Während der Corona-Krise ist „Abstand halten“ oberste Devise. Das stellt gerade Event-Organisatoren vor große Herausforderungen. Dass erfolgreiches Umdenken möglich ist, beweist Céline Flores Willers: Für ihr Networking-Event AHEAD hat die LinkedIn-Influencerin und Gründerin mit ihrem Team innerhalb weniger Tage ein virtuelles Alternativkonzept ausgearbeitet. In unserem Interview nennt die 27-Jährige die Besonderheiten von Online-Sessions, argumentiert für mehr digitales Personal Branding und spricht über ihren außergewöhnlichen Karriereweg.
Céline, am 17. März fand die jüngste Ausgabe deiner Eventreihe AHEAD statt – durch die Corona-Entwicklungen aber nicht physisch in Hamburg …
Genau. Wir hatten uns etwa fünf Tage vorher dazu entschieden, unser Event zu Innovations- und Tech-Themen vor Ort abzusagen. Zu diesem Zeitpunkt war die Situation gefühlt noch gar nicht so dramatisch. Als sich die Lage dann drastisch änderte und ein Event nach dem anderen abgesagt wurde, haben wir schnell eingesehen: Das Risiko ist einfach zu hoch. Wir müssen unsere Gäste, Teilnehmer und uns selbst schützen und das AHEAD-Event in dieser Form schweren Herzens absagen.
Stattdessen hast du dich entschieden, das Event kurzfristig virtuell umzusetzen – so etwas muss aber erst mal auf die Beine gestellt werden. Wie liefen die Tage vor der umgedachten AHEAD für dich ab?
Immerhin hatten wir vier Tage Zeit, um uns etwas Neues zu überlegen (lacht). Ich hatte glücklicherweise ein paar tolle Menschen an der Hand, zum Beispiel einen Remote Trainer. Mit dem habe ich mich sofort kurzgeschlossen, um zusammen im Highspeed-Modus ein virtuelles Workshop-Konzept für die AHEAD zu designen. Zwei Tage lang haben wir die einzelnen konkreten Sessions dann ausgearbeitet.
Wichtig war uns, das Event auch inhaltlich an die aktuelle Corona-Situation anzupassen – denn ehrlicherweise ist das derzeit einfach das bestimmende Thema. Für uns war es logisch, diese Situation mit dem Thema digitaler Workshop zusammenzubringen. Und auf einmal war es Dienstagabend und es ging los – komplett remote.
Wir wollten zeigen, dass ein digitaler Workshop genauso gut wie ein physischer Workshop funktionieren kann.
Wie lief es? Haben sich der Aufwand und die Neuausrichtung am Ende gelohnt?
Auf jeden Fall! Für die Teilnehmer war es kein Problem, sich einfach online dazuzuschalten – im Gegenteil, viele waren überrascht, wie schnell wir umgeplant hatten. Zusätzlich konnten wir kurzfristig auch einige neue Gesichter dazugewinnen. Der Workshop lief wirklich gut, alle hatten Lust, sich konstruktiv auszutauschen, und ich war sehr glücklich, dass das Event auch technisch gesehen reibungslos ablief.
Am Ende war es unser Ziel, allen Teilnehmern klarzumachen, was mit Remote Tools heute alles möglich ist. Wir wollten zeigen, dass ein digitaler Workshop genauso gut wie ein physischer Workshop funktionieren kann. Das positive Feedback hat uns gezeigt: Dieses Ziel haben wir erreicht.
Hattest du schon Vorerfahrungen mit der Planung und Moderation virtueller Events?
Für mich war das tatsächlich eine Premiere – und zwar auf komplett neuem Stresslevel, obwohl ich eigentlich „nur“ im eigenen Homeoffice saß. Du musst auf ganz andere Dinge achten als bei einem Live-Event: Normalerweise hast du als Moderatorin dein Publikum fest im Blick, kannst auf alles, was passiert, schnell reagieren. In einer virtuellen Session gibt es aber lediglich verschiedene Oberflächen und Channels – bist du in einem Fenster unterwegs, siehst du einfach nicht, was gerade im anderen Chat passiert. Wie bei allen neuen Dingen muss man sich an diese Form der Eventmoderation aber einfach nur gewöhnen.
Immer mehr Organisatoren arbeiten aktuell an virtuellen Alternativen für ausgefallene physische Veranstaltungen. Welche Rolle werden Online-Events in Krisenzeiten und darüber hinaus deiner Meinung nach einnehmen?
