Sei einfach du selbst. Sei anders. Sei einzigartig. Das ist nicht nur Lebensmotto, sondern auch digitales Erfolgsrezept von Yvonne Zagermann. Die studierte Soziologin hat 2010 ihren sicher bezahlten Redakteursjob beim Fernsehen aufgegeben, um sich selbstständig zu machen und möglichst viel reisen zu können. Seit 2011 betreibt die Flashpackerin mit Just Travelous eines der erfolgreichsten deutschen Reiseblogs. Dort liefert Yvonne ehrliche Reiseberichte aus aller Welt, erstellt nützliche Städte-Tipps und City-Guides, testet neue Hotels und schreibt bevorzugt über abgeschiedene und weniger beliebte Ecken einer Destination. Dieser Mix kommt an: Monatlich landen rund 30.000 Besucher auf Just Travelous. Im Interview verrät uns die Berlinerin, was sie an Südostasien reizt, ob sie vom Bloggen leben kann und wohin ihre persönliche Blogreise geht.
Oliver Nermerich: Wie bist du Reisebloggerin geworden?
Yvonne Zagermann: Als ich mich 2010 als Fernsehredakteurin selbstständig gemacht habe, kam der Gedanke auf, nebenher einen Reiseblog zu schreiben. Mich hat das Reisen schon immer interessiert, deshalb bin ich auf Twitter einigen Leuten gefolgt, die Reisen als Thema in ihrem Profil angegeben hatten. Auf diese Weise habe ich dann bemerkt, dass es damals schon einige sehr professionelle Reiseblogs gab, vor allem auf internationaler Ebene. Bis dato hatte ich das Klischee im Kopf, dass ein Reiseblogger lediglich ein Tagebuch für Mama, Papa und die Freunde in der Heimat führt. Dass es aber wirklich gute, qualitativ hochwertige und interessante Reiseblogs in Magazinform gab, wusste ich nicht. Da wurde mir klar: Das will ich auch machen. Aufgrund meiner journalistischen Ausbildung passte das Bloggen sehr gut zu meiner neuen Selbstständigkeit. Gleichzeitig erhoffte ich damit, langfristig ein paar zusätzliche Jobs bei Printmedien zu bekommen. Die Tatsache, dass meine Bloggerei eine solche Eigendynamik entwickeln würde und ich mittlerweile hauptberuflich Reisebloggerin bin – damit hätte ich nie gerechnet.
Abseits touristischer Pfade in Birma: Brettspiel auf der Straße
An wie viel Tagen warst du eigentlich im Jahr 2013 nicht Zuhause, sondern stattdessen irgendwo auf der Welt im Auftrag des Bloggens unterwegs?
Gefühlt war ich irgendwie immer unterwegs. Tatsächlich waren es aber 183 Tage, also rund sechs Monate. Die meisten Reisen waren 2013 eher Kurztrips – zwischen ein paar Tagen und zwei Wochen. 2014 begann ähnlich: Anfang des Jahres war ich für ein Wochenende in Brüssel, anschließend eine Woche in den USA, und gerade erst war ich für fünf Wochen in Thailand, um dem deutschen Winter zu entfliehen.
Yvonne lebt Flashpacking, eine Reiseform, die alte und moderne Globetrotter-Elemente miteinander kombiniert. Die Bloggerin reist nie ohne Laptop und Smartphone, meidet klassische Hostelschlafsäle und gönnt sich immer wieder mal etwas Komfort.
In Thailand warst du ja nicht das erste Mal. Was reizt dich an diesem Land?
Ich mag Thailand einfach gerne, weil es alles bietet: eine faszinierende Kultur, herzliche Menschen, tolle Strände, lebendige Städte, leckeres Essen und eine Infrastruktur, die das Umherreisen so einfach wie fast nirgendwo sonst auf der Welt macht. Obwohl ich jetzt schon mehrfach in Thailand war, gibt es immer noch so viel Neues zu entdecken. Und mit Thailand verbindet mich eine Geschichte, die wortwörtlich unter die Haut geht. 2012 habe ich mir in einem Tempel 60 Kilometer von Bangkok entfernt ein heiliges Sak Yant von einem Mönch stechen lassen. Eine Erinnerung, die mich mein Leben lang begleiten wird. Zudem habe ich gerade mit einer Freundin zusammen einen E-Book-Reiseführer für Südostasien veröffentlicht, in dem ich all meine Geheimtipps mit meinen Lesern teile.
Thailand geht unter die Haut. Yvonne lässt sich ein Sak Yant stechen.
Die wichtigste Lebenserfahrung, die du vermutlich ohne das Bloggen nie gemacht hättest?
