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Liebe Leserinnen und Leser,
das South-by-Southwest-Festival (SXSW) in Austin, Texas, hat in den vergangenen Tagen die internationale Digital- und Kommunikationsszene in seinen Bann gezogen. Bis zum Ende des Kongresses am 20. März werden insgesamt mehr als 80.000 Besucher zu den zahlreichen Vorträgen und Workshops gepilgert sein. Dabei wurde bis spät in der Nacht über die neuesten Entwicklungen diskutiert. Die Daheimgebliebenen wurden mit einem nicht endenden Nachrichten-Strom über digitale Trends, Technologien und Geschäftsmodelle versorgt und hatten einige Mühe, sich aus dieser Menge an News das Wichtigste herauszufiltern.
Für Sie, liebe Leserinnen und Leser, nehmen wir eine Einordnung vor und schildern die Eindrücke, die wir gewonnen haben. Alle Beiträge dieses Newsletters kommen also frisch vom SXSW-Festival.
Wir trafen auch den Journalisten und Digital-Experten Richard Gutjahr. Er beschreibt auf Meedia die Festival-Stimmung und meint, die Nachricht aus Austin ist: Wer stehen bleibt, hat verloren. Das können wir nach unseren eigenen Eindrücken unterschreiben.
Supermodel und Internet-Held – alle sind da
„Vor 30 Jahren waren hier vielleicht 500 Besucher“, erinnert sich Blogger-Koryphäe Robert Scoble. „Heute sind es Tausende.“ Die Besucherzahlen steigen jährlich, es ist ein richtiger Hype um die Messe entstanden. Tagsüber trifft sich die Digitalbranche, abends feiert sie zusammen. Auf einmal ist Supermodel und Instagram-Star Amber Rose unter den Teilnehmern, vorher hat man mit Internet-Legende Guy Kawasaki ein paar Sätze wechseln können.
In den (Fach-)Medien ist die Konferenz omnipräsent. Wer entwickelt die nächste alles verändernde App? Wer hat das coolste Gadget? Die Veranstaltung hat einen ähnlichen Verlauf wie die Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas genommen: beständiges Wachstum, medialer Hype, internationale Aufmerksamkeit, verschwimmende Grenzen zwischen den vertretenen Branchen. 360-Grad-Videos, autonomes Fahren, Virtual Reality sowie Künstliche Intelligenz waren die bestimmenden Themen in diesem Jahr. Vor allem über VR sprach jeder. Im „German Haus“ stand der Icaros. Das ist ein Gestell, auf das sich der Benutzer legt, mit einem Gear-VR-Headset vor dem Gesicht. Die Datenbrille vermittelt den Eindruck, wie ein Vogel über eine virtuelle Landschaft zu fliegen.
Als Besucher des SXSW kann man kaum zehn Schritte tun, ohne über das nächste spannende Panel, das nächste aufregende Thema zu stolpern. Die ganze Stadt ist ein pulsierender Kessel der Kreativität. Innovationsgeist in Reinform. Wir sind begeistert – und im kommenden Jahr gerne wieder dabei.
Schaulaufen der Start-ups: Diese 6 Neugründungen entzücken auf der SXSW
Unzählige Start-ups hoffen, das SXSW für den initialen Launch oder die großangelegte US-Expansion nutzen zu können. Spezielle Formate wie das Start-up Spotlight, eine Art Mini-Expo für Neugründungen, oder die Pitch-Wettbewerbe „ReleaseIt at SXSW“ und „SXSW Accelerator“ bieten reichlich Platz auch für Gründer. t3n hat eine Liste der sechs spannendsten Start-ups der diesjährigen Konferenz zusammengestellt. In der Aufzählung findet man unter anderem eine Drohne mit Virtual-Reality-Power, eine Hightech-Schlafmaske, die den Schlaf von Nutzern biometrisch messen und nachhaltig verbessern soll, sowie einen Online-Dienst, der Verträge automatisch auf kritische Passagen prüft.
