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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Twitter und Facebook investieren in Newsletter-Tools. Durchaus eine kleine Sensation, denn wer hätte noch vor wenigen Monaten gedacht, dass soziale Netzwerke auf das häufig als „altbacken“ wahrgenommene digitale Rundschreiben setzen? Dabei zählen Newsletter nach wie vor zu den reichweitenstärksten Kommunikations-Werkzeugen und sind in vielen Branchen als verkaufsunterstützendes Instrument unverzichtbar. Im aktuellen OSK Weekly betrachten wir daher, was hinter dem jüngsten Newsletter-Boom steckt.
Viel Spaß beim Lesen!
Wenn das „unbeliebte Kind“ auf einmal cool ist
Eine direkte Zielgruppenansprache, Unabhängigkeit von großen Plattformen sowie Automatisierungs- und Tracking-Optionen für E-Commerce-Funnel sind schlagende Gründe dafür, warum die häufig totgesagten Newsletter auch bei Kommunikations-Profis weiterhin beliebt sind. So bieten laut der EHI-Studie „E-Commerce-Markt Deutschland 2020“ gut 93 Prozent aller untersuchten E-Commerce-Betreiber ein E-Mail-Abonnement an. Damit gehöre E-Mail-Marketing nach wie vor zu den absoluten Standard-Kommunikationsmaßnahmen für Online-Shops.
Fakten wie diese könnten für den 280-Zeichen-Dienst Twitter ausschlaggebend gewesen sein, sich nun ebenfalls im Newsletter-Kosmos umzuschauen, wie die Online Marketing Rockstars schreiben – vor ein paar Tagen verkündete das Unternehmen in einem Blog-Post die Übernahme von Revue. Das Startup hat ein Tool entwickelt, mit dem User eigene (kostenpflichtige) Newsletter erstellen können.
In der Ankündigung erklärt Twitter, dass die Plattform auf diese Weise auch längeren Inhalten mehr Reichweite ermöglichen wolle. Speziell Redakteure, Content Creators und Themen-Experten solle das Tool helfen, sich zukünftig als Personal Brand zu positionieren.
Aus Altruismus handele Twitter aber nicht, wie OMR unterstreicht. Bereits 2018 hat Revue seinen Newsletter-Dienst um eine Paid-Funktion erweitert. Damit war es AutorInnen möglich, ihre Texte ausschließlich gegen Bezahlung anzubieten. Sechs Prozent dieser Einnahmen hat Revue als Provision einbehalten. Twitter senke diesen Wert und wolle noch fünf Prozent für sich behalten. Sollte der Plan aufgehen und genügend interessierte User anziehen, hätte das soziale Netzwerk eine funktionierende, von Anzeigen unabhängige Erlösquelle aufgebaut.
Twitter ist mit diesem Plan jedoch längst nicht mehr allein: Laut Aussagen der New York Times arbeite auch Facebook an einer Newsletter-Funktion. t3n fasst zusammen: Das Tool richte sich vor allem an SchriftstellerInnen sowie JournalistInnen und solle helfen, Follower auf Facebook aufzubauen, E-Mail-Listen zu verwalten und bezahlte Abonnements anzubieten. Wie weit die Entwicklung bereits vorangeschritten ist, sei noch unklar, ebenso wie ein Veröffentlichungstermin. Angeblich soll Facebook das Projekt aber noch diesen Sommer der Öffentlichkeit vorstellen.
Newsletter sind beliebt, weil sie unabhängig machen
Die Vorteile von Newslettern sind, wie erwähnt, vielfältig. Zum einen sind Newsletter flexibel einsetzbar. Sie helfen Unternehmen etwa dabei, ein Thema zu besetzen, unterstützen beim Image Building oder im E-Commerce. Zum anderen kommen Publisher damit sehr nahe an ihre Zielgruppe heran, schließlich öffnen Nutzerinnen und Nutzer ihre E-Mail-Postfächer in der Regel mehrfach am Tag. Wer dort jedoch unaufgefordert oder mit mittelmäßigen Inhalten „reinplatzt“, fliegt schnell wieder raus oder landet gar auf einer „Blacklist“. Absender, die die Erwartungen der LeserInnen allerdings übertreffen, können eine enge Bindung zu ihnen aufbauen.
