Facebook und Twitter sind zentrale Kommunikationskanäle, vor allem im Kontakt mit jungen Zielgruppen. Wichtig dabei: Solche Dialogplattformen pflegt man nicht einfach nebenher, vielmehr müssen diese strategisch in den Kommunikationsmix eingebunden, regelmäßig bespielt und die Aufbereitung der Inhalte kontinuierlich angepasst werden. Manchmal ist weniger aber mehr, wie blau Mobilfunk vergangenen Sommer für sich erkannte – und die Kommunikation auf Facebook einstellte: „Wir glauben, dass unsere Produkte überzeugender sind, als ein Facebook-Post es sein kann“, so die offizielle Begründung. Stefanie Polster von yourfone.de sieht das anders: „Gar kein Facebook ist auch keine Lösung, zumindest nicht für uns.“ Wenn jemand am anderen Ende des Netzwerks den Newsfeed-Algorithmus ändere und damit die Reichweite der eigenen Inhalte innerhalb des „Walled Gardens“ sinke, dann sei das zwar ärgerlich, bliebe aber eine spannende Herausforderung für Kommunikationsverantwortliche. Doch wie meistern Kommunikationsprofis diese besonderen Herausforderungen? Wie passen die Verantwortlichen ihre Strategien und Herangehensweisen an, um weiterhin erfolgreich mit Kunden kommunizieren zu können? Darüber haben wir mit Stefanie Polster, Head of Communications und Social Media bei yourfone.de, gesprochen.
Im Interview gibt die studierte Medienwirtin nicht nur ihre Einschätzung zum Wandel der Online-Kommunikation und zum kommunikativen Status quo im Social Web ab – die Expertin liefert darüber hinaus exklusive Einblicke in ihre tägliche Arbeit. Zum Beispiel: Welche Rolle spielt WhatsApp in der Kundenkommunikation? Polster hat das Ende 2014 getestet. Einen „Social Listener“ etablieren? Auch das ist ihr und ihrem Team mit „Gunnar Social“ gelungen.
Wie sehr haben sich die Ziele von Unternehmensauftritten im Social Web in den vergangenen Jahren verändert – was konnten Sie beobachten bzw. inwiefern hat sich Ihre eigene Wahrnehmung verschoben? Stichwort Marketing vs. PR!
Die Gegebenheiten in den digitalen und sozialen Medien unterliegen einem stetigen und rasanten Wandel. Entsprechend müssen auch die Unternehmen ihre Strategien verändern, um ihre Ziele zu erreichen. Der größte Wandel hat in den letzten Jahren in der Markenkommunikation stattgefunden. Vor einigen Jahren waren die klassischen Mittel Marketing und PR. Zunehmend haben diese Maßnahmen jedoch an Glaubwürdigkeit in der Zielgruppe und damit an Werthaltigkeit für die Unternehmen verloren.
Mit den sozialen Netzwerken haben sich die Anforderungen der Kunden an eine Marke und damit die Herausforderung in der Markenkommunikation deutlich verändert. Im direkten Kundendialog wurde die klassische Push- zur Pull-Kommunikation – und das in einem öffentlichen Direct-Response-Kanal. Insbesondere bei Facebook kann zum Beispiel die Aussage einer bezahlten Werbekampagne durch die Kommentare der Nutzer relativiert werden. Um die Gunst der Nutzer zu gewinnen, muss ein Unternehmen daher heute mehr tun, als schöne, bunte Werbeaussagen zu streuen.
Der moderne und vollständig digitalisierte Nutzer wird immer anspruchsvoller.
Der moderne und vollständig digitalisierte Nutzer wird immer anspruchsvoller: Er möchte sich mit einem Unternehmen stark identifizieren – und dafür kontinuierlich im Dialog stehen sowie früh in unternehmerische Entscheidungsprozesse einbezogen werden. Das stellt Unternehmen vor die Herausforderung, ständig erreichbar und viel transparenter zu sein, schnell reagieren zu können und eine Markenidentität zu schaffen, die die Zielgruppe anspricht und langfristig an sich bindet. Ich habe hier sehr positive Erfahrungen mit zielgruppenrelevanten und innovativen Ansätzen im Content Marketing gemacht, die unsere Unternehmensziele langfristig und nachhaltig beeinflusst haben. Das Social Web war dabei ein ganz wesentlicher Bestandteil.
Wie sahen diese positiven Erfahrungen im Content Marketing genau aus?
Im Content Marketing geht es darum, für die Zielgruppe relevante Inhalte zu generieren und daraus emotionale Markenerlebnisse zu schaffen. Diese Erlebnisse sollen die Online-Nutzer im Kopf behalten und langfristig positiv mit der Marke verbinden. Besonders lebhaft sind bei mir persönlich die Eindrücke von unseren Live-Veranstaltungen wie dem Finale des Songcontests oder den Festivals bei #HoliCalling in Erinnerung geblieben. Das lag vor allem am Feedback und der Stimmung, die ich vor Ort von den Teilnehmern erhalten habe.
