Der Großteil der Kunden kauft Neuwagen nach wie vor über stationäre Autohändler – auch wenn es mittlerweile verschiedene Möglichkeiten gibt, Autos über das Internet zu erwerben. Immerhin können sich über 44 Prozent der Kunden vorstellen, ihr Fahrzeug im Web nicht nur zu konfigurieren, sondern auch zu bestellen. Der Markt ist also in Bewegung, mit entsprechenden Konsequenzen für den Automobilvertrieb. Das bestätigt auch Marcus Hohmann von der Unternehmensberatung McKinsey, der im OSK-Interview von einer „neuen Rolle“ des Händlers spricht.

„Läutet Mercedes-Benz das Ende der Autohäuser ein?“, fragte welt.de in einem Artikel von Ende 2013. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Marke gerade verkündet, Neuwagen im Internet anzubieten. Das Prinzip: Auf dem Online-Store von Mercedes-Benz steht ein wechselndes Kontingent sofort verfügbarer Fahrzeuge zum Kauf per Klick zur Verfügung. Wer Fragen hat, kann einen Chat mit einem Mitarbeiter starten. Auf Wunsch wird das Fahrzeug bis vor die eigene Haustür geliefert. Allerdings stehen im Mercedes-Online-Shop lediglich die sofort verfügbaren Modelle zur Auswahl.

Etwas umständlich: Online-Autokauf direkt vom Hersteller

Auch andere Marken bieten mittlerweile Fahrzeuge übers Internet an – wenn auch teilweise indirekt. So können Kunden zum Beispiel bei BMW, Toyota, Opel oder Renault ein Fahrzeug konfigurieren und im Anschluss ein Angebot per E-Mail anfordern. Volkswagen präsentierte kürzlich einen etwas anderen Ansatz: In den USA klicken Kunden ihr Wunschfahrzeug nach dem Online-Dating-Prinzip zusammen, indem sie Wunschkriterien angeben. Die Suchmaschine namens „Find a Match“ zeigt daraufhin verfügbare Neufahrzeuge bei Händlern an, die am ehesten den Wunschkriterien entsprechen. Nach einem ähnlichen Prinzip funktioniert die VW-Neuwagensuche auf der Deutschen Internetpräsenz der Marke: Hier werden verfügbare Neufahrzeuge bei Händlern in der Umgebung angezeigt.

© Daimler AG Dezember 2013: Mercedes-Benz startet seinen Neuwagenverkauf über das Internet – leider nur mit vorkonfigurierten Fahrzeugen. Bild: Daimler AG

Auf der Suche nach einer Möglichkeit, ein Auto über das Internet direkt beim Hersteller zu ordern, wird aber schnell deutlich: Der “Autokauf online” steht bei den Fahrzeugproduzenten aktuell nicht im Fokus. Die Online-Angebote sind teils schwer zu finden. Wer zum Beispiel bei Toyota via Web ein Angebot einholen möchte, muss sich hierfür erst im Konfigurator sein Wunschmodell zusammenstellen, anschließend auf die Funktion „Konfiguration senden“ klicken und darüber ein Angebot beim Händler einfordern. Das muss man erst einmal wissen.

Abgesehen von den Hersteller-Seiten gibt es einfachere und schnellere Möglichkeiten, über das Internet Angebote von Händlern zu erhalten. So können Interessenten über den Neuwagen-Service von mobile.de Angebote von nahezu jedem Hersteller per Klick anfordern oder sofort verfügbare Neuwagen in der Umgebung suchen.

Für Schnäppchenjäger: Online-Kauf per Makler

Vermittler-Websites wie beispielsweise Autohaus24.de, meinauto.de oder carneoo.de sind für viele Kunden besonders interessant, weil sie teils hohe Preisnachlässe per Mausklick bieten. Außerdem handelt es sich um Bestellfahrzeuge, die frei konfiguriert werden können. Die angebotenen Neuwagen kommen direkt von deutschen Vertragshändlern, bieten die volle Werksgarantie und die gleichen Ausstattungsoptionen wie im Autohaus. Woher kommen die Rabatte? Händler sparen mit der Online-Vermittlung Geld, zum Beispiel die Verkaufsprovision für einen Mitarbeiter vor Ort. Diesen Vorteil können sie an die Kunden weitergeben und somit günstigere Autos verkaufen, ohne selbst auf Marge verzichten zu müssen.

