Corporate Responsibility (CR) ist ein Dachbegriff, den viele Manager*innen und Kommunikator*innen mit ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen in Verbindung bringen. Corporate Social Responsibility (CSR) und Geschäftsberichte mit integrierter Nachhaltigkeitsberichterstattung sind in diesem Kontext die Top-Themen. Doch das Vertrauen der Kund*innen und anderen Stakeholder*innen lässt sich längst nicht mehr nur durch grüngefärbte und geblümte Umweltbekenntnisse oder öffentlichkeitswirksam geschaltete Diversity-Kampagnen gewinnen. Die digitale Transformation und ihre disruptiven Auswirkungen bringen eine neue Art der Verantwortung mit sich, derer sich viele Unternehmen noch nicht bewusst sind: Corporate Digital Responsibility (CDR). Was verbirgt sich hinter dem Begriff und welche Erwartungen haben Stakeholder*innen an Unternehmen? Welche wichtige Rolle kann der Kommunikationsnachwuchs dabei einnehmen?
Von Dimensionen und Kollisionen
„Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die Ansicht, für was Unternehmen Verantwortung übernehmen sollen und müssen, radikal gewandelt“, meint Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber im 2020 erschienenen „Praxisleitfaden Corporate Digital Responsibility“. Und er stellt fest: „Im Zeitalter der umfassenden Digitalisierung, in das wir zunehmend übergehen, kommt auf die Unternehmen eine neue, vierte Dimension zu, die Frage des digital-ethischen Handelns.“ CDR stellt keine rein technischen Fragen der Digitalisierung. Vielmehr dreht es sich darum, wie Unternehmen nachhaltig und verantwortungsvoll mit Chancen und Risiken neuer technologischer Möglichkeiten umgehen sollten – und auch darum, wie viel Vertrauen die Stakeholder*innen ihnen dabei entgegenbringen. Es geht um Innovationen und Künstliche Intelligenz, aber auch um Arbeitsplatzverlust und Datenschutzbedenken. „Um diese kollidierenden Interessen möglichst auszugleichen und drohenden Monopolisierungen entgegenzuwirken, sollten Unternehmen als Weiterentwicklung ihrer CSR-Strategie die Konzeptionierung einer CDR erwägen“, empfiehlt auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
Studien zeigen, dass diese Bestreben kein Fass ohne Boden sind: Laut einer YouGov-Umfrage empfinden es 70 Prozent der Teilnehmenden als wichtig, dass Unternehmen digitale Verantwortung übernehmen. Aber: Rund ein Viertel der Befragten sind der Meinung, dass Unternehmen in Deutschland bisher kaum oder überhaupt nicht verantwortungsvoll mit der Digitalisierung umgehen. Und das schadet dem Vertrauen. Ziel von CDR sollte es daher sein, Vertrauen und Akzeptanz als Voraussetzung für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg zu erhalten oder aufzubauen. Vor allem kann CDR dabei den „First Movern“ einer Branche als Wettbewerbs- und Diversifizierungsmerkmal dienen.
In einer Kooperation mit dem PRSH. e.V veröffentlichen Studenten des Fachs “Public Relations” an der Hochschule Hannover regelmäßig Artikel auf dem OSK Blog. Der Nachwuchs bildet die Kommunikationsprofis von Morgen, weswegen wir uns schon heute ihre Meinung zu Branchenentwicklungen, der Ausbildung und Kommunikations-Trends anhören.
Chancen nutzen – Risiken vermindern
Doch was beinhaltet Corporate Digital Responsibility konkret? Welche Chancen und Risiken können durch ein umfassendes CDR-Konzept genutzt, beziehungsweise vermindert werden? Die Megatrends Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit verschmelzen und bilden zusammen gänzlich neue Herausforderungen für Unternehmen. Risiken lassen sich in der wachsenden Dynamik und dem Tempo erkennen, in dem neue Produkte sowie Produktions- und Geschäftsprozesse entstehen. Arbeitsplätze werden wegrationalisiert, der globale Wettbewerb verschärft sich. Lieferketten werden nahezu unüberschaubar, gleichzeitig passen sich Werte, Kodizes und Rechtsprechung nur schleichend an die Besonderheiten der Industrie 4.0 an. Folgen sind eine kaum zu bewältigende Informationsflut und Vertrauensverlust. Neue Technologien bedeuten aber auch neue Chancen: Effizientere Wertschöpfung, höhere Transparenz und Partizipation sind nur einige Beispiele. Es gilt, die Risiken der Digitalisierung zu minimieren und Chancen zu nutzen. Beraterin und Speakerin Dr. Saskia Dörr hat zu diesem Zweck 15 Handlungsfelder der CDR definiert, die sich mit Themen wie Vielfalt und Künstlicher Intelligenz (KI) bis hin zu ethischem Marketing und Zero Waste befassen.
