Sebastian Riehle - Tipps Facebook Messenger für Unternehmen Titel

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  • Als „Socialmedia Doktor“ gibt Sebastian Riehle Tipps für die Kommunikation in sozialen Netzwerken. Seit einiger Zeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Facebook Messenger.
  • Der Facebook Messenger ist seiner Meinung nach ein sehr schneller und persönlicher Dialog-Kanal. Er hilft dabei, Antworten vom Nutzer zu bekommen und Daten zu sammeln, um anschließend personalisierte Erfahrungen zu ermöglichen.
  • Auch wenn der Messenger in vielen Kommunikationsbelangen unterstützen kann, rät Riehle von einer kompletten Automatisierung ab. “Beendet wird die Kommunikation von einem Menschen.”
  • Bevor Firmen den Messenger einsetzen, müssen sie sich mit den Nutzungsvoraussetzungen bezüglich der DSGVO auseinandersetzen. So benötigen sie zum Beispiel eine Einwilligung des Nutzers zur Datenverarbeitung.
  • Spannend findet Riehle die Möglichkeit, im Messenger nicht nur Text, Bild und Links auszuspielen, sondern auch Audio und Video. “Denn dadurch haben Unternehmen die Chance, Persönlichkeiten zu transportieren und der Marke ein Gesicht zu geben.”

 

Als „Socialmedia Doktor“ berät Sebastian Riehle Unternehmen bei ihrer Kommunikation in sozialen Netzwerken. Auf seiner gleichnamigen Website stellt er Tipps, Strategien und Online-Kurse zu Facebook und Co zur Verfügung. Dabei schaut Riehle wie ein klassischer Arzt, wo genau der Schuh drückt. In seiner „Messenger Marketing Therapie“ erstellt sein Praxis-Bot eine Anamnese, um erste Therapievorschläge zu unterbreiten. Weiter geht es mit Webinaren, Videos und persönlicher Beratung im „Sprechzimmer“. Dabei verbindet der diplomierte Tourismus-Manager seine langjährige Blogerfahrung mit Humor und Know-how. Seine aktuelle Diagnose: Der Facebook Messenger kann viele Prozesse sinnvoll automatisieren und so den Dialog mit Kunden verbessern. Im Interview erklärt Riehle, wie Unternehmen den Messenger gezielt einsetzen.

Sebastian, im Netz trittst du als Socialmedia Doktor auf, das ist dein Alter Ego. Erzähl uns doch mal bitte ein bisschen was dazu.

Den ,,Socialmedia Doktor‘‘ inklusive Blog und Social-Media-Kanälen habe ich 2013 ins Leben gerufen. Der Ansatz war, Unterhaltung und Information zu verbinden, um die eher theoretische Materie „Kommunikation“ aufzulockern. Die Analogien zwischen Medizin und Marketing finde ich amüsant. Wenn ich Begriffe wie Anamnese oder Therapieplan auf den Kommunikationsbereich übertrage, hilft es den Lesern, Sachverhalte schneller zu verstehen. Natürlich bin ich kein echter Doktor. Der Doktor ist mein virtueller Avatar als Comic, Lego-Figur und als Chatbot.

Sebastian Riehle - Tipps Facebook Messenger für Unternehmen Porträt

Bildquelle: Sebastian Riehle / Socialmedia Doktor
Einer deiner Schwerpunkte ist der Facebook Messenger. Wie kann ich ihn als Unternehmen für meine Kommunikation nutzen?  

Die Leute teilen nicht mehr alles öffentlich auf ihren Social-Media-Profilen, sondern eher per E-Mail oder eben in Messengern wie WhatsApp und dem Facebook Messenger. Der Trend geht hin zur privaten Kommunikation, worin viel Potenzial steckt. Weltweit kommt ein Großteil des mobilen Webseiten-Traffics über Messenger-Kanäle. Unternehmen ist das oft nicht bewusst.

Wie können Unternehmen den Facebook Messenger einsetzen?

Der Facebook Messenger ist ein sehr schneller und persönlicher Dialog-Kanal. Er hilft dabei, Antworten vom Nutzer zu bekommen und Daten zu sammeln, um anschließend personalisierte Erfahrungen zu ermöglichen. Ich kann Nutzer entlang der Customer Journey begleiten und mit relevanten Inhalten versorgen. Dabei sind die Bedürfnisse der User unterschiedlich: Der eine braucht grundlegende Infos zum Unternehmen, der andere möchte hingegen etwas zu einem Produkt erfahren oder einen Termin vereinbaren.

Würdest du zur kompletten Automatisierung raten?