Ich weiß nicht, ob es direkt etwas mit meinem Beruf als Reisebloggerin zu tun hat, aber aus meiner Sicht ist es einfach unfassbar wichtig, dass man im Leben herausfindet, was einen glücklich macht. Wenn man das gefunden hat, dann sollte man alles daran setzen, dieses Gefühl dauerhaft zu erhalten. Das Leben ist einfach zu kurz für Dinge, die einen nicht glücklich machen. Deshalb sollte man alles, was einen unglücklich macht, aus seinem Leben entfernen. Der Erfolg kommt dann von ganz alleine.
Auf den Spuren faszinierender Kulturen in Bagan, einer alten Königsstadt in Birmas
Erfolg ist ein gutes Stichwort! Kannst du aktuell rein vom Bloggen leben?
Es ist eine Mischung aus vielen verschiedenen Einnahmequellen. Ich produziere Videos, verkaufe meine Fotos, schreibe für Corporate Blogs (u.a. für Hotels) und gebe Workshops zum Thema Blogger Relations. Ein paar Brötchen nebenher verdiene ich auch mittels Werbung auf dem Blog, teilweise arbeite ich noch fürs Fernsehen, und gelegentlich bin ich als Tour-Guide in meiner Heimatstadt in Berlin tätig. Ich bin ganz sicher nicht reich, arbeite mehr als damals in meinem Vollzeitjob als Fernsehredakteurin und verdiene weniger Geld. Dafür kann ich aber tun und lassen, was ich will. Und solange ich dabei für fünf Wochen dem deutschen Winter entfliehen kann, bin ich glücklich.
Ich bin dann mal weg – rund sechs Monate pro Jahr ist Yvonne unterwegs
Du sprichst von Werbung auf deinem Blog. Du generierst Einnahmen sowohl über Banner als auch über native Anzeigen – welches Geschäft ist rentabler für dich?
Eigentlich rechnet sich Werbung auf dem Blog noch nicht wirklich für mich. Ich hab zwar ab und zu schon Banner verkauft oder Advertorials, aber nur, wenn das wirklich gepasst und der Preis gestimmt hat. Allein davon könnte ich monatlich noch nicht einmal meine Miete zahlen. Ich bin zwar offen für Werbung, aber eben doch recht wählerisch.
Madsen singt “Ich schlaf lieber im Zelt als im teuren Hotel” – ab und an gilt das auch für Yvonne.
Wie viele Besucher finden jeden Monat den Weg zu deinem Blog, und woher kommen die meisten davon?
Im Schnitt habe ich ca. 30.000 Besucher im Monat. Ich weiß, dass da nach oben hin noch jede Menge Potential ist. Ich hab unheimlich viele direkte Zugriffe, was ja auf eine große Stammleserschaft zurückschließen lässt. Und klar, über Social Media erreiche ich auch viele Besucher, obwohl Facebook da stark nachgelassen hat in den letzten Monaten. Ich muss mich auch dringend intensiver mit dem Thema SEO beschäftigen. Im Moment ist der Strand allerdings sehr viel verlockender …
Immer in Kontakt mit den Einheimischen: Straßenkinder in Kambodscha
Wirst du häufig von Unternehmen im Rahmen von Blogger Relations kontaktiert? Und wenn ja, welche Unternehmen sind das hauptsächlich?
Das ist ganz unterschiedlich. Als Reiseblogger wird man oft zu Pressereisen in bestimmte Urlaubsdestinationen von beispielsweise Fremdenverkehrsämtern oder Hotels eingeladen. Meist kommt die Einladung von der dafür zuständigen PR-Agentur. Ich habe in der Vergangenheit gemerkt, dass Pressereisen in größeren organisierten Gruppen nicht so mein Ding sind und ich individuelle Reisen bevorzuge. Daher werde ich in Zukunft solche Einladungen nur noch gezielt annehmen. Manchmal kommen Unternehmen auch mit Kooperationsideen um die Ecke – gelegentlich passt das, gelegentlich auch nicht. Und dann gibt es eben noch die Unternehmen, die mich engagieren, für sie zu arbeiten.
2012 war Yvonne in der Wüste von Oman unterwegs
Welche persönlichen Erfahrungswerte hast du im Umgang und in der Zusammenarbeit mit Unternehmen gesammelt?
Was ich immer wieder schade finde, sind die Einladungen, die zeigen, dass sich derjenige noch nicht mal die Mühe gemacht hat, einmal quer über meinen Blog zu lesen. Ich denke, das ist unverzichtbar, wenn man mit Bloggern zusammenarbeiten möchte. Das kostet zwar Zeit, aber im Endeffekt haben alle Beteiligten etwas davon. Reiseblogger ist nicht einfach Reiseblogger – jeder hat seine ganz eigene Art zu Reisen und eine eigene Zielgruppe. Das sollte man sich als Unternehmen im Vorfeld auf jeden Fall ansehen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass mehr Unternehmen auch mal Experimente wagen und häufiger mit ein paar verrückten und kreativen Ideen an einen herantreten, anstatt mit den Sachen, die so schon seit Jahrzehnten im Printbereich stattfinden.