Was für viele Fürsprecher jedoch entscheidend ist: Newsletter machen unabhängig: Die Inhalte liegen in der Kontrolle des Absenders. Kein Algorithmus beeinflusst, was die Zielgruppe sieht. JournalistInnen können unabhängig von den Interessen ihrer Arbeitgeber eigene Themen bearbeiten. Und sie können Geld damit verdienen.
Vorreiter in diesem Bereich ist die Newsletter-Plattform Substack, erklärt Basic Thinking. Die Venture-Capital-Firma Andreessen Horowitz, die unter anderem auch in Skype, Twitter und Clubhouse investiert hat, nennt das Unternehmen „die führende Abo-Plattform für unabhängige Autoren von Newslettern“. Substack hat in den vergangenen Monaten einen ziemlichen Rush erlebt: Befeuert durch die Pandemie und damit verbundenen Entlassungen bei Online-Publishern und Verlagen ist es für RedakteurInnen extrem attraktiv geworden, einen eigenen Newsletter zu starten. Und auch immer mehr User entdecken die Plattform – im vergangenen September sollen rund 250.000 User mindestens einen Newsletter kostenpflichtig abonniert haben.
Neben Twitter und Facebook möchten sich angesichts dieser verlockenden Aussichten nun auch zunehmend Medienhäuser ihren Teil vom Newsletter-Kuchen sichern. Laut der Nachrichten-Website Axios arbeitet zum Beispiel Forbes aktuell an einem eigenen Angebot, das ermögliche, eigene Paid-Newsletter zu veröffentlichen. Die erzielten Einnahmen werden dann mit dem Wirtschaftsmagazin geteilt.
Das Thema nimmt also ordentlich Fahrt auf – der „battle of the inbox“, wie Digiday treffend beschreibt, hat begonnen.
Mit Mehrwert zur Millionen-Marke
Aufgrund der Beliebtheit von Substack tummeln sich auf der Plattform mittlerweile einige „Best Cases“, die überaus erfolgreich sind und hohe Umsätze generieren. So zum Beispiel das Angebot von Heather Cox Richardson: In ihrem grundsätzlich kostenfreien Newsletter „Letters from an American“ fasst die Geschichtsprofessorin das politische Tagesgeschehen in den USA zusammen – und erreicht damit täglich 350.000 Abonnenten. Weil sie aber unter anderem für die Kommentar-Funktion ein paar Dollar nimmt, generiert sie nicht nur viele Abonnements, sondern genauso einen Millionen-Umsatz. Der exklusive Zugriff auf das Archiv macht das bezahlte Abo doppelt attraktiv.
Andere große Newsletter sind etwa „The Dispatch“ und „Sinocism“. „The Dispatch“ hat bereits im März vergangenen Jahres die Marke von einer Million Dollar Umsatz erreicht. In dem Format stellt Stephen Hayes faktenbasierte Reportings und Kommentare zu Politik, Politikwissenschaft und Kultur vor. Bill Bishop geht mit „Sinocism“ in eine andere Richtung: Mit dem Slogan „Get smarter about China“ veröffentlicht Bishop Experten-Insights über China. Sein Newsletter gehört zu den Publikationen mit den höchsten Einnahmen auf Substack.
Thematisch in eine ähnliche Richtung geht „China.Table“. Hinter der regelmäßigen Publikation steht Sebastian Turner, langjähriger Herausgeber und Gesellschafter des „Tagesspiegels“. Das überaus hochwertige Angebot erscheint seit Anfang des Jahres und soll einen Beitrag dazu leisten, die Informationsasymmetrie zwischen Deutschland und der Weltmacht China zu vermindern. Dafür berichtet eine achtköpfige Redaktion aus Peking, Brüssel und Berlin. Turner sagt dazu: „Die Bedeutung von China für Deutschland ist nur mit der von Europa und den USA zu vergleichen – aber wie wenig wissen wir im Vergleich über China.“ Zielgruppe sind Entscheider und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Verwaltung, NGOs und Verbänden.
