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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Kurzvideo-App TikTok feierte Ende September 2021 einen Meilenstein: eine Milliarde aktive User*innen weltweit. Mit über zwei Milliarden Downloads ist sie die Social-Media-App, die bisher am häufigsten heruntergeladen wurde. Spätestens seit der Pandemie besteht kein Zweifel mehr daran, dass TikTok wahnsinnig erfolgreich ist. Auch andere soziale Netzwerke haben diese Popularität längst erkannt, kopierten das Prinzip des Konkurrenten mit chinesischen Wurzeln und schufen ihre eigenen Features für Full-Screen-Kurzvideos. Im aktuellen OSK Weekly fassen wir für Sie zusammen, warum die anderen Plattformen TikTok mit ähnlichen Formaten Konkurrenz machen wollen, woher der Trend der Social-Media-Häppchen kommt und was genau Snackable Content so erfolgreich macht.
Viel Spaß beim Lesen!
„Snackbare“ Inhalte durch TikTok ins Leben gerufen
TikTok ist eine Erfolgsgeschichte, wie sie nur das Social Web schreiben kann: Obwohl das Unternehmen ByteDace die App unter dem ehemaligen Namen „musical.ly“ ursprünglich lediglich zum Posten von Lip-Sync- und Tanzvideos veröffentlichte, habe sie laut Forbes den Status quo der sozialen Medien massiv verändert.
Insbesondere seit Corona erreicht TikTok immer wieder neue Höhen. Nach einem rekordverdächtigen ersten Quartal, in dem die trendige App 315 Millionen Installationen verzeichnete, hat sie inzwischen die Marke von 2 Milliarden Downloads auf iOS- und Android-Geräten überschritten. Eine Download-Statistik von SensorTowers kommt zu dem Ergebnis, dass dies die größte Anzahl von Downloads für eine Social-Media-App in einem einzigen Quartal überhaupt ist. Erst jüngst verzeichnete TikTok seinen größten Meilenstein: eine Milliarde aktive User*innen. Allein in den USA zählt das Netzwerk mehr als 100 Millionen Menschen, die es monatlich aktiv nutzen. Man kann auch sagen: TikTok hat die digital-soziale Welt im Jahr 2020 dominiert.
TikTok – das Kurzvideoformat
TikTok ist eine der führenden Plattformen für mobile Kurzvideos. Über die App lassen sich selbstgedrehte Handyclips mit der Musik von bekannten Songs oder Filmszenen unterlegen und mit Filtern, Schnitt-Tools sowie Effekten bearbeiten. Die Nutzer*innen haben eine Vielzahl an Möglichkeiten, ihre Videos aufzubauen und in Szene zu setzen. Das kommt an: Die kurzen, „snackbaren“ Inhalte auf der Plattform werden täglich millionenfach erstellt und abgerufen, wobei das 15-Sekunden- bis Drei-Minuten-Format vor allem bei den unter 40-Jährigen großen Anklang findet. Eine Anleitung für TikTok-Anfänger*innen finden Sie auf unserem Blog.
Durch den Einsatz bestimmter Musiksequenzen oder Marketing-Maßnahmen von Unternehmen bringt TikTok immer wieder neue Trends und Challenges ins Netz. Dadurch ist die Plattform zu einem wichtigen Zentrum der digitalen Jugendkultur geworden. Ein besonderes Phänomen, was durch TikTok eine ganz neue Dimension erhalten hat, ist die Viralität. Denn: Auf der Plattform könne ein Video laut Zeit Online viel schneller erfolgreich sein als auf anderen Plattformen. Das hängt unter anderem mit den zahlreichen Interaktionsmöglichkeiten zusammen, die das Netzwerk bietet. Aber nicht nur das: Anders als bei anderen Plattformen bekommen Nutzer*innen zusätzlich zu dem Content von abonnierten TikToker*innen auch Inhalte über den sogenannten Für-Dich-Feed angezeigt. Dieser dient quasi als Startseite der App. Was TikTok hier anzeigt, hat sein Algorithmus für jede*n Nutzer*in individuell errechnet und enthalte laut den Entwickler*innen nicht nur Content, für den sich User*innen ohnehin schon interessieren, sondern auch Inhalte, die zum Entdecken neuer Themen einladen.
Spotlight, Reels und YouTube Shorts: die Klone
Konkurrierende Social-Media-Plattform haben den Erfolg der Kurzvideos erkannt: Um mit dem Trend Schritt zu halten, schufen Instagram und Co. ihre eigenen Interpretationen des Erfolgsformats. Doch selbst Video-Content-Gigant YouTube brauchte lange, um auf den rasenden Kurzvideo-Zug aufzuspringen – und launchte im Juli 2021 den TikTok-Klon YouTube Shorts. Snapchat führte im November 2020 einen Bereich namens Spotlight ein, der der „Für dich“-Seite von TikTok ähnelt. Instagram startete sein von TikTok inspiriertes Reels-Feature immerhin schon im August 2020.
