Crowdfunding birgt ein enormes Potential, denn es stellt eine durchaus effektvolle Alternative zur beschwerlichen Suche nach Großinvestoren dar. Darüber hinaus ist es ein geeignetes Mittel zur direkten Marktanalyse: Durch eine Crowdfunding-Kampagne können Unternehmen ohne großes finanzielles Risiko ermitteln, ob ihr Vorhaben denn auch tatsächlich markttauglich ist.

Um eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne zu starten, reicht es aber nicht, einfach nur eine gute Idee zu haben. Hinter dem Projekt sollte immer eine Geschichte stehen, die überzeugt, sowie ein Team, das authentisch wirkt. Und ohne ein aktives und durchdachtes Community-Management verläuft die Sache schnell im Sand. Ein Unternehmen aus Wien hat allem Anschein nach alles richtig gemacht: Lomography hat sich der Wiederbelebung der Sankt Petersburger Lomo Kamera verschrieben und versorgt den Markt seither mit Retro-Linsen und Neuauflagen der ehemaligen sowjetischen Volkskamera. Diese konnte für damalige Verhältnisse schon eine sehr gute Qualität vorweisen, besticht heute aber vor allem durch beabsichtigt herbeigeführte Störeffekte und bietet der digitalen Postproduktion damit Paroli. Auf Kickstarter – der weltweit größten Finanzierungsplattform für kreative Projekte – konnten die Österreicher damit gleich zweimal für ein Projekt mehr als eine Million US-Dollar einsammeln. Damit begründeten sie nicht nur ihr Unternehmen, sondern gleich eine weltweite Community von Lomografie-Fans. Wir sprachen mit Tomas Bates, dem Cross Channel Marketing Manager von Lomography, über die Hintergründe für ihren Erfolg, die Notwendigkeit einer aktiven Community und natürlich über die Liebe zur Fotografie.

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Patrick Erbacher: Tom, als Cross Channel Marketing Manager von Lomography, wie sieht da konkret deine tägliche Arbeit aus?

Tom Bates: Meine Arbeit besteht darin, einen internationalen Überblick zu gewährleisten. Ich koordiniere die Marketing-Aktivitäten in den Bereichen Online, Print, Presse und Sales – wobei der Fokus sicherlich im Bereich Online liegt. Das Marketing bezieht sich hier auf Newsletter, Website sowie allgemeines SEO. Für die Koordination in den Bereichen Presse und Sales haben wir zusätzlich lokale Manager in den verschiedenen Ländern.

Erzähl mir von euren Projekten und den Ideen dahinter.

Bislang haben wir drei Projekte via Kickstarter lanciert. Im Januar 2013 hatten wir den Lomography Smartphone Film Scanner. Die Idee für das Produkt kam auf, weil so viele Menschen ganze Stapel an alten Negativen besitzen, die sie nie haben digitalisieren lassen. Der Scanner ist ein schneller und einfacher Weg, eine digitale Version der Fotos zu erhalten und die Erinnerungen aufleben zu lassen. Praktisch ist der Scanner außerdem für Menschen, die auch heute noch analog fotografieren. Sie können ihre Schnappschüsse damit schnell und unkompliziert scannen und teilen.

smartphone film scanner

 

Dann haben wir im Sommer 2013 die neue Petzval Linse herausgebracht. Es war unser erstes Projekt, das eine finanzielle Unterstützung von mehr als einer Million US-Dollar fand. Auf diese Idee kamen wir, weil wir diesen speziellen Foto-Typ mögen, der mit dem einzigartigen Wirbel-Bokeh-Effekt der Petzval Linse möglich ist. Da aber die alte Petzval Linse nur mit den großformatigen Kameras funktionierte, haben wir daran gearbeitet, eine neue Linse zu entwickeln, die sich an die Canon EF und die Nikon F Analog- und Digitalkameras befestigen lässt.

petzval

 

Unser jüngstes Kickstarter-Projekt war die Lomo’Instant, mit der wir im Mai 2014 an den Start gegangen sind und die via Crowdfunding ebenfalls mehr als eine Million US-Dollar Unterstützung erhielt. Mit diesem Projekt wollten wir etwas machen, was von Petzval abweicht. Wir haben die Sofortbild-Fotografie immer sehr gemocht und haben zuvor schon spezielle, montierbare Instant Backs für ein paar unserer Kameras herausgebracht. Wir wollten aber keine einfache Sofortbildkamera mehr. Vielmehr haben wir es zu unserer Mission gemacht, eine Kamera zu entwickeln, die es zulässt, so kreativ wie möglich zu sein. Wir waren total begeistert, welche Reaktionen die Kamera erhielt, und können es jetzt kaum abwarten, das Design und den Produktionsprozess zu finalisieren und die Kamera an die Community zu bringen.

lomo instant Camera

Es ist nicht einfach, die Masse auf einer Crowdfunding-Plattform von dem eigenen Produkt zu überzeugen. Ihr habt wie gesagt gleich zweifach für ein Projekt auf Kickstarter mehr als eine Million US-Dollar zusammenbekommen. Das ist bisher nur einer Handvoll Unternehmen gelungen. Was ist das Geheimnis? Glaubst du, über Sieg oder Niederlage entscheidet dabei allein das Produkt an sich?

