Sie möchten unseren Newsletter zukünftig direkt an Ihr E-Mail-Postfach zugestellt bekommen? Dann melden Sie sich hier für den OSK Weekly an.
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die CES fand dieses Jahr komplett online statt – natürlich. Die Erwartung an die wichtigste Tech-Messe der Welt waren in diesem Kontext vorab besonders hoch. Wer, wenn nicht die CES, ist dafür prädestiniert, ein bombastisches Digital-Event umzusetzen? Gary Shapiro, CEO des Veranstalters Consumer Technology Association (CTA), wusste, was zu tun war: „Wir haben uns von der physischen Welt gelöst“, sagte er im Interview mit MarketScale. Statt mit Bühnen und Messeständen ging die CES also mit einer digitalen Plattform, online inszenierten Keynotes und Produktpräsentationen sowie neuen digitalen Interaktionsformen an den Start. Auch 2022 würden Teile der Messe digital bleiben, verkündete Shapiro. Grund genug, uns den digitalen Ableger der CES genauer anzuschauen.
Viel Spaß beim Lesen!
What happens in Vegas… will never happen online?!
Dreh- und Angelpunkt der digitalen CES war in diesem Jahr eine eigens von Microsoft programmierte interaktive Plattform, deren Look and Feel alten CES-Hasen nicht allzu fremd vorkommen sollte, aber einige neue Features für die registrierten Nutzerinnen und Nutzer mitbrachte. Die Plattform bündelte Keynotes, virtuelle Produktvorstellungen und Pressekonferenzen sowie einen „Live Anchor Desk“, von dem aus Netzpersönlichkeiten wie die Tech-Influencerin „iJustine“ Justine Ezarik oder Netzreporter Rich DeMuro an den Ausstellungstagen fast rund um die Uhr moderierten. Zudem ermöglichte es die Plattform Ausstellern, digitale Messestände zu errichten. Nutzerinnen und Nutzer konnten Termine mit Unternehmensvertretern organisieren – oder ganz unverbindlich im Chat an sie herantreten. Registrierte Nutzerinnen und Nutzer konnten sich darüber hinaus mit anderen austauschen und Meet-ups vereinbaren.
Viele Aussteller haben auch für die digitale CES Vorträge und Präsentation auf die Beine gestellt, oftmals in Form von mehr oder weniger aufwändig vorab produzierten Videos. Condé Nast nutzte die CES wie andere Verlagshäuser in der Vergangenheit für Networking sowie Verkaufsgespräche. In diesem Zusammenhang konzipierte das Medienunternehmen ein zweitägiges virtuelles Programm, bei dem namhafte Redakteure und Redakteurinnen den Slack-CEO Stewart Butterfield oder den ehemaligen Verteidigungsminister der USA Ash Carter interviewten, schreibt Digiday. Und der Mediengigant iHeartMedia versuchte, der Veranstaltung doch noch ein bisschen Vegas-Flair zu verleihen: Mit einer digitalen Party samt animierter Tänzer, auf der unter anderem Billie Eilish auftrat, derzeit wohl eine der weltweit größten Pop-Persönlichkeiten. Das Veranstaltungskonzept des „virtual floating hubs“ basiere auf den Erfahrungen, die man im vergangenen Jahr auf virtuellen Musikveranstaltungen gesammelt habe und solle ein „entferntes Beisammensein in einer Zeit […] bieten, in der das tatsächliche persönliche Zusammensein begrenzt ist“, sagte iHeartMedia-CEO Bob Pittman dem Techportal CNET.
Tech-Trends und Produkt-Highlights
Ob digital oder physisch: Die CES ist nach wie vor die Messe, auf der Hersteller von Unterhaltungselektronik ihre neuesten Entwicklungen präsentieren, die häufig richtungsweisende Impulse für die jeweilige Branche geben. Hier einige ausgesuchte Highlights:
Wenig überraschend hat die Pandemie Einfluss auf viele Neuheiten gehabt, die auf der Messe vorgestellt wurden. „Hygiene“ war ein häufig vertretenes Thema. Die AirPop-Maske etwa soll die Atemzyklen ihres Trägers vermessen und Auskunft darüber geben, wie viele Schadstoffe die Maske aus der Atemluft gefiltert hat. Eine weitere „Masken“-Neuheit: Das MaskFone vom britische Mobilfunkhersteller Binatone kombiniert ein kabelloses Headset mit einer Atemmaske. Ein eingebautes Mikrofon soll bei Telefonaten für eine gute Verständlichkeit sorgen. Darüber hinaus gab es desinfizierende UV-Lampen zu sehen oder sogar einen Roboter, der via UV-Licht ganze Räume desinfizieren können soll.
Unter den Automobil-Herstellern sorgte Mercedes-Benz mit dem MBUX Hyperscreen für viel Interesse und Aufmerksamkeit. Die Bildschirmfront, die in der ersten Jahreshälfte mit dem EQS auf dem Markt kommt, besteht aus drei Displays, die optisch wie aus einem Guss wirken, und erstreckt sich über die gesamte Breite der elektrischen Limousine. Die Software des MBUX Hyperscreens soll besonders intelligent sein und sich auf die Bedürfnisse des Fahrers einstellen. Das Stuttgarter Unternehmen hatte das neue Display bereits kurz vor der CES in einer digitalen Weltpremiere vorgestellt.