Zudem war der Erfolg der Content-Marketing-Aktivitäten auch messbar. Wichtige Marken-KPIs wie z.B. Brand Awareness und Purchase Intent konnten nachweisbar verbessert werden. Moderne Kunden suchen bei Unternehmen nach identitätsstiftenden Merkmalen, und das ist häufig nicht das Produkt, sondern eben die Markenpersönlichkeit, die mit Content Marketing ideal geschärft und gefestigt werden kann.
Wie Sie außerdem erwähnten, muss ein Unternehmen heute mehr tun, als schöne, bunte Werbeaussagen zu streuen. Können Sie dazu ebenfalls ein konkretes positives Beispiel nennen?
Ich denke, in der heutigen Markenkommunikation geht es darum, den Nutzern auf Augenhöhe zu begegnen, ihre Bedürfnisse zu kennen und ernst zu nehmen. Um langfristig größere Erfolge zu erzielen, sollten Unternehmen aufhören, Angst vor den eigenen Kunden zu haben. Sie sollten sich öffnen, einen ehrlichen und authentischen Kundendialog führen und entsprechend der Markenidentität handeln. Ich selber habe damit in meiner beruflichen Laufbahn nur positive Erfahrungen gemacht wie beispielsweise auf Fankonferenzen von yourfone.de, auf denen bewusst auch kritische Themen wie z.B. die Netztechnik offen mit den Usern besprochen wurden.
Bei Facebook hat sich das Umfeld für Unternehmen stark verändert, „Pay to play“ ist heute das Gebot. Im Sommer wurden Fragen laut, ob der Facebook-Hype vorbei sei, weil die erzielten organischen Reichweiten von Beiträgen im weltweit größten sozialen Netzwerk zunehmend sinken. Das Unternehmen blau Mobilfunk beispielsweise hat die Kommunikationsarbeit auf Facebook im August eingestellt. Wann und warum sollten (digitale) Unternehmen weiterhin auf Facebook aktiv bleiben?
Facebook wird meiner Meinung nach ein wichtiger Kanal für Unternehmen bleiben, die einen marketingzentrierten Ansatz verfolgen. Die Entscheidung, ob ein Unternehmen Facebook oder andere Social-Plattformen nutzt, muss gut überlegt sein. Denn eine Social-Media-Strategie zu verfolgen bedeutet immer einen nicht geringen Aufwand an Ressourcen und Budget. Und möchte man im Social Web erfolgreich sein, kann man meines Erachtens nicht nur „ein bisschen Facebook oder Twitter“ machen. Entweder ganz oder gar nicht, sonst leidet die Glaubwürdigkeit.
Facebook hat sich mit den Jahren von einem Kommunikations- zu einem Distributionskanal entwickelt. Durch „Pay to play“ ist es heute nicht mehr wirtschaftlich, die direkte Markenkommunikation ausschließlich auf Facebook stattfinden zu lassen. Hier sollten sich Unternehmen zusätzlich auf eigene Plattformen konzentrieren. Um die Zielgruppe jedoch dorthin zu bekommen und langfristig die Kontaktkosten zu senken, muss man sie erst mal auf seine eigene Seite holen. Und das macht man am besten mit relevanten Inhalten dort, wo sich die Zielgruppe aufhält. Und da ist Facebook mit seinen Nutzerzahlen ein sehr attraktiver Kanal. Aufgrund der zusätzlich sehr guten Targeting-Optionen ist es Unternehmen dabei auch möglich, die Streuverluste so gering wie möglich zu halten und punktgenau zu kommunizieren.
Stichwort Blogger/Influencer Relations: Wie sehr sind Sie selbst – privat und im Job – mit der Blogosphäre vernetzt und mit welchen anderen Influencern tauschen Sie sich darüber hinaus aus? Welchen kommunikativen Mehrwert können diese Zielgruppen bieten?
Ich halte persönlich sehr viel von Blogger- und Influencer Relations, weil die Glaubwürdigkeit der Inhalte von solchen Multiplikatoren einfach viel höher ist. Ich beobachte das auch selbst an meinem Einkaufsverhalten sowie dem meiner Freunde. Wo sich ältere Generationen beim Kauf eher an redaktionellen Tests oder Zeitschriften orientieren, schaue ich mir häufig vor dem Kauf eines neuen Produkts die Reviews und Meinungen von Bloggern oder Branchen-Influencern an, um ein differenziertes Bild zu erhalten.
Überzeugt das Produkt nicht und der Blogger oder Influencer teilt seine entsprechende Erfahrung, kann das auch nach hinten losgehen.
Für viele Unternehmen sehe ich in Bezug auf Influencer Relations große Chancen, die heute noch viel zu selten genutzt werden. Studien zeigen, dass bei den jüngeren Generationen (z.B. den Millennials) die Kaufentscheidungen in der Regel von fünf Personen beeinflusst werden. Weniger als 50 Prozent vertrauen dabei auf die Meinung von Experten wie z.B. Journalisten. Den größten Einfluss haben natürlich Freunde und Familie. Direkt dahinter stehen aber auch schon Blogger und Influencer, mit denen sich die Kunden identifizieren können.
