sich die einstige Karriereplattform immer mehr zum Publishing House entwickelt, auf der auch Executives ihren Gedanken in Form von Artikeln und Beiträgen freien Lauf lassen. LinkedIn macht es ihnen leicht – ermutigt zum Teilen von Artikeln und Beiträgen oder lässt sie in originären Formaten zu Wort kommen, wie zuletzt Levi Strauss & Co. CEO Chip Bergh in der LinkedIn-Videoreihe „Business Unusual“.

Darüber hinaus gibt es noch weitere offensichtliche Gründe, die dafürsprechen, den LinkedIn-Longread einem Gastbeitrag vorzuziehen. Thema und Frequenz obliegen allein dem Autor, der Artikel kann beliebig geteilt und weiterverbreitet werden, LinkedIn bietet eine Übersetzung an, der Dialog mit den Lesern und der eigenen Community wird so spielend einfach gemacht. So far, so obvious.

Es gibt also viele Gründe, die für LinkedIn sprechen. Jeder kann dort gute Texte veröffentlichen. Und damit eröffnet sich auch schon das größte Problem der Plattform: Jeder kann dort gute Texte veröffentlichen. Ein Gastbeitrag kann noch so scharfsinnig, pointiert und inspirierend sein – wird er vom Algorithmus übersehen, hat er schlechte Chancen, von einer breiten Masse gelesen zu werden.

Und hierin liegt dann auch der alles entscheidende Unterschied zum good old Gastbeitrag. Abdruck verleiht Nachdruck. Der oftmals zeitintensive Prozess, der einer Veröffentlichung vorangeht, lohnt sich spätestens dann, wenn die eigene Meinung neben jener der Chefin des Wirtschaftsressorts steht. Renommee statt Reichweite –– die prominente Gesellschaft, in der ein Gastbeitrag erscheint, vermag LinkedIn nicht so schnell zu ersetzen. Aus der alltäglichen PR ist die Plattform trotzdem nicht mehr wegzudenken.

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Über die Autorin

Katalina hat Politik- und Europawissenschaften in Maastricht, Bologna sowie München studiert und sowohl im Journalismus als auch in der Unternehmenskommunikation gearbeitet. Bei OSK leitet Katalina in Doppelspitze die Social-Media-Redaktion. Auf dem Agenturblog schreibt sie über Medien, Apps und soziale Netzwerke. Wenn die Hamburgerin nicht am Schreibtisch sitzt, läuft sie Langstrecken und spielt Basketball.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.