Über die Messenger-App Snapchat war in den vergangenen Wochen und Monaten im Netz einiges zu lesen. Vor allem bei Jugendlichen ist die Anwendung mit dem Geist-Logo beliebt. Daher hoffen viele Content-Anbieter, über Snapchat eine jüngere Zielgruppe zu erreichen, an die sie bisher nicht rangekommen sind. Doch warum die App so anziehend für Teenager ist und wie sie eigentlich genau funktioniert, ist noch immer vielen unklar. Auch wir haben noch einige offene Fragen, was Snapchat angeht. Und wer könnte diese besser beantworten, als jemand, für den Snapchat zum Alltag dazugehört? In Bentes Leben spielt der Dienst jeden Tag eine Rolle. Die 16-Jährige macht derzeit ein zweiwöchiges Praktikum in unserer Agentur. OSK-Autorin Friederike Pater hat die Gelegenheit genutzt, um sich von Bente erklären zu lassen, wie sie und ihre Freunde Snapchat nutzen und was den Messenger so angesagt macht.
Der Wecker klingelt, es ist 6 Uhr in der Früh. Bente greift zu ihrem Smartphone. Es liegt direkt neben ihrem Kopfkissen. Sie schaltet den Alarm aus und checkt, noch bevor sie aufsteht, was während der sieben Stunden Schlaf passiert ist. Kurz WhatsApp und Snapchat öffnen, einmal schnell durch den News-Feed bei Instagram scrollen. Eine Freundin fragt bei WhatsApp, ob sie heute Mathe-Unterricht haben. Per Snapchat erfährt sie, was Justin Bieber so getrieben hat, während sie schlief. Bei Instagram entdeckt sie ein paar spannende Bilder von Freunden und liked sie. Nach dieser allmorgendlichen Routine steht sie auf und macht sich gut informiert auf den Weg zur Schule.
200 Millionen Nutzer weltweit, 700 Millionen verschickte Videos und Fotos pro Tag, ein Unternehmenswert von rund 20 Milliarden Dollar – das sind die aktuellen Kennzahlen der App Snapchat, die der Amerikaner Evan Spiegel 2011 erfunden hat. Die Nutzer dieses Chat-Dienstes sind jung, neugierig und suchen nach attraktiven Alternativen zu altbekannten Kommunikationswegen. Während sich Teenager zunehmend von Facebook abwenden, trumpfen Dienste und Plattformen wie WhatsApp, Instagram und Co. auf. Wir haben uns in der „Generation Snapchat“ umgehört und nachgefragt, woran das eigentlich liegt.
Bente erklärt Friederike, wie und wann sie Snapchat nutzt.
Bente ist begeisterte Snapchat-Nutzerin. Die 16 Jahre alte Gymnasiastin macht derzeit ein zweiwöchiges Praktikum bei OSK und hat uns erzählt, wie sie am liebsten mit ihren Freunden kommuniziert. Snapchat und WhatsApp stehen bei ihr an oberster Stelle, bei Facebook sei sie hingegen kaum noch aktiv. Grund für die wachsende Unbeliebtheit der Plattform ist in ihren Augen das steigende Alter der Nutzer. „Niemand möchte seinen Eltern auf Facebook begegnen oder mit seinen Großeltern schreiben“, ist sich Bente sicher. Hinzu komme, dass Facebook den News-Feed zunehmend mit Werbung, Videolinks und erkauften Posts verstopfe. Zwar gibt es auch bei Instagram und Snapchat Werbeinhalte, diese empfindet Bente aber nicht so störend wie bei Facebook, weil sie bislang noch eher selten in den Userfeeds vorkommen. Bei Snapchat sehen nur Nutzer Werbung, die tatsächlich wie bei anderen Snaps darauf klicken und mit der Anzeige interagieren.
Mit der Altersstruktur haben sich laut Bente auch die Inhalte verändert. „Facebook nutze ich eigentlich nur noch, um mich über Veranstaltungen auf dem Laufenden zu halten. Posts von meinen Freunden sehe ich nur noch ganz selten. Die meisten Beiträge, die in meinem News-Feed auftauchen, interessieren mich nicht. Facebook ist langweilig geworden.“ Viel lieber nutzt Bente Instagram, denn dort findet sie schnell die Inhalte, die wirklich mit ihren Interessen übereinstimmen. „Ich mag es, zu reisen, neue Kulturen und Menschen kennen zu lernen, mache gerne Sport und gehe auf Konzerte. Bei Instagram finde ich schnell Profile von Personen, die diese Hobbys teilen und darüber berichten. Anders als bei Facebook kann man sich aussuchen, was man sehen möchte.“
Um 10 Uhr klingelt die Pausenglocke, Bente und ihre Freundinnen sitzen zusammen auf dem Schulhof und sind froh, den Matheunterricht überstanden zu haben. Alle zücken als allererstes das Handy und schauen nach, was sie in den anderthalb Stunden offline in den sozialen Netzwerken verpasst haben. Bente entdeckt auf Instagram ein unglaublich verlockendes Frühstücksbild eines Freundes und bekommt ebenfalls Lust auf einen Pausensnack. Sie verabredet sich schnell per WhatsApp mit einer Freundin, um sie am Kiosk zu treffen. Bevor es zurück in den Unterricht geht, schnell noch einen Snap verschicken und ein Bild bei Instagram hochladen – mal abwarten, wie viele Likes es bis zur nächsten Pause hat.