Mit jedem unserer Produkte versuchen wir etwas anzubieten, was die Menschen inspiriert. Ich denke, das ist der notwendige Grundbaustein. Es braucht aber durchaus weit mehr als das. Wir haben das Glück, ein Team zu haben, das der Lomography und unseren Produkten mit großer Leidenschaft begegnet. Wir sind alle hungrig, neue Produkte zu testen und mit unseren Prototypen zu spielen. Unsere Liebe zur Fotografie zeigt sich wie ich finde in unseren Kickstarter-Kampagnen und schweißt uns deshalb mit der Community zusammen. Wir legen außerdem großen Wert auf eine funktionierende Pressearbeit, um die Produkte bekannt zu machen. Es geht im Endeffekt also darum, ein gutes Produkt zu haben, authentisch zu sein und die richtigen Menschen mit den richtigen Informationen über das Produkt zu versorgen.

Glaubst du, manche Produkte sind möglicherweise besser fürs Crowdfunding geeignet als andere?

Das ist eine schwierige Frage. Aber es scheint, als ob einige Produkte eher für die Masse attraktiv sind und eher von der Presse aufgegriffen werden. Die Lomography Petzval Linse brachte diese großartige Geschichte mit sich, dass wir eine der ersten Porträtlinsen des 19. Jahrhunderts wieder aufleben lassen wollten. Die Geschichte hinter dem Produkt hat sicherlich geholfen, die Berichterstattung anzutreiben. Und das war ohne Frage wiederum hilfreich für den gesamten Funding-Prozess. Mit unserer jüngsten Lomo’Instant-Kampagne hatten wir vielleicht nicht diese fesselnde Geschichte – aber was wir hatten, war eine Erfindung mit so vielen coolen Features, dass auf natürliche Weise unterschiedliche Fotografie-Typen angesprochen wurden. Ich denke aber, hierbei spielt es auch eine Rolle, dass wir uns durch das vorangegangene Projekt bereits eine Community aufbauen konnten, die uns seitdem kontinuierlich unterstützt.

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Welche Kommunikations-Richtlinien müssen eingehalten werden, damit man auf einer Plattform wie Kickstarter erfolgreich ist?

Es ist unglaublich wichtig, schon im Entwicklungsprozess mit seinen potentiellen Unterstützern zu kommunizieren, damit sie sich eingebunden fühlen. Wir haben unsere Supporter beispielsweise durch Umfragen in unseren Entwicklungsprozess eingebunden. Wir haben die Fans über das Design abstimmen lassen und am Ende das produziert, was die Community wirklich haben wollte, und sind sehr darauf bedacht, sie auch nach der Kickstarter-Kampagne weiterhin regelmäßig zu informieren, damit sie wissen, woran wir arbeiten und wie der Zeitplan für die Produktlieferung aussieht. Ganz sicher ist es eher besser, zu viel zu kommunizieren als zu wenig. Außerdem ist es wichtig, so schnell wie möglich auf Nachrichten und Kommentare zu reagieren. Unsere Arbeit ist grundsätzlich sehr transparent – wir machen zum Beispiel deutlich, dass unsere Daten bzgl. der Produktlieferung nur Planungen sind. In dem frühen Stadium des Produktionsprozesses, in dem man sich nun einmal befindet, wenn man ein Projekt auf einer Crowdfunding-Site launcht, ist es uns einfach nicht möglich, exakte Termine festzulegen. Wir glauben, dass diese Transparenz der Community hilft, die Dinge aus unserer Sicht zu betrachten. Natürlich wollen sie das Produkt so früh wie möglich, aber wenn wir in Verzug kommen, weil wir eben den größtmöglichen Qualitätsanspruch haben, dann verstehen sie das und wissen es vor allen Dingen auch zu schätzen.

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Tom, vielen Dank für das Interview!

// Die OSK-Beitragsreihe zum Thema Crowdfunding

Dieser Artikel ist Teil der Beitragsreihe zum Thema Crowdfunding auf dem OSK-Blog. Für den Auftakt erläutern wir das Prinzip des Crowdfundings, geben Aufschluss über die aktuellen Zahlen und werfen einen Blick in die Zukunft. Dabei befassen wir uns außerdem mit dem Potenzial, das die Schwarmfinanzierung für Unternehmen bereithält. Im Anschluss folgt ein Interview mit Tomas Bates, dem Cross Channel Marketing Manager von Lomography. Die Kamerahersteller aus Wien konnten bereits zweimal für ihre Projekte die Millionenmarke auf Kickstarter knacken. Wir sprachen mit ihm über die Wichtigkeit und den Nutzen einer durchdachten Kommunikationsstrategie hinter Crowdfunding-Kampagnen. In einem dritten, abschließenden Beitrag unterhalten wir uns in einem abschließenden Interview schließlich mit dem deutschen Entwicklerstudio Black Forest Games und zeigen beispielhaft, welchen Einfluss Crowdfunding auf den Markt hat und welche Vorteile sich daraus für Unternehmen ergeben.

Teil 1: Crowdfunding: die Macht der Schwarmfinanzierung

Sie lesen gerade Teil 2: Crowdfunding: Tipps für eine erfolgreiche Kampagne

Teil 3: Crowdfunding: Interview mit Black Forest Games

// Über den Autor

Patrick Erbacher hat Germanistik und Geschichtswissenschaften in Würzburg studiert. Seit seinem Magister-Abschluss ist der Digital Native bei OSK im Bereich Online & Social Media tätig. Seine Liebe gilt zwei Dingen: Wintersport und Videospielen. Letztere werden auch gerne mal im Live Stream via Twitch verfolgt. Auch sonst ist Patrick up-to-date in Sachen Webtrends und Netzkultur. Er unterstützt das OSK Social Team an allen Fronten – so auch auf dem OSK-Blog. // E-Mail

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