© Autohaus24.deFür Schnäppchenjäger: Vermittler-Websites bieten teils hohe Rabatte per Mausklick. Bild: Autohaus24.de

Ein Test des ADAC hat ergeben, dass über solche Maklerwebsites tatsächlich hohe Rabatte möglich sind, diese aber von Anbieter zu Anbieter unterschiedlich ausfallen. Vergleichen lohnt sich also – auch weil bei einigen Websites zu Beginn der Konfiguration ein hoher Nachlass in Aussicht gestellt wird, der aber am Ende auf einen Bruchteil zusammenschrumpfen kann.

Online wird wichtiger, Offline bleibt wichtig

90 Prozent der Neufahrzeug-Kunden informieren sich während eines Kaufprozesses über das Internet. Das geht aus einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey hervor, bei der 4.500 Kunden in den USA, Europa und China befragt wurden. Fast ebenso viele Personen (82 Prozent) wollen andererseits nicht auf eine Probefahrt und damit den Besuch beim Händler vor der finalen Kaufentscheidung verzichten.

 

© McKinseyMarcus Hohmann ist Automobilexperte bei der Unternehmensberatung McKinsey und einer der Autoren der Studie. Im Interview gibt er seine Einschätzung zur Zukunft des Automobilvertriebs.

Einige Medien prophezeien klassischen Autohäusern bereits das Ende. Gehört die Zukunft im Automobilvertrieb dem Internet?

Der stationäre Autohandel wird in dem Gesamtsystem Automobilvertrieb inklusive After Sales und Service auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Doch die Rolle der Händler muss sich verändern.

Die Rolle der Händler muss sich verändern.

Inwiefern muss sich denn der Autohandel Ihrer Ansicht nach modernisieren?

Früher waren Autohäuser fast der einzige Informations- und Kommunikationskanal, mal abgesehen von klassischer Werbung. Wenn man eine Broschüre über ein Fahrzeug haben wollte oder eine Preisliste, dann ist man eben ins Autohaus gegangen. Man hat Fragen zu den Autos gestellt, sich die Fahrzeuge angeschaut und mit dem Verkäufer gesprochen. Fast der gesamte Verkaufsprozess lief im Autohaus ab. Das hat sich geändert: Heute kommen Kunden in der Regel gut informiert ins Autohaus. Darauf müssen sich Händler einstellen.

Welchen Rat haben Sie für Autohändler, die ihren Laden für die Zukunft fit machen möchten?

Im Moment haben die Hersteller den klassischen Verkaufsprozess als ihren Königsweg definiert – doch notwendig ist ein integriertes Konzept über alle Offline- und Online-Kanäle hinweg. Dies hinzubekommen ist für Händler – und Hersteller – eine der größten Aufgaben. Das heißt aber auch, dass sich die Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Händlern verändern muss. In der Vergangenheit haben Händler gesagt: Meine Kunden gehören mir. Sie hatten ihre Stammkundenliste – das war ihr bestgehütetes Geheimnis. Darin standen viele loyale Kunden, die alle paar Jahre ein neues Fahrzeug gekauft haben. Damit konnte ein Autohaus sehr gut leben. Diese Zeiten sind nun vorbei, denn solche Kunden werden in der digitalen Welt zunehmend seltener. Deswegen sollten Händler in Zukunft Kundeninformationen mit dem Hersteller teilen und mit ihm zusammenarbeiten. Viele konservative Händler lehnen das jedoch ab. Dadurch entgehen dem ganzen System Chancen. Ein Beispiel: Der Händler hat vermutlich keinen Chat, keine Social-Media-Präsenz oder ähnliches und überblickt eben nur seinen Bereich. Wenn er jetzt seine Informationen mit dem Hersteller teilen würde und dafür auch Informationen zurückbekäme, die ein Kunde beispielsweise auf der Herstellerwebsite eingibt, dann hätten beide etwas davon. Dieser Entwicklungs- und Lernprozess erfordert ein gewisses Umdenken auf beiden Seiten.