Die 16-Jährige kennt Snapchats Funktion Discover, nutzt sie aber nicht wirklich.
Bilder, die sie früher noch auf Facebook gepostet hätten, laden Bente und ihre Freunde heute lieber bei Instagram hoch. Die Kommunikation läuft über Dienste wie WhatsApp und neuerdings auch verstärkt über Snapchat. Zwar sind Facebook und sein Messenger weiterhin Spitzenreiter mit knapp 1,5 Milliarden aktiven Nutzern, jedoch konnte Snapchat im vergangenen Jahr mit 57 Prozent das größte Wachstum verzeichnen – Tendenz steigend. Während Instagram und WhatsApp ohnehin dem Facebook-Imperium angehören, dürfte dem blauen Riesen die Entwicklung von Snapchat hingegen weniger gefallen. Schon 2013 erkannte Marc Zuckerberg das Potenzial des Chat-Dienstes und versuchte, die App für drei Milliarden Dollar zu kaufen. Snapchat-Mitbegründer Evan Spiegel lehnte allerdings ab – hinsichtlich des jetzigen Marktwertes des Chat-Dienstes eine gute, wenn auch sehr mutige Entscheidung.
16 Uhr, endlich schulfrei. Auf dem Weg nach Hause plant Bente per WhatsApp und Snapchat den weiteren Tagesablauf. Am Abend steht ein Konzert an, laut Facebook nehmen viele von ihren Freunden an der Veranstaltung teil. Sie schreibt schnell eine Nachricht in ihren Gruppen-Chat bei WhatsApp und verabredet einen Treffpunkt. Die Vorfreude ist jetzt schon groß. Snaps werden hin- und hergeschickt, während sich Bente und ihre Freundin gegenseitig in Sachen Outfit beraten. Während des Konzerts machen sie viele Fotos von der Band und teilen sie über alle möglichen Kanäle mit ihren Freunden.
Der Kölner Dom ist ein ideales Fotomotiv.
Ein hoher Mitteilungsdrang und ständige Erreichbarkeit zeichnen die neue „Snapchat-Generation“ aus. Teenager wie Bente sind sogenannte „Digital Natives“, sie sprechen die Sprache des Netzes fließend. Sie wachsen mit dem Smartphone, Internet und den sozialen Netzwerken auf. Vor allem das Versenden von Bildern und Videos ist bei Teenagern beliebt – das hat Snapchat erkannt und darauf sein Konzept aufgebaut. Aber was genau kann die App überhaupt und wieso ist sie in Bentes Generation so beliebt? „Snapchat ist eine App, die viele in meinem Alter täglich benutzen, hauptsächlich um Fotos und Videos zu verschicken. Ich selber verwende sie auch schon seit über einem Jahr. Ich fand sie spannend, weil es eine völlig neue Art der Kommunikation ist. Es ist simpel und macht Spaß“, findet Bente.
Nach dem Download der App kann der Nutzer individuell einstellen, wer seine „Snaps“ sehen und wer ihm Bilder und Videos schicken darf. Bente kann festlegen, ob andere ihr ohne Erlaubnis Bilder schicken dürfen oder nicht. Ebenso kann sie nur Bilder an Personen schicken, die ihre Anfrage akzeptiert haben und sie somit ihrer Freundesliste hinzugefügt haben. „Der Witz an der App ist, dass der Sender entscheiden kann, wie lange der Empfänger die Datei sehen kann, von einer bis zu 10 Sekunden“, beschreibt die Schülerin die einzigartige Snapchat-Eigenschaft, die die App von allen anderen Chat-Diensten unterscheidet.