Erwartungen frühzeitig erkennen
Im Rahmen der digitalen Transformation verändern sich die Erwartungen der Stakeholder*innen an Unternehmen. Insbesondere der Umgang mit persönlichen Daten spielt dabei eine Rolle. Privatsphäre-Bedenken müssen nicht nur technisch, sondern auch kommunikativ aus dem Weg geräumt werden, um das Vertrauen der Kund*innen zu sichern. Die „gläsernen Nutzer*innen“ werden zu neuen relevanten Stakeholder*innen. Es geht für Unternehmen langfristig also darum, ihre Erwartungen im Hinblick auf die Digitalisierung frühzeitig – am besten vor allen anderen – zu erkennen und zu reagieren. Dabei kann der Kommunikationsnachwuchs eine wichtige Rolle übernehmen.
Denn Young Talents bringen ein intuitives digitales Verständnis mit. Doch bevor sie dieses ins Unternehmen einbringen können, stellt sich die Frage: Was erwarten sie im digitalen Zeitalter von Unternehmen? Nicht immer ist ein vollständig ausgearbeitetes CDR-Konzept Voraussetzung für die Attraktivität potenzieller Arbeitgeber. Jedoch sollten Führungskräfte im Hinblick auf die Herausforderungen rund um Digitalisierung freiwillig und proaktiv Verantwortung wahrnehmen. Wer hinter dem Unternehmen steht und ob Versprechen wirklich gelebt werden – darauf legen die Generationen Y und Z Wert. „Gerade bei jüngeren Konsumenten spielt ein nachhaltiger Lebensstil häufig eine wichtige Rolle und wird immer gefragter“, stellt auch Dr. Kai Hudetz vom Marktforschungsinstitut IFH Köln fest. Außerdem sind sie Digital Natives – und dadurch nicht nur nah an der relevanten Zielgruppe, sondern auch an digitalen Trends und der Netzöffentlichkeit dran.
Aufgrund ihres eigenen digitalen Lebensstils und ihrer Expertise sind Nachwuchskräfte im Kommunikationsbereich überaus wertvoll. So können sie zum Beispiel dabei unterstützen, das Unternehmen innerhalb öffentlicher Diskussionen zum Thema Digitalisierung zu positionieren oder sogar Agenda-Setting zu betreiben. CDR bedeutet aber nicht nur, das eigene Digitalkonzept kommunikativ gut aussehen zu lassen. Weitere konkrete Maßnahmen sind beispielsweise erhöhte Transparenz bei der Verarbeitung von Daten, verringerte Komplexität von AGB-Texten oder Workshops, die Mitarbeitende dabei unterstützen, ein Gefühl für die Problematik zu bekommen. Insgesamt setzen diese beispielhaften Maßnahmen eine umfassende Analyse der Chancen, Risiken und Interessen der Stakeholder*innen voraus.
Corporate Digital Responsibility wird in Zukunft weiter in den Fokus der Medien und der Öffentlichkeit rücken. Wie Unternehmen bereits jetzt Digitalthemen im Hinblick auf gesellschaftliche Verantwortung kommunizieren, untersucht aktuell das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW). Die Ergebnisse dieser empirischen Analyse von Nachhaltigkeitsberichten werden Anfang 2022 veröffentlicht.
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// Über die Autorin
Jacqueline Harmuth studiert im dritten Bachelorsemester Public Relations an der Hochschule Hannover. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in unterschiedlichen studentischen Initiativen. Im Verein PRSH e.V. gestaltet sie als Teil des Teams Kommunikation den monatlichen internen Newsletter mit, recherchiert und schreibt Texte.