Grafiken: McKinsey

Aus Konsumentensicht ist es teils unverständlich, warum man nicht schon heute einfach ein Auto online bestellen kann, so wie man sich ein Buch oder einen Fernseher im Netz kauft. Was kann der Autohandel von erfolgreichen Online-Shops wie Amazon lernen?

Die personalisierte Ansprache ist ein wesentlicher Punkt. Online-Shops wie Amazon machen Kunden maßgeschneiderte Angebote – so etwas brauchen wir in der Automobilwelt ebenfalls. Denn Kunden kommen viel informierter ins Autohaus. Aus diesem Grund kommen sie auch seltener, oft nur ein- bis zweimal innerhalb eines Kaufprozesses – in der Vergangenheit waren es bis zu fünfmal. Das bedeutet für den Händler: Die Kundenansprache muss schon beim ersten Mal sitzen, denn vielleicht gibt es keine zweite Chance. Daher muss der Händler bereits beim ersten Gespräch genau wissen, wen er vor sich hat. Wie gut ist der Kunde informiert, hat er ein Auto vielleicht sogar online konfiguriert? Möchte er nur noch eine Probefahrt? Will er direkt ein Preisangebot einholen? Oder weiß er noch gar nicht, was er eigentlich möchte und braucht deshalb erstmal eine Tour durch die Angebotspalette? Amazon hat diese Kundenrecherche mit Datensätzen und Cookies perfektioniert. Auch im Autohandel gibt es da interessante Ansätze.

Welche genau?

Der Automobilvertrieb wird zu einem Multikanal-Modell. Das heißt: Online- und Offline-Händler und deren Touchpoints werden miteinander verknüpft. Alle Maßnahmen von Online-Marketing über Direkt-Marketing bis hin zum Handels-Marketing am „Point of Sale“ müssen miteinander kombiniert werden, um Angebote besser auf Kunden zuschneiden zu können. Alle sprechen ja von „Customer-Experience“ und „Customer Journey“ – das ist im Prinzip genau der Ansatz, um den es geht.

Der Automobilvertrieb wird zu einem Multikanal-Modell.

Aktuell läuft der deutsche Online-Neuwagenvertrieb im Wesentlichen über Vermittlerseiten wie zum Beispiel Autohaus24.de oder meinauto.de. Schaden solche Online-Vermittler den Autoherstellern, weil sie die Preise drücken, oder nutzen sie ihnen, weil unter dem Strich mehr Fahrzeuge verkauft werden?

Hinter den Vermittlern stehen am Ende ja traditionelle Händler, die die Fahrzeuge ausliefern. Deshalb ist unwahrscheinlich, dass Online-Vermittler anderen Händlern grundsätzlich das Wasser abgraben werden. Eine sinnvolle Symbiose aus Online- und Stationärvertrieb – dahin wird eindeutig die Entwicklung gehen.

 

P.S.: Nützliche Tipps zum Autokauf liefert der Verband für bürgernahe Verkehrspolitik e.V. kostenlos auf der Ratgeberplattform autokauf.org.

 

sebi2// Über den Autor

Sebastian Mainzer ist studierter Technik-Journalist. Nach Tätigkeiten beim Radio und als PR-Berater für IT-Unternehmen arbeitet er seit 2010 im Content-Team von OSK. Sebastian bezeichnet sich selbst als „Petrol-Head“: Alles, was sich bewegt und einen Motor hat, findet er spannend. Für das OSK-Blog schreibt er über Technik und Trends zum Thema Individualmobilität.

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