„Die Angst der Nerds um ihre Arbeit“
Dass Computer theoretisch viele Aufgaben übernehmen könnten, die auch Menschen erledigen, ist nichts Neues. Dass sich allerdings auch die aktuell boomende Fachwelt der IT um ihre Jobs sorgt, schon eher. In ihrem Artikel auf FAZ.net beschreiben Roland Lindner und Patrick Bernau „die Angst der Nerds um ihre Arbeit“. Denn obwohl laut Stanford-Professor Jerry Kaplan von der Silicon-Valley-Universität die künstliche Intelligenz auf absehbare Zeit nicht die menschliche ersetzen wird, herrscht bei den „Vorreitern der Digitalisierung“ Verunsicherung. Während ein Großteil der Amerikaner den eigenen Job für nicht gefährdet hält, machen sich IT-Angestellte auf der SXSW Gedanken über die Zukunftsfähigkeit des eigenen Berufsstands.
Die IT-Branche setzt sich selbstkritisch mit der Zukunft der eigenen Arbeit auseinander. Dass sie dabei gleichzeitig nicht in Panik verfällt und den sinnvollen Fortschritt verteufelt, zeigt, wie Wissen dazu beitragen kann, sich auf sachlicher Ebene mit einer Thematik auseinanderzusetzen. Daumen hoch für so viel Selbstreflexion!
Investitionskultur: „Die Amerikaner sind einfach schneller“
Kaum ein anderes Thema ist auf dem South by Southwest so präsent wie Virtual Reality. Am Beispiel der neuen Technologie erklärt Bastian Henrichs auf Welt.de, wie sich die amerikanische Investitionskultur von der hiesigen unterscheidet. Start-up-Gründer Nicolas Chibac aus Hamburg plant, mit seiner Drohne inklusive integriertem 360-Grad-Kamerasystem den Virtual-Reality-Markt aufzumischen. Sein Start-up SpiceVR wurde als eines von nur 48 Start-ups weltweit zum SXSW eingeladen. Auf die Frage, warum der deutsche Erfinder sein Glück bei der Suche nach Investoren in Texas zu finden hofft, statt vor der eigenen Haustür, liefert Chibac eine ebenso banale wie einleuchtende Antwort: „Der deutsche Markt ist zwar interessant“, sagt er. „Aber die Amerikaner sind einfach schneller dabei.“ In den USA wurden 2015 etwa 58 Milliarden Dollar Risikokapital investiert, in ganz Europa war es nur ein Bruchteil davon, schreibt Henrichs. Und belegt damit, dass sich die deutsche Skepsis und Zurückhaltung bei neuen Technologien wie Virtual Reality auch in Zahlen messen lässt.
Die Kurzsichtigkeit des Silicon Valley
Wer auf der South by Southwest Reden oder Panels besucht und sich in diversen Tech-Talks mit Gleichgesinnten vernetzt, bewegt sich in einer Blase. Dass es neben der Filter-Bubble der innovationsgetriebenen Tech-Industrie auch noch eine andere Welt gibt, zeigt Hakan Tanriverdi mit seinem Artikel zur Eröffnungsrede der SXSW. Gehalten hat sie Casey Gerald. Der 30-Jährige reiht sich nicht in die Riege der Tech-Helden ein, die sich selbst gerne „als Marke bezeichnen und entsprechend werbend auftreten.“ Das ist deshalb so besonders, weil er damit ein Zeichen setzt, findet Tanriverdi: Noch vor Barack Obama hält Gerald die erste große Rede – und startet einen Weckruf. Denn er spricht Themen an, die im Silicon Valley nicht auf der Agenda stehen. Die IT-Industrie picke sich Probleme raus, die sie lösen wolle, so der Unterton von Geralds Rede. Ganz konkret fragt er: „Wie kann es sein, dass wir Glasfaserkabel verlegen können, aber keine Wasserleitungen?“
Wir finden es bemerkenswert, dass man Casey Gerald mit der ersten großen Rede der Messe derart prominent im Line-up platziert hat. Das zeigt, dass sich einige Köpfe der Branche sehr wohl Gedanken darüber machen, wie Tech-Unternehmen die Welt verbessern können. Und inwieweit sie durch ihren gesellschaftlichen Status vielleicht sogar moralisch dazu verpflichtet sind. Einem so selbstkritischen Thema bei der SXSW ein so großes Forum zu bieten, erfordert Mut und Fingerspitzengefühl. Alles richtig gemacht.
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