Leser zu zahlenden Abonnenten zu machen, ist gar nicht so leicht. Substack rät Publishern daher, kostenfreien Qualitäts-Content und kostenpflichtigen Mehrwert im Gleichgewicht halten, sodass die kostenlosen Inhalte im besten Falle als Werbung für die bezahlte Arbeit dienen. Daher sollten AutorInnen besonders auf die Qualität und die Attraktivität für ein breites Publikum achten, um möglichst viele LeserInnen davon zu überzeugen, ein kostenpflichtiges Abo abzuschließen.
Funktioniert das Paid-Newsletter-Modell auch in Deutschland?
JournalistInnen wollen ihre Arbeit und Expertise selbst monetarisieren und verstehen sich als eigene Marke. Dabei setzen sie immer mehr auf bezahlte Inhalte. Doch wollen die deutschen JournalistInnen das auch?
Nach Media Lab scheitert es jedenfalls nicht an der Technik: Unzählige Tools machen es möglich, eigene Publikationen kinderleicht digital zu veröffentlichen und ein „Mini Media Empire“ zu gründen. Ein Nachteil: Die Plattformen Substack, Steady und Revue verlangen einen kleinen Teil des Umsatzes, um dort aktiv sein zu dürfen. Dennoch gibt es auch in Deutschland erfolgreiche Revue-Projekte, etwa den Fußball-Newsletter „Fever Pit’ch“, in dem Sportjournalist Pit Gottschalk täglich das Fußballthema des Tages präsentiert und Links zu nationalen, aber auch internationalen Fußballgeschichten liefert.
Ein weiterer Punkt, der hierzulande Unbehagen auslösen könnte: Wer sein eigenes Medienimperium aufbauen möchte, muss wie ein Unternehmer denken. Die Auseinandersetzung mit Business-Plan, Zielgruppen, Vertrieb und Marketing ist jedoch weit entfernt vom Selbstverständnis deutscher JournalistInnen, merkt Media Lab an. Hinzu komme, dass die Deutschen im Zweifel eher auf Nummer sicher gingen: Statt Hals über Kopf ein eigenes Projekt anzufangen, behalten sie lieber ihre Festanstellung. Dann doch lieber ein zweites Standbein nebenbei aufbauen? Dieser Gedanke begleitet einige deutsche Nachrichtenprofis. Ein eigener Newsletter könnte die Recherchen ergänzen und einen zusätzlichen finanziellen Bonus bringen – man müsse ihn „nur“ in den Alltag integrieren.
Fazit: Nicht das große Geld, aber Expertenstatus
JournalistInnen wollen als ExpertInnen wahrgenommen werden. Mit einem Newsletter können sie genau das erreichen. Zwar schafft es nur ein kleiner Prozentsatz, von Newslettern leben zu können – die neuen Möglichkeiten bieten jedoch genug Ansätze, um sich als Publisher ein Stück weit unabhängiger zu machen, zum Beispiel von Facebook und Co. Gleichzeitig ist der Aufbau einer Newsletter-Community harte Arbeit – daran kommt man nicht vorbei, wie wir aus eigener Erfahrung mit dem OSK Weekly zu berichten wissen.
Unsere Einschätzung: Wer strukturiert und durchdacht an das Projekt „Newsletter“ herangeht, hat solide Chancen, sich eine treue „Follower-Base“ aufzubauen. Dabei liegt besonders in der Nische die Chance, als Experte wahrgenommen zu werden, zumal eine Umfrage im Auftrag von Next Media Hamburg zeigt, dass die meisten LeserInnen journalistischer Angebote bereit sind, für guten Journalismus zu zahlen. Warum dann nicht auch für Paid Newsletter?
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