Insbesondere Instagram will sich künftig verstärkt auf Videos fokussieren. Als reine Foto-Plattform gestartet, sieht das Netzwerk gerade TikTok, aber auch YouTube, als seine großen Konkurrenten. Die Integration hochformatiger Full-Screen-Videos – besser bekannt als Reels – ist in diesem Zuge der erste große Schritt auf dem Weg hin zum Video-Spezialisten – und eine unmittelbare Reaktion auf die große Popularität von TikTok.
TikTok versus Reels: Wer kann was besser?
Auf den ersten Blick scheint Reels die perfekte Kopie von TikTok zu sein – trotz aller Ähnlichkeit gibt es jedoch einige Unterschiede. Der größte ist die Plattform selbst: Während TikTok eine eigenständige und solitär für Kurzvideos konzipierte App ist, ist Reels nur eines unter vielen Features, die Nutzer*innen auf Instagram zur Verfügung stehen.
Die Umsetzung und Funktionalität ist dabei verblüffend gleich: Mit TikTok wie auch mit Instagram Reels können Nutzer*innen 15-sekündige bis dreiminütige Videoclips aufnehmen und bearbeiten, Musik zu Ihren Clips hinzufügen oder sogar Audio aus dem Video einer anderen Person verwenden. TikTok arbeite laut Allfacebook jedoch immer enger mit allen größeren Musiklabels zusammen und habe dadurch die Möglichkeit, beinahe unbegrenzt viele Songs zur Verfügung zu stellen. Das ist insofern bemerkenswert, als dass es vor ein paar Jahren noch undenkbar war, lizensierte Musik im Social-Media-Kosmos für Videoproduktionen ohne vertragliche Absprache mit den Künstler*innen bzw. Produzent*innen nutzen zu können – auch, wenn Instagram Reels insbesondere Unternehmens-Accounts in der Sound-Auswahl aktuell noch einschränkt.
Erfolgsfaktor „Fast Storytelling“
Längst nutzen auch Werbepartner*innen das enorme Potenzial des kurzweiligen Formats und präsentieren ihre Produkte als Snackable Content. In Bezug auf die hierfür relevanten KPIs zeigen die Apps laut einer Studie von Statista jeweils unterschiedliche Stärken: So biete TikTok deutlich mehr Engagement als Instagram Reels – im Vergleich erhielten TikTok-Videos durchschnittlich doppelt so viele Likes und zweieinhalbmal mehr Kommentare. Das heißt: Wer eine Community aufbauen möchte, ist mit TikTok besser beraten. Instagram Reels hingegen trumpfe in puncto Reichweite auf: Durchschnittlich liege die Zahl der Ansichten eines Videos um 144 Prozent höher als die Follower-Anzahl des Profils. Der chinesische Wettbewerber komme hier lediglich auf 25 Prozent.
Eine von Microsoft finanzierte Studie belegte im Jahr 2000 noch eine durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne von zwölf Sekunden. Etwa 15 Jahre später waren es nur noch acht Sekunden. Heißt: Die Aufmerksamkeitsspanne im Netz ist kürzer geworden, auch wenn User*innen gleichzeitig immer mehr Zeit in sozialen Netzwerken verbringen. Das liege auch an der Flut von Informationen und Inhalten, die über verschiedene Endgeräte und Apps – insbesondere über Social Media – zusammenkommen und um unsere Aufmerksamkeit konkurrieren. Klar, dass bestimmte Inhalte damit zwangsläufig in der Masse untergehen.
Um herauszustechen, sollten Unternehmen und Werbetreibende daher kurze Inhalte produzieren, die unkomplizierte Botschaften, einen Mehrwert, Witz und Story beinhalten – solcher Snackable Content kann von den User*innen schnell, nebenbei und von Anfang bis Ende konsumiert werden. Das steigert gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, dass ein Video geteilt wird und neue Konsument*innen aus der relevanten Zielgruppe erreicht. Da sich aber nicht jede Geschichte innerhalb von ein paar Sekunden erzählen lässt, sollten umfangreichere Inhalte sinnvoll unterteilt und in kleinen aufeinanderfolgenden Video-Portionen gepostet werden. Diese stillen das Verlangen der User*innen, kurzzeitig unterhalten zu werden – und machen im besten Fall gleichzeitig Lust auf mehr.