Cocktailgenuss im El Floridita, einer ausgezeichneten Bar im Zentrum von Havanna auf Kuba
Warum sollte man z.B. als Tourismusbehörde unbedingt Yvonne Zagermann auf eine Reise schicken? Was ist dein USP?
Haha – ich denke, ich bin einfach so, wie ich bin. Im echten Leben und auch im Blog. Mich persönlich interessieren die nicht so bekannten Flecken einer Destination. Ich brauche kein Sightseeing 101, sondern fühle mich am wohlsten, je weniger Touristen um mich herum sind. Vielleicht ist das für manch eine Destination eine Chance, mir auch mal Ecken zu zeigen, die nicht so beliebt sind. Ich finde es schade, wenn immer nur dasselbe im Rampenlicht steht.
Zusätzlich zu deinem Blog bist du sehr aktiv auf zahlreichen Social-Media-Kanälen – u.a. auf Instagram, Facebook, Twitter. Auch über diese Kanäle erzielst du inzwischen eine enorme Reichweite. Auf Instagram beispielsweise folgen dir derzeit weit über 3.000 Nutzer. Welche Tipps kannst du anderen Instagrammern geben, die ähnlich erfolgreich im Bildernetzwerk sein wollen?
Eine Auswahl ihrer besten Instagrams, drüben findet man noch mehr
Bei Instagram gilt, wie überall sonst auch: Sei einfach du selbst. Sei einzigartig. Sei anders. Es gibt dich nur ein einziges Mal auf der Welt. Eine gute Freundin von mir interessiert sich vor allem für Blumen und Pflanzen und liebt ihren kleinen Garten über alles. Sie hat gerade mal 400 Follower auf Instagram, aber eine sehr loyale Followerschaft, die eben auch ganz genau das toll findet. Damit hat sie im Schnitt 150 Likes pro Bild und jede Menge Kommentare. Sei du selbst und mach, was dir am meisten Spaß macht!
Auch wenn man in der Online-Welt nicht lange vorausplanen kann, aber wo siehst du dich in zwei Jahren?
Ich mach keine Pläne mehr. Ich kann 2014 grob in Reisen planen, aber das war es dann auch schon. Ich weiß nicht, was als nächstes passiert – die letzten Jahre haben mir auch gezeigt, einfach offen für Neues zu sein, die Augen und das Herz offen zu halten und Möglichkeiten anzunehmen, wenn sie sich bieten, ohne groß darüber nachzudenken, was andere jetzt wohl machen würden.
Gleich geht’s ab: Tandemsprung an der Costa Brava
Was denkst du, in welche Richtung entwickelt sich die Blogosphäre in Deutschland?
Schwierige Frage! Ich denke, manche Reiseblogger sollten sich überlegen, was sie da eigentlich machen. Es kann nicht das Ziel sein, bis an sein Lebensende einfach nur von einer Pressereise zur nächsten zu hüpfen mit dem Hintergedanken “einfach umsonst reisen zu können”.
Schnappschuss auf dem Patpong Markt in Bangkok
Abschließend: Yvonne Zagermann packt ihren Koffern und nimmt mit … ? Was sind deine Travel Essentials?
// Notebook
// Mehrfachsteckdose
// iPhone
// Reisepass
// Externe Festplatten
// Strohhut
// Hemingway
// Yoga-Matte
// Sonnenbrille
// Kopftuch
Ohne meine Kamera und mein Laptop gehe ich nicht auf Reisen. Selbst wenn ich kein Internet habe (wie die drei Wochen in der Mongolei). Zudem habe ich immer eine Mehrfachsteckdose dabei. Manchmal (ok, nur einmal) hab ich auch ne Yoga-Matte dabei, weil ich die eigentlich ganz dufte finde. Mein Lieblingsbuch von Hemingway war auch schon oft auf Reisen mit. Und was ich liebe: jede Menge Sonnenbrillen und einen Strohhut. Dann noch das obligatorische Tuch für die Haare, das mich quasi schon zur Stilikone gemacht hat. Dann darf natürlich mein herrlich runtergerockter Pass nicht fehlen, Festplatten, damit ich auch unterwegs immer alles dabei hab, und mein iPhone.
Yvonne, vielen Dank für das Interview!
// Über “Blogbuster”
Die Vielfalt der Blogosphäre macht richtig Spaß, die Qualität vieler Blogs begeistert uns. Einmal im Monat stellen wir in “Blogbuster” einen Blog vor, das uns besonders gefällt, aus der Menge der zahlreichen coolen Webpräsenzen heraussticht oder uns bei unserer Arbeit als Agentur begegnet. Und, wann immer möglich, sprechen wir auch mit dem Kopf oder den Köpfen dahinter.
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