Günter Bentele, Dr. phil. habil., ist emeritierter Professor für Öffentlichkeitsarbeit/PR am Institut für Kommunikations- und Medien-wissenschaft der Universität Leipzig. Von 1989 bis 1994 war er Professor für Kommunikations-wissenschaft mit Schwerpunkt Journalistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Von 1994 bis zu seiner Emeritierung im Herbst 2014 war er Inhaber des ersten Lehrstuhls für Öffentlichkeitsarbeit/PR im deutschsprachigen Raum an der Universität Leipzig.
Professor (em.) Günter Bentele
Webseite: PR-Museum
Anmerkung von Professor (em.) Günter Bentele: “Lassen Sie mich bitte vorab anmerken, dass ich kein PR-Praktiker bin (obwohl ich auch viel praktiziere und berate), sondern PR-Wissenschaftler, von daher sind manche der Fragen nicht ganz passend.”
1. Welchen Stellenwert hat die PR in Ihrem Unternehmen/Ihrer Organisation heute – und künftig?
Der Stellenwert von PR in Unternehmen oder anderen Organisationen in Deutschland hat innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren und ist heute als sehr hoch einzuschätzen. Public Relations, Unternehmenskommunikation, Kommunikationsmanagement – die Begriffe sind unterschiedlich – können dabei schon lange nicht mehr auf Pressearbeit reduziert werden.
Die Kommunikation mit Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen (Interne Kommunikation), den Kunden (Marktkommunikation, Marketing, Werbung), mit den Medien und die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit (Pressearbeit) mit der Politik (Lobbying), den Eigentümern und Anteilseignern (Finanzkommunikation) gehören heute bei Unternehmen ab einer bestimmten Größenordnung zur Grundausstattung und sind nicht mehr wegzudenkende Bestandteile der Unternehmenskommunikation. Die Kommunikation mit anderen Stakeholdergruppen (zum Beispiel Anrainer, Konkurrenten, Wissenschaft, NGOs etc.) kommt je nach Organisationsgröße und -typ hinzu. Die Situationen (etwa Krisen) und die Kanäle (Print, TV, Online, Social Media) haben sich ausdifferenziert, spezialisierte Kommunikationsprogramme und mehr Kommunikationsspezialisten in den Organisationen waren die Folge.
Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Organisationen kommunizieren sollen oder nicht, sondern wie professionell, wie strategisch, wie dialogisch und wie erfolgreich sie kommunizieren.
Die Frage ist schon lange nicht mehr, ob Organisationen kommunizieren sollen oder nicht, sondern wie professionell, wie strategisch, wie dialogisch und wie erfolgreich sie kommunizieren. Dass Organisations- und Unternehmenskommunikation heute nicht nur strategisch geplant und umgesetzt, sondern dass die Kommunikationserfolge auch besser gemessen werden, ist nicht überall, aber vielfach selbstverständlich. Dass die Qualität von Organisations- und Unternehmenskommunikation nicht nur deren Reputation mitbestimmt, sondern auch die Wertschöpfung von Unternehmen mit beeinflusst, steht außer Frage.
In den nächsten zehn Jahren wird die Relevanz von Organisations-/Unternehmenskommunikation wohl weiter zunehmen und professionalisiert werden müssen. Dies sagen zumindest die meisten Studien und Selbstaussagen aus den Organisationen. Dass diese Entwicklung auch mit einer Professionalisierung der Ausbildung für Kommunikationsberufe, der Entwicklung der Forschung zu Organisations- und Unternehmenskommunikation und der Entwicklung organisationsethischer Regeln einhergehen muss, steht für mich außer Frage. Glaubwürdigkeit von und Vertrauen in Organisationen ist eine der wichtigsten Ressourcen, die diese haben und ohne die auch ökonomische Erfolge auf lange Sicht nicht gelingen können.
2. Welche Stärken hat die PR? Wie kann sie ihre Position künftig weiter ausbauen? Was sind die großen PR-Trends und welche werden sich durchsetzen?
