Der G7-Gipfel in Bayern steht bevor. Vorher kündigen Gegner eine Demonstration gegen das Treffen von Angela Merkel, Barack Obama und Co. an. Für die Live-Übertragung braucht es ein Kamera-Team mit mehreren Personen sowie einen Übertragungswagen. Der Aufwand ist groß. Zumindest im Normalfall.
Martin Heller, Head of Video bei WeltN24, war im Juni 2015 ebenfalls vor Ort. Sein Ziel: Live-Bilder zu produzieren und damit Kanäle im Web zu bespielen – allerdings als One-Man-Show. Das einzige, was er dafür brauchte, waren sein Smartphone und die Livestreaming-App Periscope. Kamera draufhalten, App öffnen, und mit einem Klick ist der Webvideo-Experte live. Neben Periscope arbeitet WeltN24 auch mit Facebook Live, dem Livestreaming-Dienst von Facebook. Martin Heller hat uns erklärt, wie WeltN24 beide Apps für die journalistische Berichterstattung einsetzt. Wir erklären am Ende außerdem, welche Folgerungen Marken daraus für sich ziehen können.
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Für Martin Heller und sein Team gehören Livestreams inzwischen zum Alltag, wie er uns erklärt. „Wenn es sich anbietet und den Usern einen Mehrwert verspricht, gehen unsere Videojournalisten bei Periscope und Facebook live.“ Das sind besonders solche Situationen, in denen sich etwas bewegt, kein Stillstand herrscht.
Dann gelte es, nicht nur die Kamera mitlaufen zu lassen, sondern mit den Nutzern bei Periscope oder Facebook Live zu interagieren. „Wir dürfen diese Apps nicht allein als technische Möglichkeiten zum Livestreamen missverstehen“, betont Heller. „Es sind Social-Media-Kanäle, das heißt, die Interaktion mit den Zuschauern ist neben der Schnelligkeit der entscheidende Mehrwert.“
Im “Welt”-Newsroom streamt Martin Heller live via Facebook. Foto: Martin Lengemann/Die Welt
Für eine gelungene Interaktion sei es unerlässlich, sich authentisch zu zeigen. Das sei wichtiger als technische Perfektion. „Mut zum Unfertigen“, nennt der WeltN24-Video-Chef das, wenn er die Nutzer auf verantwortungsvolle Art und Weise mit an Orte des Nachrichtengeschehens nimmt – selbstverständlich inklusive journalistischer Einordnung.
Tausende Herzchen und Kommentare
Seiner Ansicht nach eignet sich Periscope dafür noch etwas besser als Facebook Live. Denn tausende Herzchen und Kommentare, die in Echtzeit auf dem Bildschirm angezeigt werden, sind eben doch besser für die Interaktion als ein schlichtes „Gefällt mir“. Abgesehen davon spreche auch die Integration in Twitter für Periscope, weil Twitter mehr als Facebook ein schnelles „Breaking-News-Medium“ sei.
Facebook punkte hingegen bei der Reichweite. „Unser erfolgreichster Stream bei Periscope hatte 130.000 Views – live und im Replay“, erzählt Martin Heller. „Bei Facebook liegt unser ‘Welt’-Rekord bei 340.000 Views.“ Die Reichweite bei Periscope leide etwas darunter, dass das Tool in Deutschland noch nicht so sehr verbreitet sei, wenngleich es einige sehr treue Zuschauer gebe, die sich regelmäßig in den Livestreams blicken ließen. Auch schauten zahlreiche ausländische Zuschauer zu, weshalb Heller und sein Team schon mehrfach ins Englische gewechselt sind.
Martin Heller beim Livestreamen mit Facebook auf einer Demonstration zur Flüchtlingspolitik in Leipzig. Foto: Henrik Neumann/Die Welt
Er müsse sich gar nicht weit aus dem Fenster lehnen für seine Prognose, dass Livestreaming schon bald ein selbstverständlicher Bestandteil des Medien-Mix‘ sein werde. Was heute im Experimentiermodus noch Begeisterungswellen auslöse, werde bald Normalität sein. Natürlich komme es hier auf die Qualität der Inhalte an, die dann den Unterschied machen werden, betont der Livestreaming-Experte.
Bedeutung für die Markenkommunikation
Was bedeutet das für die Markenkommunikation? Dort sei das Potenzial von Livestreaming natürlich ebenfalls groß, vor allem bei Messen und Events. Was Martin Heller allerdings so gar nicht begeistert, ist das bloße Abfilmen von Statements bei einer Pressekonferenz, einfach weil es „nicht dem interaktiven Social-Media-Charakter der Tools“ entspreche. Stattdessen sollten auch Marken auf Ereignissen präsent sein oder solche schlicht selbst schaffen.
Für Martin Heller und sein Team gehören Livestreams inzwischen zum Alltag. Foto: Maria Menzel/Die Welt
Videos sind also noch lange nicht am Ende der Entwicklung angekommen: Das nächste große Ding steht sogar schon auf Halde. Martin Heller arbeitet gerade daran, WeltN24 auf den Virtual-Reality-Pfad zu bringen. Seit Juni 2015 seien schon „gut 30 hochwertige 360-Grad-Videos“ entstanden. Das solle kontinuierlich mehr werden. Die aktuelle Herausforderung für ihn bestehe darin, Inhalte für VR-Brillen noch aufregender zu gestalten. Bis irgendwann der nächste Trend an der Tür von Martin Heller anklopft.
Diese Tipps lassen sich demnach für Unternehmen ableiten:
- Für Livestreaming eignen sich Events und Ereignisse, bei denen sich etwas tut und kein Stillstand herrscht.
- Neben der Schnelligkeit ist die Interaktion mit dem Nutzer das zentrale Element bei Livestreaming-Apps.
- Authentizität ist wichtiger als technische Perfektion.
- Periscope punktet bei der Interaktion, Facebook Live bei der Reichweite.
- Das bloße Abfilmen von Statements bei einer Pressekonferenz entspricht nicht dem interaktiven Social-Media-Charakter der Tools.