Wir alle benutzen automatisierte Anrufbeantworter, um uns das Leben einfacher zu machen und Routineprozesse zu automatisieren. Der Messenger ist da keine Ausnahme. Er kann zum Beispiel antworten, wenn eine Anfrage außerhalb der Geschäftszeiten reinkommt. Dann wird der Nutzer darauf hingewiesen, dass sich ein Mitarbeiter während der Arbeitszeiten bei ihm meldet. Beendet wird die Kommunikation aber von einem Menschen. Grundsätzlich rate ich nicht zur kompletten Automatisierung. Nur Prozesse, für welche nicht zwingend menschliche Einflussnahme benötigt wird, eignen sich dafür. In der Theorie können mit einem Chatbot alle möglichen Szenarien vorprogrammiert werden, um einen möglichst hohen Grad an Automatisierung zu erreichen. Doch bei einer Automatisierung aller denkbaren Wendungen in einem Gesprächsverlauf stimmt irgendwann das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht mehr.

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Du sagtest, der Messenger sammelt Daten. Ein Problem im Zuge der DSGVO? Darf ich ihn noch nutzen?

Facebook ist dem Privacy-Shield-Abkommen beigetreten und darf daher als US-Anbieter regelkonform Daten europäischer Nutzer verarbeiten. Bei Chatbots kommen Drittanbieter ins Spiel, die nicht zu Facebook gehören, aber auf die Plattform-Technologie und -Schnittstellen zugreifen. Mit europäischen Anbietern können Unternehmen einen Vertrag zur Auftragsverarbeitung abschließen. Kommt der Chatbot-Dienst aus den USA und ist dem Privacy-Shield-Abkommen nicht beigetreten, muss man den Datenschutz vorab in einem konkreten Vertrag regeln. Abschließend müssen diese Prozesse noch in das sogenannte Verarbeitungsverzeichnis und in die Datenschutzerklärung auf der eigenen Website aufgenommen werden.

Muss ein Nutzer der Kontaktaufnahme via Messenger vorab zustimmen?

Seiten können Facebook-Nutzer erst anschreiben, nachdem diese von sich aus eine Unterhaltung gestartet haben. Damit haben wir bereits die erste Zustimmung. Nach DSGVO reicht das jedoch nicht aus, um dem Nutzer fortan regelmäßig Nachrichten zu senden. Sobald ein Nutzer schreibt, müssten ihm Unternehmen als Erstes die rechtlichen Informationen präsentieren und sich die Einwilligung zur Datenverarbeitung einholen. Denn alles, was der Nutzer im Messenger sendet, wird auf Facebook-Servern verarbeitet. Der Hinweis darauf kann durch einen Link auf die Datenschutzerklärung erfolgen. Für Messenger-Newsletter und Auto-Responder-Kampagnen ist eine weitere explizite Einwilligung des Nutzers nötig.

Welche Formate funktionieren deiner Erfahrung nach gut?

Spannend finde ich, dass man im Messenger nicht nur Text, Bild und Links ausspielen kann, sondern auch Audio und Video. Denn dadurch haben Unternehmen die Chance, Persönlichkeiten zu transportieren und der Marke ein Gesicht zu geben. Zwar hat man mit höchstens 25 MB nicht unendlich viel Platz, sodass man sich kurzfassen muss, aber für guten, zielgerichteten Content reicht das. Darin sehe ich viel Potenzial, um als Unternehmen einen direkteren Draht zu den Nutzern aufzubauen als nur mit einem abstrakten Markenlogo.

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Wie starte ich als Unternehmen mit Messenger-Kommunikation per Chatbot?

Ich rate dazu, als Erstes eine Nachrichtenabfolge zu skizzieren. Diese Skizze zeigt den Weg, den der User gehen soll. Ich stelle ihm eine Frage und gebe ihm zum Beispiel zwei Antwortmöglichkeiten: „Ja“ und „Nein“. Was soll passieren, wenn er etwa auf „Ja“ klickt? Eine Visualisierung als Baumdiagramm hilft zu definieren, wo der Nutzer hingeführt werden soll und welche Schritte dabei zu gehen sind.

Als Nächstes benötigt man einen Chatbot Builder. Dabei handelt es sich um Software von Drittanbietern, von denen es einige auf dem Markt gibt. Deswegen sollte für die Auswahl des richtigen Anbieters genügend Zeit eingeplant werden. Denn sobald ein Chatbot eingerichtet und mit der Facebook-Seite verknüpft ist, gestaltet sich der Wechsel auf ein anderes System mitunter schwierig.

Was gibt es ansonsten zu beachten?