Darüber hinaus werden auf TikTok Video-Produktionen für jede*n zugänglich: Um die App zu nutzen und kreativen Content zu erstellen, braucht niemand teures Kamera-Equipment, Lizenzen für Schnittprogramme oder gar eine Ausbildung zum Video-Producer. Es reicht, mit dem schon vorhandenen Content zu interagieren, um zu lernen, wie kreative Inhalte entstehen. Dazu trägt auch die Community selbst bei: Zahlreiche User*innen zeigen in „Behind The Scenes“-TikToks, mit welchen einfachen Mitteln ihre Clips zustande kommen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor: Durch die geringen Hürden sind Content-Produzierende auf TikTok im Plattformvergleich diverser aufgestellt, wozu auch der TikTok Creator Fund beiträgt. Dieser schüttet Geld an Teilnehmer*innen aus, damit sie unabhängig von Sponsor*innen und Werbepartner*innen erfolgreiche Inhalte produzieren können. Und mit dem Launch der „Closed Captions“ sorgt TikTok seit April 2021 außerdem dafür, dass sein Content auch für gehörlose User*innen zugänglich ist. Praktisch ist das auch für diejenigen, die sich Videos ohnehin bevorzugt ohne Ton ansehen – ihr Anteil liege bei rund einem Drittel.
Zudem seien Kurzvideos mittlerweile einer der größten Wachstumstreiber für Interaktionen und das organische Wachstum von Accounts. Bei Facebook und Instagram verbringen User*innen mehr als die Hälfte der Zeit mit dem Anschauen von und der Interaktion mit Bewegtbild-Formaten. Das liegt unter anderem daran, dass bewegte Bilder mit Ton grundsätzlich eine größere emotionale Wirkung als ein alleinstehender Text haben. Der Grund: Da sie sowohl Seh- als auch Hörsinn ansprechen, sind die Informationen schneller erfassbar. Zudem bleibt die Botschaft länger im Gedächtnis der User*innen.
Auch Facebook springt auf den Kurzvideo-Zug auf
Einer Cisco-Studie zufolge sollen Online-Videos bis 2022 mehr als 82 Prozent – und damit 15-mal mehr als noch 2017 – des gesamten Internetverkehrs ausmachen. Kein Wunder also, dass jüngst der Eigentümer von Instagram, der Facebook-Konzern, ankündigte, Reels auch in die App seines gleichnamigen Netzwerks zu integrieren. Im selben Zug will das Unternehmen auch die Platzierung von Werbeanzeigen zwischen den Kurzvideos testen.
Dass Snackable Content nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Information dienen kann, zeigt die noch junge App „Newsreels“ – quasi das „TikTok für Nachrichten“. Mit ihr wollen die Entwickler*innen das starre und konventionelle Nachrichtenformat auf die nächste Stufe gehoben haben und „100 Prozent präzise News bis zu 20-mal schneller liefern“. Konkret sieht das so aus: Nutzer*innen erhalten News-Zusammenfassungen in Bullet Points und können wie bei Instagram oder TikTok durch einen gefühlt endlosen Strom von Newsreels hochwischen. Laut der App-Entwicklungsschmiede werde dabei ein breites Spektrum an Herausgebern abgedeckt – von der lokalen und regionalen Ebene bis hin zu globalen Nachrichtenagenturen. User*innen sollen sich künftig also informieren können, ohne zwischen verschiedenen Apps und Nachrichtenquellen hin- und herspringen zu müssen.
Damit entwächst Snackable Content seiner bisher praktisch einzigen Funktion als von Creator*innen erstelltes Unterhaltungs-Element, sondern wird auch für Journalist*innen und News-Formate interessant, um Wissen vermitteln zu können. Und es verdeutlicht: Snackable Content tritt schon heute nicht mehr nur in Form von Kurzvideos auf, sondern lässt sich auch in anderen Formaten wie Infografiken, Texten, Podcasts und Bildern denken. So entsteht eine weitere wertvolle Möglichkeit, Inhalte erfolgreich in Häppchen zu präsentieren – egal ob tanzend, singend oder informierend. Die Hauptsache ist: Er ist leicht und schnell konsumierbar, bietet einen Mehrwert, ist dabei unterhaltsam und/oder informativ, macht Lust auf mehr – und lädt im besten Fall zur Interaktion ein. Damit gewinnt durchdachter Snackable Content auch als PR-Instrument immer mehr an Bedeutung.
// Über die Autorinnen
Christina Finke ist ausgebildete Print- und Onlineredakteurin, ihr Volontariat absolvierte sie bei der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Bevor sie Mitte 2021 ins Agenturleben einstieg, schrieb sie über alles, was sich ums Thema Auto dreht – zunächst für die Neue Osnabrücker Zeitung, anschließend für die Online-Redaktion der Auto Zeitung. Für OSK textet sie vor allem für Social-Media- und Digital-Projekte. Privat verbringt sie ihre Zeit am liebsten auf dem Beachvolleyballplatz und in Konzerthallen, spielt selbst Klavier und leidet unter permanentem Fernweh.
Jennifer Winter ist studierte Tech-Journalistin und Kommunikations-Wissenschaftlerin. Ihren Master in Technik- und Innovationskommunikation hat sie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg absolviert. Bei OSK arbeitet Jennifer als Online- und Social-Media-Redakteurin. Sie hat sich schon immer für neue Trends und Innovationen im digitalen Bereich interessiert und schreibt darüber für den OSK Blog. Privat ist sie auf dem Fußballplatz zu Hause, verfolgt den internationalen Fußball und spielt auch selbst im Verein.