Durch Blogger- und Influencer Relations ist es Unternehmen damit möglich, ihre Botschaften oder ihr Produkt mit einer deutlich höheren Glaubwürdigkeit an die Zielgruppe zu bringen. Aber auch hier ist Vorsicht geboten: Überzeugt das Produkt nicht und der Blogger oder Influencer teilt seine entsprechende Erfahrung, kann das auch nach hinten losgehen.
Marken müssen oft Persönlichkeit zeigen, um im Web Nähe zu ihren Kunden zu schaffen. Für yourfone.de tritt „Gunnar Social“ als eine Art digitaler Markenbotschafter und Kaufberater in Erscheinung. Für viele ist er dabei mehr als nur ein Testimonial und wirkt „echter“ und „greifbarer“ als beispielsweise ein Tech-Nick. Welche Rolle nehmen solche Botschafter idealerweise im Content Marketing ein und wie „echt“ müssen sie wirklich sein?
Mit Gunnar Social haben wir das Konzept eines Social Listeners getestet. Das ist in anderen Ländern schon weiter verbreitet als hier in Deutschland, aber auch wir haben sehr positive Effekte gesehen. Das Prinzip dahinter ist, dass der Social Listener alle Branchengespräche im Internet, z.B. auf Twitter, in Foren oder Frage-Antwort-Portalen, beobachtet und bei Bedarf als Branchenexperte seine Beratung anbietet. Mit anderen Worten: Gunnar ist eine Art virtueller Kundenberater. Dabei steht jedoch nicht der direkte Abverkauf der eigenen Produkte im Fokus, sondern die positive Kundenwahrnehmung, die Kundenbindung sowie langfristige Leadgenerierung. Entsprechend wichtig sind Authentizität und Glaubwürdigkeit des entsprechenden Mitarbeiters. Bei Gunnar ist dies sehr erfolgreich gelungen.
WhatsApp wird für Unternehmen immer stärker zum Kommunikationsinstrument. Können Sie aus Erfahrung sagen, was man sich davon versprechen darf und wie WhatsApp in der internen und externen Kommunikation von Stakeholdern angenommen wird?
Ich habe im letzten Jahr ebenfalls einen ersten Ansatz in der Kundenkommunikation über WhatsApp getestet. Aufgrund der Datenschutzbestimmungen steht man hier natürlich als Unternehmen, das mit personenbezogenen Daten arbeitet, vor großen Herausforderungen. Für eine Beratungskommunikation, z.B. für einen Social Listener im geschlossenen Dialog, eignet sich der Kanal jedoch hervorragend und wird super angenommen. Mein Tipp für moderne Kundenkommunikation ist es, die Kommunikationskanäle zu nutzen, die für die Zielgruppe „natürlich und gelernt“ sind. In der heutigen Zeit sind das neben der klassischen E-Mail vor allem WhatsApp und Online-Kanäle wie Chats, Facebook, Twitter etc.
Worauf müssen rein digitalisierte Unternehmen künftig setzen, um ihre bevorzugten Zielgruppen zu erreichen?
Innovationskraft, Schnelligkeit und der Mut, auch Unbekanntes zu testen, sind meines Erachtens die Faktoren, die Unternehmen heute brauchen, um „leading edge“ in der digitalen Markenkommunikation zu sein.
Auch in 2015 wird es in der Kundenkommunikation darum gehen, für die Zielgruppe relevante Inhalte zu schaffen und diese auch auf relevante Plattformen und Endgeräte zu bringen. Authentizität, Glaubwürdigkeit und neue innovative Ansätze spielen hier eine große Rolle. Im Online-Dschungel der Markenkommunikation muss man sich abheben, um bei der Zielgruppe aufzufallen. Innovationskraft, Schnelligkeit und der Mut, auch Unbekanntes zu testen, sind meines Erachtens die Faktoren, die Unternehmen heute brauchen, um „leading edge“ in der digitalen Markenkommunikation zu sein.
Wie sind die genannten Faktoren in der Unternehmenskommunikation denn am besten zu realisieren – welche Weichen müssen gestellt sein?
Hier sind vor allem kurze Entscheidungswege und die Unterstützung aus der Chefetage wichtig, ohne dabei lange Freigabeschleifen durchlaufen zu müssen. Trends und Themen tauchen im digitalen Zeitalter genauso schnell auf, wie sie wieder verschwinden. Die Entschlossenheit, neue und innovative Ideen umzusetzen, auch auf die Gefahr hin, dass diese nicht den gewünschten Erfolg bringen, ist ebenso wichtig. Eine gewisse Risikobereitschaft muss schon dabei sein, denn wer nur das macht, was alle anderen machen, wird es schwer haben, bei der Zielgruppe anzukommen.
Vielen Dank für das Interview, Frau Polster.