Die 24-Stunden-Regel von Facebook besagt, dass ein Nutzer mit einem Unternehmen interagieren muss, bevor er über den Messenger Werbung zugesendet bekommen darf. Ich stelle dem Nutzer also zunächst eine Frage per Newsletter. Erst wenn er darauf antwortet, dürfte ich ihm in den darauffolgenden 24 Stunden werbliche Inhalte senden.

Falls der Nutzer eine Woche nichts von mir gehört hat, kann ich ihm nicht senden: „Hallo Martin, kauf mein Produkt!“ Erlaubt wäre hingegen die Nachricht: „Hallo Martin, interessierst du dich weiterhin für Messenger Bots?“ Klickt er auf „Ja“, dürfte ich ihm beispielsweise ein Angebot für ein Chatbot-Seminar schicken. Werbung ist für Facebook übrigens alles, was auf eine Seite außerhalb des Netzwerks führt. Dabei ist es egal, ob auf der dementsprechenden Seite tatsächlich werblicher Inhalt zu finden ist.

Das würde dann ja auch für Pressemitteilungen gelten, wenn sie auf eine externe Website verweisen?

Ja, solch eine Pressemitteilung zählt auch als Werbung. Facebook guckt sich nicht jede Nachricht im Detail an. Aber sollte eine Handvoll Empfänger eine Seite in kurzem Abstand melden, weil sich das Unternehmen wie ein Spammer verhält, prüft ein Facebook-Mitarbeiter ziemlich sicher die Inhalte. Im schlimmsten Fall wird deine Seite für 24 Stunden gesperrt. Das ist ein Warnschuss. Wenn man dann trotzdem so weitermacht, kann die Seite sogar komplett gesperrt werden. Wenn die Nutzer vorab transparent darauf aufmerksam gemacht werden, was sie von diesem Service erwarten können, und man die Möglichkeiten zur Abmeldung nicht versteckt, sollte es aber kaum Beschwerden geben.

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Wie baut man eine Messenger Community auf?

Für den Messenger gilt das Gleiche, was wir seit Jahren für Facebook-Seiten predigen: Man muss regelmäßig da sein und sich zeigen. Publisher müssen prüfen, was die Nutzer brauchen, und ihnen Problemlösungen anbieten. Und jeder User kann eine individuelle Lösung zur Verfügung gestellt bekommen. Denn man weiß, dass ein bestimmter Fan sich für Thema A interessiert, nicht für Thema B. Daher bekommt er natürlich nur dazu Infos. Das ist nicht schwer einzustellen und lässt sich automatisieren. Und ist zielgerichteter als bei Fanpages.

Im Anschluss müssen wir dieser Person helfen, Fortschritte zu machen, sei es privat oder auf die Arbeit bezogen. Dadurch zeigen wir Expertise auf unserem Fachgebiet und bauen wertvolles Vertrauen auf. Das spricht sich auf lange Sicht rum.

Wir dürfen aber niemandem vormachen, mit einem Menschen zu sprechen, wenn er in Wahrheit mit einem Bot chattet.

Wie landet ein neuer User in der Datenbank?

Mithilfe von Markierungen, sogenannten Tags. Moderne E-Mail-Marketing-Systeme arbeiten ebenfalls damit. Willigt ein Nutzer in unseren Newsletter-Service ein, wird er mit einem Tag markiert. Zum Beispiel fragt man im Chat: „Möchtest du regelmäßig über Neuigkeiten und unsere Angebote informiert werden?“ Dann gebe ich ein „Ja“ oder „Nein“ zur Auswahl. Sobald der Button mit „Ja“ angeklickt wird, bekommt derjenige eine Markierung „Newsletter“. Man schreibt am Ende nur Leute mit der entsprechenden Markierung an.

Welche Tools empfiehlst du zu Testzwecken?

Die weltweit größten Chatbot Builder für den Messenger heißen Manychat und Chatfuel. Eine deutsche Alternative ist zum Beispiel Chatbo, eine Kopie von Manychat auf Deutsch mit ungefähr 80 Prozent Funktionsumfang. Unternehmen wie WhatsBroadcast oder instantKOM können nicht nur den Facebook Messenger, sondern auch WhatsApp automatisieren. Sie sind jedoch preisintensiver und damit eher für größere Unternehmen geeignet. All diese Tools haben kostenfreie Testversionen. Auch können Unternehmen die angesprochenen Nachrichtenabfolgen zunächst in einer Testumgebung erstellen, ohne sie direkt zu veröffentlichen. Im Zweifelsfall kann auch erst einmal über eine andere Facebook-Seite geübt werden, die nur zu Testzwecken eingerichtet wird.