Bente erklärt uns eine weitere Funktion, die sogenannte „Story“: Der Nutzer kann seine Fotos oder Videos entweder an bestimmte Personen versenden oder in seine Story, die dann für all seine Kontakte sichtbar ist. Er kann so viele Bilder und Videos hinzufügen, wie er möchte. Die App informiert den User, wer sich gerade das Bild anschaut – und wer einen Screenshot davon gemacht hat. Die Dateien sind 24 Stunden lang sichtbar, in dieser Zeit können sich Freunde die Story 24 Stunden lang angucken, so oft, wie sie möchten. Spannend findet Bente vor allem auch die Snaps und Storys der Stars, die über die App in Echtzeit sämtliche privaten Details ihres Lebens preisgeben. Auch für die Aufbereitung von Nachrichten bietet Snapchat inzwischen eine eigene Funktion: Bei Discover laden verschiedenen Medien, unter anderem CNN, Cosmopolitan oder MTV, Storys hoch, die sich nach 24 Stunden aktualisieren und im Anschluss löschen. Bente ist von diesem Service bisher allerdings noch nicht ganz überzeugt, Nachrichten liest sie lieber weiterhin klassisch auf Websites wie Spiegel Online. Zahlen belegen, dass die Snapchat-Community das Prinzip von Discover noch nicht angenommen hat.
Bente postet das Bild des Doms auf Instagram.
Doch das ist nicht das einzige Problem von Snapchat: Inzwischen gibt es Apps, die die Snaps speichern können – das Alleinstellungsmerkmal des Chat-Dienstes und die Idee hinter dem Konzept gehen verloren. „Wenn sich die Bilder nicht mehr löschen, macht es ja gar keinen Spaß mehr. Dann kann ich auch einfach WhatsApp benutzen“, schlussfolgert Bente. Angst, dass ihre Bilder ohne ihr Wissen doch gespeichert werden, hat sie aber nicht.
21 Uhr, die Band hat ihren letzten Song gespielt und Bente macht sich auf den Weg nach Hause. Sie und ihre Freunde haben sich nach dem tollen Konzert noch viel zu erzählen. Per WhatsApp tauschen sie Schnappschüsse aus und schauen bei Instagram nach, wer ihre Bilder geliked hat. Vor dem Schlafengehen checkt Bente noch einmal alle Kanäle, wirft einen letzten Blick in den News-Feed bei Discover und schickt Gute-Nacht-Snaps an ihre Freunde. Morgen erwarten sie sicher neue, spannende Snapchat-Storys.
UPDATE (19.06.2015)
Nachdem wir den Text veröffentlicht hatten, bekamen wir einige Anfragen mit der Bitte, zu erklären, wie genau man denn einen Snap verschickt. Deswegen hat Bente uns noch einmal eine kurze Anleitung für Snapchat geschrieben, die Neulingen die Basisfunktionen erklärt.
Wer einen Snap schicken möchte, aber noch nicht weiß, wie die App funktioniert, muss sich nicht den Kopf zerbrechen. Es geht wirklich schnell und ist überhaupt nicht kompliziert. Einfach die folgenden vier Schritte beachten, und schon ist die erste Nachricht versendet:
1. Zuerst die App öffnen, dann erscheint direkt die Fotofunktion. Indem man auf den runden Kreis drückt, kann man entweder ein Foto oder ein maximal 15 Sekunden langes Video aufnehmen.
2. Ist das geschafft, gibt es die Möglichkeit, das Bild mit unterschiedlichen Effekten zu bearbeiten, es zu bemalen oder Smileys hinzuzufügen. Auch kurze Texte sind möglich.
3. Bei Fotos muss man nun noch einstellen, wie lange der Empfänger das Bild sehen darf. Möglich ist alles zwischen einer und zehn Sekunden.
4. Wenn das Bild fertig ist, kann man es auf dem Symbol unten in der Mitte speichern, rechts daneben kann man es in seine Story hinzufügen (dann ist es 24 Stunden sichtbar). Ein Druck auf den Pfeil versendet die Nachricht dann schließlich. Geschafft.
Und mehr ist es auch schon gar nicht. Wer Interesse hat, sollte es am besten einfach mal ausprobieren.
// Über die Gastautorin
Friederike Pater ist studierte Journalistin und hat schon während ihrer Unizeit in der PR gearbeitet. Ihr Weg führte sie von der Konzernkommunikation über die Redaktion der Mittelbayerische Zeitung bis hin zu OSK nach Köln. Seit November 2014 arbeitet sie in der Agentur als PR-Assistant im Bereich Consulting. In ihrer Freizeit powert sie sich beim Crossfit-Training aus, genießt das gesellschaftliche, kulturelle und kulinarische Angebot der Rheinmetropole und lässt sich vom urbanen Charme Kölns zur Malerei inspirieren.