Ich glaube, wir merken im aktuellen Ausnahmezustand langsam, dass wir die Möglichkeiten virtueller Events bisher viel zu wenig genutzt haben – weil wir schlicht noch nie den Druck hatten, sie im großen Stil zu nutzen. Gleichzeitig sehe ich genau hier Chancen – zum Beispiel für neue, digitale Bildungsangebote, mit denen wir uns als Gesellschaft nun zwingend auseinandersetzen müssen.
Ich glaube, wir merken im aktuellen Ausnahmezustand langsam, dass wir die Möglichkeiten virtueller Events bisher viel zu wenig genutzt haben.
Dein Fokus liegt auf dem Zusammenspiel von Business, Digitalisierung, Innovation und Technologie. Mit AHEAD setzt du genau dort an. Was versprichst du dir persönlich vom Format?
Als After-Work-Event können wir unsere Teilnehmer natürlich nicht holistisch beraten und ihnen erklären, wie sie am besten ihre Digitalisierungsstrategie aufbauen und umsetzen. Was wir aber können: über passende Speaker die richtigen Impulse setzen und inspirieren. Besonders wichtig ist mir, dass die Vorträge nicht bloße „Werbung“ sind, sondern einen echten inhaltlichen Mehrwert bieten.
Dies ist ein starker Aspekt bei der Auswahl unserer Speaker. Deshalb fand ich es auch so toll, dass Sven (Spöde, Senior Consultant Digital Communication bei OSK, Anm. d. Red.) dieses Mal dabei war. Er hat unseren Teilnehmern nicht nur die Möglichkeiten von WeChat nähergebracht, sondern ganz konkrete Tipps gegeben, was wir in der Corona-Krise kommunikativ von China lernen können.
Auf der anderen Seite hast du AHEAD auch als Networking-Event konzipiert.
Ja, das ist neben den Impulsen der zweite wichtige Punkt. In einem überschaubaren Rahmen möchten wir Gründer und Branchen-Vordenker aus den Bereichen Innovation und Digitalisierung zusammenbringen – ganz egal ob Gründer oder aus dem Corporate-Umfeld. Die richtigen Menschen zu vernetzen, das ist unsere Vision.
Ein weiteres Spezialgebiet von dir ist Personal Branding. Warum ist es deiner Ansicht nach so wichtig für Unternehmen, dass ihre Entscheider Gesicht und Haltung zeigen – vielleicht gerade mit Blick auf die aktuelle Lage, wo Mitarbeiter, Aktionäre und andere Stakeholder unsicher sind, wohin die Reise geht?
Erst einmal: Ich halte Personal Branding ganz generell für unglaublich entscheidend. Einfach, weil es viel authentischer und persönlicher ist, wenn eine Person mit mir kommuniziert – und kein Unternehmenslogo. Deshalb sehe ich es als große Verantwortung, aber viel mehr noch als große Chance, CEOs und andere Führungskräfte oder Entscheider auf sozialen, professionellen Netzwerken wie LinkedIn zu positionieren.
Denn es sind starke Vorbilder. Junge Menschen schauen zu ihnen auf und schätzen ihre enorme Erfahrung. Und ich finde es sehr wichtig, dass diese Vorbildfunktion und diese Reichweite besser genutzt werden – etwa, um aktuell Menschen dazu zu motivieren, zu Hause zu bleiben.
LinkedIn-Beiträge dürfen auch unterhaltsam sein.
Für das B2B-Umfeld ist der eigene Auftritt auf LinkedIn heute beinahe obligatorisch geworden. Vielen Beiträgen mangelt es aber am Mehrwert für die Follower. Was macht für dich im Vergleich dazu einen gelungenen Beitrag auf LinkedIn aus?
Ich glaube, dass es zwei wesentliche Komponenten gibt, die einen guten Beitrag ausmachen: einerseits Informationen, andererseits Unterhaltungswert. Denn ganz klar: LinkedIn-Beiträge dürfen auch unterhaltsam sein. Ein Workshop-Gruppenselfie mit dem bloßen Kommentar „Erfolgreicher Workshop!“ ist allerdings weder informativ noch unterhaltsam. Die einfachste Methode, um herauszubekommen, ob mein Beitrag diesen Mehrwert bietet, ist immer noch man selbst.
Frag dich einfach: Wenn ich meinen eigenen Beitrag im Newsfeed sehen würde – würde ich ihn mir selbst anschauen? Würde ich etwas daraus lernen oder schmunzeln oder mich über einen neuen Denkansatz freuen? Ist die Antwort „Nein“, sollte man den Post noch einmal überarbeiten. Genau bei diesen Herausforderungen versuchen wir, unseren Kunden in Workshops zum Thema „Corporate Influencing“ zu helfen.