Im Bereich Smartphones lag ein Schwerpunkt auf ausfahrbaren Bildschirm-Konzepten, im Englischen oft „rollable“ genannt, auch der Begriff etwas irreführend klingen mag. Denn „rollbar“ sind die Geräte nicht. Vielmehr lassen sie sich vergrößern, etwas von Smartphone- zu Tablet-Größe. Sowohl der Tech-Riese LG als auch der chinesische Elektronik-Hersteller TCL zeigten dazu Konzepte auf der CES, zu denen aktuell noch nicht viel bekannt ist.
Robo-Haustiere und Bot-Butler – die ausgefalleneren Gadgets der Messe
Gadgets, die überraschen oder sogar zum Schmunzeln bringen, sind fester Bestandteil der CES. Unter diese Kategorie fällt dieses Jahr definitiv das putzige Robo-Haustier namens „Moflin“ des japanischen Herstellers Vanguard Industries. Das KI-gestützte Fellknäuel soll zu unterschiedlichen Stimmungen fähig sein und ein Ersatz für echte Haustiere werden. Moflin reagiere auf Stimmen sowie Berührungen und soll durch verschiedene Bewegungen und Quietschlaute unterschiedliche Emotionen zum Ausdruck bringen können. Die Idee überzeugt anscheinend, denn das KI-Plüschtier wurde mit einem der begehrten Messepreise „Best of Innovation Award“ ausgezeichnet.
Auch Petit Quoobo bietet Menschen, die kein Haustier haben können, eine Alternative. Dabei ist der KI-Compagnon im Grunde genommen nur ein Kopfkissen mit Schwanz. Interagiert man mit dem Kissen, reagiert es zum Beispiel mit fröhlichem Schwanzwedeln. Laut Hersteller wirkt das Produkt therapeutisch, da es zum Beispiel gegen Stress helfen soll.
Samsung stellte neben einigen anderen Robotern einen Bot-Butler vor. Mithilfe von KI soll er Objekte unterschiedlicher Größe, Form sowie Gewicht erkennen und greifen und bewegen können. Damit könnte der Roboter etwa dabei helfen, Wäsche wegzuräumen oder Geschirr in die Spülmaschine zu sortieren. Joanna Stern, Kolumnistin beim Wall Street Journal, schrieb dazu auf Twitter: „I need this Samsung Bot Handy right this second. Please send to my house ASAP, Samsung.“
Was sagen Besucher und Journalisten dazu?
Die Reaktionen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern sowie Medien waren gemischt. Einige, wie Joanna Stern, Tech-Kolumnistin des Wall Street Journals, freuen sich darüber, an dem Event in diesem Jahr aus der Ferne teilnehmen zu können. „Das ist die erste CES seit Langem, auf die ich mich wirklich freue. Vor allem, weil ich sie von meinem Keller aus verfolgen kann, und weil Gadget News derzeit eine willkommene Abwechslung sind“, schreibt sie – möglicherweise augenzwinkernd – auf Twitter. Die meisten Besucherinnen und Besucher begegnen der digitalen CES indes mit gemischten Gefühlen: „Keine Menschenmassen mehr, kein hektisches Laufen durch Hotellobbys, weil Veranstaltungen frustrierenderweise direkt hintereinander stattfinden. Keine langen Schlangen mehr, um zu hören, wie jemand schlecht eine Pressemitteilung über die neueste vernetzte Waschmaschine rezitiert, möglicherweise garniert mit einem Auftritt einer B-Prominenz. Keine schnitzeljagdartige Suche nach einer Toilette mehr.“
Und dennoch, schreibt Tiernan Ray auf ZDNet: „Ich vermisse es.“ Ebenso hält es einer der Besucher. Was ihm am meisten fehle? „Ich vermisse die Freebies und Give-Aways“, schreibt er auf der CES-Plattform. Dass Zuschauer nicht von Messestand zu Messestand schlendern konnten, verhindert auch einen weiteren Effekt: Zu den wertvollsten Dingen der CES gehöre die Möglichkeit, durch die Hallen zu gehen und verborgene Schätze zu entdecken, sagt Branchenanalystin Carolina Milanesi. Das gehe nicht beim Scrollen durch eine Liste, wird sie in einem dpa-Text zitiert.
Kein großes Staunen
Eine Veranstaltung wie die CES ins Digitale zu übersetzen, ist eine logistische Mammutaufgabe. Dafür gebührt den Organisatoren jede Menge Respekt. Vor allem, da größere Ausfälle und massive technische Probleme ausgeblieben zu sein scheinen. Gleichzeitig ist der große Wow-Effekt vieler vergangener Messen nicht wirklich aufgekommen. Natürlich gab es sie, die vereinzelten Momente des Staunens, in denen der CES-Spirit beinahe greifbar war. Alles in allem jedoch leider viel zu selten.
Teilweise liegt das daran, dass zur CES neben den Inhalten schon immer auch die Stimmung gehörte. Das bunte Treiben virtuell abzubilden, das sonst nicht nur die Gänge des Las Vegas Convention Center, sondern die ganze Stadt erfüllt, ist schier unmöglich. Da stößt selbst die CES als Online-Event an ihre Grenzen – auch wenn sie einige interessante Ansätze für die Digital-Messe der Zukunft gezeigt hat. Daher sind wir gespannt, was andere Veranstalter davon mitnehmen und wie diese Entwicklung weiter voranschreitet.
Zu weiteren spannenden Themen aus der Digital- und Kommunikations-Branche geht es hier.