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Was können Chatbots leisten?

Sie können extrem hohe Aufmerksamkeit schaffen. 80 Prozent organische Reichweite und Klickraten zwischen 20 und 30 Prozent sind durch den Messenger möglich. Zum Vergleich: Bei E-Mails liegen die Öffnungsraten zwischen 20 und 30 Prozent, die Klickraten im einstelligen Bereich. Messenger sind vor allem auf die mobile Kommunikation mit dem Smartphone ausgelegt. So erzeugen sie schnelle Interaktionen, steuern den Kundendialog und bauen Vertrauen auf.

Es sollte darum gehen, den Usern wirklich weiterhelfen zu wollen. Für reine Werbezwecke eignet sich der Kanal nicht. Helfen, helfen, helfen und nicht spammen. Halten sich Kommunikationsverantwortliche nicht daran, leidet am Ende die ganze Branche darunter und das Nutzervertrauen in die Messenger-Dienste sinkt. Es liegt an uns, diesen Kanal nicht gleich wieder kaputtzumachen.

Chatbots könnten auch die Intentionen der Nutzer verstehen lernen und zu einer künstlichen Intelligenz entwickelt werden. Aber für Einsteiger ist dies zu aufwendig in der Programmierung. Automatisierungen mit simpler Logik sind aber auch schon eine große Hilfe. Von daher sind Bots nur so schlau und leistungsfähig wie ihre Programmierung.

Manche befürchten, dass Bots ihnen den Job stehlen. Zu Recht?

Wir können mit Sicherheit Personal im Kundenservice einsparen, wenn definierte Routinen automatisiert werden. Braucht der Nutzer eine individuelle Antwort, übernimmt das aber ein echter Mensch.

Ansonsten betrachte ich Chatbots nicht als Job-Killer. Wir haben doch alle zu viele Aufgaben auf dem Tisch und freuen uns vielleicht eher über Erleichterungen und sinnvolle Automatisierungen. Existenzielle Job-Bedrohungen sehe ich vielmehr bei echten Robotern oder der Blockchain-Technologie.

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Gibt es ein Unternehmen, das deiner Meinung nach erfolgreich im Facebook Messenger mit Chatbots arbeitet?

Mir fällt spontan das Ameron Hotel in der Speicherstadt Hamburg ein. Wenn ich mich für das Hotel interessiere, beantwortet dessen Bot gewisse Standardfragen, die immer wieder auftreten. Wenn ich bereits Gast bin, gibt mir der Bot Tipps zum Hotel. Er sagt mir etwa, wie ich an meinen WLAN-Schlüssel komme. Fragen, die an der Rezeption immer wieder auftauchen, kann man mit einem Bot wunderbar automatisieren.

Wie sieht es deiner Erfahrung nach im Bereich B2B aus? Siehst du Chancen in der Messenger-Kommunikation, gerade was Facebook angeht?

Unter den 30 Millionen deutschen Facebook-Nutzern befinden sich natürlich ebenso B2B-Zielgruppen. Die verantwortlichen Ansprechpartner sind mitunter privat auf Facebook und folgen dort diversen business-relevanten Seiten. Zugegebenermaßen sind die Potenziale für Facebook-Seiten im B2C-Bereich größer und somit bestimmt auch im Messenger. Denn die Zielgruppen sind umfangreicher.

Inzwischen benötigen Unternehmen aber keine millionenschwere Reichweite mehr. Es kommt auf die Qualität an, nicht auf die Quantität, unabhängig von B2B oder B2C. Wenn ich ein Problem mit meiner Zielgruppe löse, ist ein Chatbot durchaus relevant. Ich spreche die User individuell an und versuche, sie bei einem Problem zu unterstützen. Dadurch binde ich sie an mich. 100 Nutzer, deren Vertrauen man gewinnen konnte, sind wertvoller als 10.000 Facebook-Fans, die nicht mit mir interagieren.

Über den Autor

Carsten Christian ist studierter Journalist und Kommunikationswissenschaftler, seinen Master-Abschluss hat er an der Uni Hamburg gemacht. Bevor er zur Agentur kam, war der Digital Native mehr als zwei Jahre für die Online- und Print-Ausgabe der Ruhr Nachrichten im Einsatz. Bei OSK arbeitet er als Team Lead Digital Content, auf dem Agentur-Blog schreibt Carsten über den Medienwandel und Trends im Bereich Digital-Kommunikation. Privat verfolgt er Neuigkeiten in der Videospiel- und Gaming-Szene und greift auch selbst zu Maus und Gamepad.

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