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Porträt Simon Schnetzer_400x400_mitCreditAls Jugendforscher hat Simon Schnetzer zahlreiche Interviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zum Thema Online-Kommunikation geführt. Für diesen Zweck initiierte er das Jugendforschungsprojekt „Junge Deutsche“, das sich auf das Verständnis der Lebens- und Arbeitswelten junger Menschen konzentriert. Schnetzer ist Experte für die Digitalisierung der Gesellschaft und ein wachsamer Beobachter des Netzes. Im Interview mit OSK gibt der Unternehmer, Speaker und Trainer Einblicke in die Generation Snapchat und ihre Beweggründe für die Nutzung der angesagten App.

Welche Eigenschaften machen Snapchat für die jüngere Generation so beliebt?

Wenn man fragt: „Warum nutzt du Snapchat?“, lautet die Antwort oft: “Weil alle es nutzen” bzw.: “Ganz viele meiner Freunde nutzen das”. Ein großer Teil der User verwendet Snapchat, um auf dem Laufenden zu bleiben. Das wird umso relevanter, wenn die Freunde aus der Schule raus sind und sich in Deutschland und der Welt verteilen. Man ist zwar nicht mehr am selben Ort, will aber trotzdem noch das Verbundenheitsgefühl haben.

Gerade die sehr jungen Nutzer legen auch großen Wert auf die Foto-Filter. Die Fotos werden dann mit Text versehen und mit WhatsApp versendet. Sie benutzen Snapchat dann also nicht als soziales Netzwerk, sondern als Foto-Tool.

Lenses_Hearts_Snapchat_Simon Schnetzer

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Was ist Ihre persönliche Meinung zur App? Nutzen Sie diese auch privat?

Ich bin dort nicht aktiv, habe aber sehr viele Gespräche mit jungen Leuten über die App geführt. Es ging darum, ein Gefühl für Snapchat zu bekommen. Spannend ist, dass viele der jungen Nutzer nicht glauben, dass sie die App in drei bis fünf Jahren noch nutzen werden. Die überwiegende Meinung ist, dass die App an Bedeutung abnimmt. Dadurch, dass Inhalte verschwinden, behält die Zeit, die ich in Snapchat investiere, keinen bleibenden Wert. Ich baue mir nichts auf, nur Follower, solange ich bereit bin, diese ständig bei Laune zu halten.

Inhalte auf Snapchat verschwinden zumindest vordergründig. Warum glauben Sie, ist dieser Punkt so essenziell?

Für die einen macht es ganz klar den Reiz aus, Sachen posten zu können, die nicht für immer dableiben. Es senkt die Schwelle, bestimmte Sachen zu veröffentlichen. Mittlerweile kann man sich auch über neue Screenshots informieren lassen.

Doch nicht alle finden diese Funktion wichtig, da es für viele Nutzer ein privater Raum bleibt, in dem sie nur mit ihren engsten Freunden Inhalte teilen. Deswegen könnten in diesem Fall die Inhalte drinbleiben. Wenn eine Plattform eine kritische Masse erreicht hat, also sehr viele Freunde dort sind, geht man deshalb zu dieser Plattform und nicht der Funktion verschwindender Inhalte wegen. Deswegen bleiben die Nutzer auch dann treu, wenn Instagram dieselbe Funktion anbietet.

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Wie hat sich die Kommunikation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im digitalen Zeitalter verändert bzw. hat sie das überhaupt?

Auf jeden Fall. Junge Leute sind traurig darüber, wie wenig noch richtig kommuniziert wird. In einer Klasse von 30 Leuten sind nach Angaben der Jugendlichen bestimmt fünf, sechs, sieben Handysüchtige dabei. Es findet weniger reale Kommunikation statt und die, die stattfindet, ist selten von 100-prozentiger Aufmerksamkeit geprägt, weil das Smartphone immer dabei ist.

Viele finden es unhöflich den Freunden und Followern gegenüber, wenn man nicht sofort auf deren Nachrichten reagiert. Deswegen ist die Push-Funktion immer eingestellt. Dieses Verhalten ist nicht exklusiv für die junge Generation, weil diese neuen Technologien in der Gesellschaft eine verbreitete Nutzung erreicht haben, aber durch sie ist es Mainstream geworden.

Durch diese Kommunikation ist das Miteinander unverbindlicher geworden, mit weniger Aufmerksamkeit im Moment, in der Anwesenheit. Gleichzeitig bringt es natürlich den Reiz der permanenten Vernetzung mit „allen“. Ein vordergründiges Gemeinschaftsgefühl, das aber nicht so stark trägt – es kann ein In-den-Arm-nehmen nicht ersetzen.

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Jugendliche folgen bei Snapchat auch ihren Idolen und sind für Botschaften, zum Beispiel durch Marken, entsprechend empfänglich. Ist das ein Problem aus Ihrer Sicht?

Man folgt auf Snapchat tatsächlich gern Idolen wie zum Beispiel Bloggern, die bei den Top-Events dabei sind. Das ist cool auf Snapchat. Über diesen Kanal kann man natürlich auch Marken einfließen lassen, genauso wie mit Instagrammern, die Markenbotschaften an ihre Follower kommunizieren. Das Folgen von Marken nehme ich stärker bei Instagram wahr. Der Wunsch, sich mit dem Bilder-Netzwerk zu verknüpfen, ist vorhanden. Bei Instagram ist dieser Drang jedoch relevanter.

Jungen Nutzern ist sehr bewusst, wenn Leute werben. Sie finden es cool, wenn gute Schuhe oder Klamotten inszeniert werden. Wer es hingegen übertreibt, disqualifiziert sich selbst. Aber in einem gewissen Maße ist es genau das, was die Nutzer sehen wollen.

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Aktuell wird Instagram-Stories als starkes Konkurrenzprodukt viel diskutiert. Glauben Sie, dass die Nutzer Snapchat dennoch treu bleiben werden?

Ja und nein. Für die nächsten ein bis zwei Jahre sehe ich da keine Probleme. Solange man das Gefühl hat, dass alle da sind, bleibt man treu. Die Funktion allein sorgt nicht dafür, dass User ihre Netzwerke wechseln.

Das Konzept von Stories bzw. Snapchat-Posts ist relativ neu. Ich glaube, dass sich das noch weiterentwickelt. Das hat am Anfang einen Reiz, man wird erwachsen damit, und dann bildet sich die Frage: „Was ist der Kern dieser Funktion, wo ist die Langfristigkeit?“ Da bewegt sich Instagram auf einem nachhaltigeren Pfad. Wenn diese Funktion bei Snapchat ausgedient hat, was ist diese App dann? Wenn sie ein Jugendphänomen bleibt, ist sie sowieso sehr leicht austauschbar. Selbst junge Leute verstehen Snapchat nicht einfach intuitiv, weswegen es mich wundert, dass diese App so verbreitet ist. Aber nur, weil so viele Menschen Snapchat auf dem Handy haben, heißt es nicht, dass es auch ebenso viele aktiv nutzen. Letztendlich sorgt die Tatsache, ob ich für mich persönlich relevante Infos bekomme, dafür, ob ich einer Plattform treu bleibe oder nicht.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

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