Du bist im Jahr 2018 nicht nur zur „Miss Universe Germany“, sondern vom LinkedIn-Redaktionsteam auch zu einer der „TOP 25 Voices“ in der DACH-Region gekürt worden – damals hattest du noch nicht einmal deine Masterarbeit eingereicht. Woher kommt deine Power, woraus ziehst du deine Motivation?
Einen richtigen Grund für meine Motivation kann ich dir gar nicht nennen – die war immer schon da. Lustigerweise habe ich vorhin noch mit einem Freund über Motivationsseminare gesprochen. Ich selbst besuche solche Events nicht – ich bin ohnehin einfach unheimlich neugierig und habe jeden Tag große Lust, Neues zu lernen. Wahrscheinlich haben mir das meine Eltern mit auf den Weg gegeben. Ich denke, wenn man ernsthaft Interesse an Themen hat, ist man automatisch motivierter und erreicht dann auch seine Ziele schneller.
Anfang 2019 hast du dich gegen eine Festanstellung bei Ernst & Young und für dein eigenes Business entschieden. Kannst du mir erklären, was die Gründe für diesen Weg waren?
Langfristig wollte ich schon immer entweder selbstständig sein oder Gründerin werden. Die Unternehmensberatung war aber durchaus eine coole Alternative für mich: Du arbeitest in agilen Teams und oft unter Zeitdruck auf ganz konkrete Ziele hin. Und weil du mit so vielen verschiedenen Projekten in Berührung kommst, ist die Lernkurve sehr steil.
Diese Arbeitsweise ähnelt dem Gründen viel mehr, als man vielleicht denkt. Als mir dann aber das ganze Thema LinkedIn mehr oder weniger „vor die Füße gefallen“ ist, war mein Gedanke: „Mensch, warum nutze ich das nicht einfach direkt, um mein eigenes Business aufzuziehen?“ Ich muss aber auch sagen, dass ich damals durch meine erste Bekanntheit eine sehr gute Ausgangsposition hatte, noch ehe ich meinen Master beendet hatte. Für jemanden in Festanstellung und ohne Personal Brand ist der Prozess natürlich herausfordernder.
Extrem wichtig war für mich dieser perfekte Zeitpunkt nach dem Studium: Einerseits wusste ich, dass ich bereits erste Aufträge hatte, andererseits war ich es gewohnt, mit wenig Geld auszukommen. Da habe ich mir gesagt: 800 bis 1.000 Euro holst du auch als Selbstständige immer irgendwie rein. Wer also gründen will, dem kann ich nur ans Herz legen, das direkt nach dem Studium zu tun.
Abschließend: Welche persönlichen Pläne hast du für das verbleibende Jahr 2020?
Mein größtes Projekt in diesem Jahr, neben meinen eigenen LinkedIn-Aktivitäten, ist auf jeden Fall ein E-Learning-Angebot zum Thema Personal Branding auf LinkedIn. In den letzten zwei Jahren habe ich so viele Erfahrungen auf dem Gebiet gesammelt – diese Expertise möchte ich jetzt gerne teilen und an andere weitergeben. Weil ich es so wichtig finde, dass sich Professionals positionieren und selbst ihre persönlichen Learnings teilen, damit jeder davon profitieren kann.
Ich habe mich vorhin noch mit meiner Kamerafrau über das Set-up und die Inszenierung des Drehorts für das E-Learning kurzgeschlossen. Das E-Learning wird hoffentlich in den nächsten zwei Monaten fertig. Wobei fertig niemals fertig bedeutet, denn dann stehen Vermarktung und Co auf dem Programm. Es bleibt also spannend.
Céline, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für deine Zukunft!
Bilder: Céline Flores Willers
Update: 2020 hat Céline The People Branding Company gegründet.
// Über den Autor
Für Marcel Bender dreht sich alles um die Stories hinter den Marken, Menschen und Technologien der Unternehmenswelt. Bevor er 2014 als Redakteur ins Agenturleben einstieg, tauchte der Postrock-Bassist an der Uni Essen in die Frage ein, was Kommunikation eigentlich ist, wie sie funktioniert – und warum wir uns trotz ihres Hangs zum Scheitern dennoch verstehen. Für OSK textet Marcel vor allem für Social-Media- und Digital-Projekte. Auf der Rasierklinge der rasanten, digitalen Veränderungen kämpft er für mutige, kreative und authentische Corporate-Kommunikation entlang aller Kanäle. Nach Feierabend verbringt er seine Zeit gerne mit Freunden, in Youtube-Sessions und mit Dortmunder Fußball-Philosophie.