PR ist für Organisationen aller Art ab einer bestimmten Größenordnung unabdingbar, weil sie die Kommunikationsbeziehungen mit allen Stakeholdern organisiert, ob das Kunden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Politik, die Medien und die große Öffentlichkeit, Aktionäre oder andere sind. Das ist ihre Stärke. Marketing ist für die Beziehung zu aktuellen und potenziellen Kunden verantwortlich. Die sind sehr wichtig, aber nur eine Stakeholdergruppe. Die großen (sieben) PR-Trends aus der Sicht nicht einer einzelnen Organisation, sondern des gesamten Berufsfeldes sind:
- quantitative Vergrößerung des Berufsfeldes (längst gibt es zum Beispiel mehr PR-Praktikerinnen und -Praktiker als Journalisten in Deutschland; das war vor 20 Jahren noch umgekehrt);
- Relevanzsteigerung der Kommunikation für Organisationen im Außenverhältnis, aber auch intern;
- Ausdifferenzierung und Spezialisierung des Berufsfeldes;
- Feminisierung des Berufsfeldes (der Frauenanteil im Berufsfeld liegt derzeit in Deutschland schon bei 60 Prozent, bei den jüngeren Altersgruppen noch deutlich höher, wird also weiter steigen);
- Akademisierung (immer mehr Absolventinnen und Absolventen von einschlägigen Studiengängen (Quereinsteigeranteil nimmt ab);
- Internationalisierung und
- Digitalisierung (dieser gesellschaftliche Megatrend hat die meisten Änderungen für den Einzelnen innerhalb der letzten 5 fünf Jahre zur Folge gehabt).
3. Spielen Daten, Algorithmen und künstliche Intelligenz bereits eine Rolle in Ihrer täglichen PR- und Kommunikationsarbeit?
Ja, sie spielen eine immer größere Rolle; dennoch bleibt menschliche Kommunikation grundlegend.
Nach unserer erfolgreichen Serie #ZukunftDesJournalismus, die sich mit dem Medienwandel und den damit verbundenen Veränderungen für den Journalismus beschäftigt hat, werfen wir nun einen Blick auf die PR-Arbeit von morgen. Wie schon bei der #ZukunftDesJournalismus, werden wir die spannendsten Folgen unserer Blog-Reihe auch wieder in einem Buch veröffentlichen.
Worauf wird es dabei ankommen? Was sind die großen Trends? Gemeinsam mit Profis und Entscheidern der PR- und Kommunikationsbranche wollen wir diese Fragen beantworten. Das Prinzip ist immer das gleiche: sieben Fragen, sieben Antworten von PR-Experten aus den unterschiedlichsten Branchen und Bereichen. Stück für Stück entsteht so ein Bild, das interessante Aussagen zu entscheidenden Entwicklungen von morgen und übermorgen ermöglicht.
4. Welchen Stellenwert haben die etablierten Medienmarken im Vergleich zu den neuen? Sind die Newcomer für Ihre PR-Arbeit bereits wichtiger als die Platzhirsche?
Die „alten“ Medien gehen quantitativ zurück zugunsten der sozialen Medien, werden aber noch sehr lange Relevanz behalten.
5. Stichwort Content Marketing: Immer mehr Unternehmen sind inzwischen selbst zu Publishern geworden und bauen eigene Kanäle weiter auf/aus. Trifft das auch für Ihr Unternehmen/Ihre Organisation zu? Und falls ja, hat die PR oder das Marketing dabei den Lead?
Organisationseigene Medien, ob Papier oder digital, sind alt (die ersten „Werkzeitschriften“ und „Fabrikzeitungen“ gab es in Industriebetrieben schon vor 1890), haben aber seit den 1990er-Jahren einen steilen Aufschwung erlebt, sie werden auch weiterhin wachsen.
6. Was kann Marketing von PR lernen und wo kann PR sich eine Scheibe vom Marketing abschneiden?
PR kann vom Marketing noch lernen, wie man Erfolge und Wirkungen besser misst.
Marketing kann und muss von PR lernen, wie Öffentlichkeit(en) funktioniert und funktionieren, überhaupt wie Kommunikation funktioniert. PR kann vom Marketing noch lernen, wie man Erfolge und Wirkungen besser misst, wie man die Wertschöpfung von Kommunikation konkret ausdrückt und ins Management einbringt.
7. Bitte nennen Sie Ihr aktuelles (Lieblings-)beispiel für kluge, effektvolle und moderne PR (Strategie, Maßnahme, Person), das nicht von/aus Ihrem Unternehmen stammt.
Ich habe kein „Lieblingsbeispiel“, es gibt aber (das zeigen viele Preisverleihungen) genügend Beispiele für exzellente PR und für exzellentes Kommunikationsmanagement.