eSports boomt. Weltweit und auch hierzulande verzeichnet die Branche von Jahr zu Jahr neue Wachstums- und Umsatzrekorde. Viele Marken tun sich mit einem Engagement aber schwer. Zu undurchsichtig scheint die Gaming-Branche. In unserer Artikelreihe wollen wir daher mit eSports-Experten sprechen und sie fragen, welche Potenziale die Szene für die Marketing- und Kommunikationsbranche hat, wie man einen authentischen Zugang zur Community bekommt und wer die Multiplikatoren sind.
Fußball ist sein Ding – vor allem in digitaler Form. Mohammed „MoAuba“ Harkous ist nicht nur einer der besten eSportler des Landes, sondern auch „FIFA19“-Weltmeister. Harkous ist der erste Deutsche, der sich den begehrten Titel holen konnte – im grünen Werder-Bremen-Trikot, das er kurz darauf ablegte, um fortan für das Schweizer Team von FOKUS CLAN anzutreten.
Im OSK-Interview spricht er darüber, wie Unternehmen ihren Weg in den Markt finden können und worauf sie dabei achten sollten. Und er gibt Tipps, wie man besser in „FIFA“ wird, um seine Freund*innen auf dem digitalen Spielfeld zu schlagen.
Viele Branchen leiden gerade unter den Folgen der Corona-Pandemie. Inwiefern bist du als eSportler von der Krise betroffen?
Der eSport hat natürlich den Vorteil, dass vieles online stattfindet. Daher treffen uns die Folgen der Pandemie weniger hart als andere Branchen. Trotzdem hat der Publisher EA die Global Series, also den gesamten kompetitiven Turnierverlauf, zunächst gestoppt. EA trägt die Events normalerweise weltweit offline aus. Das ist momentan natürlich nicht möglich.
Einige Formate, wie Videos und Livestreams von Spielen, kann EA natürlich weiterhin online veröffentlichen – wir erreichen also nach wie vor ein breites Publikum. Tatsächlich merke ich, dass mein Content und der meiner Teamkollegen noch viel stärker konsumiert wird als vorher.
Warum hat EA die Notbremse gezogen? Hätte man die großen Turniere nicht einfach online stattfinden lassen können?
EA musste die Notbremse ziehen, weil die großen Turniere der Global Series überall auf der Welt stattfinden. Sie online stattfinden zu lassen, wäre nicht möglich gewesen, da die Verbindungen verschiedener Spieler*innen zwischen den Regionen nicht ideal sind. So kann beispielsweise ein Spieler aus Brasilien nicht ohne Probleme gegen einen Spieler aus Deutschland spielen.
Du bist in unserer Artikelreihe der erste Gamer, den wir interviewen können, deshalb die Frage: Wie wird man eSportler?
Um eSportler zu werden, braucht man viel Selbstdisziplin und sehr viel Training. Natürlich gehört auch eine gewisse Portion Talent dazu. In der Regel macht man sich durch konstant gute Leistungen in diversen Turnieren und Qualifikationen für Organisationen und Clubs bemerkbar. So war es auch bei mir, ich habe viele kleinere, regionale Turniere mitgespielt und schnell gemerkt, dass ich ganz gut mithalten konnte.
Um eSportler zu werden, braucht man viel Selbstdisziplin und sehr viel Training.
Wie kann man sich dein Trainingspensum vorstellen? Wie oft trainierst du? Hast du einen Coach?
Am Anfang einer Saison – beziehungsweise eines neuen „FIFA“-Releases – trainieren wir sehr viel. In der Regel setze ich mich in dieser Phase des Jahres ungefähr zwölf Stunden pro Tag mit dem Spiel auseinander. Sobald man die grundlegenden Mechanismen kennt, wird es natürlich etwas weniger. Ich trainiere viel mit anderen Profis und wir treffen uns regelmäßig zu Bootcamps, die unsere Agentur RABONA organisiert.
Ebenfalls wichtig ist mentale Stärke: Gerade in wichtigen Spielen entscheiden oft ein bis zwei schnelle Aktionen über Sieg oder Niederlage. Bei der Weltmeisterschaft hat mich mein Teamkollege STYLO vom FOKUS CLAN gecoacht. Er ist bereits seit vielen Jahren ein Teil der „FIFA“-Szene und bringt dementsprechend eine gewisse Erfahrung mit, was mir vor allem mental sehr geholfen hat.
Wie kann ich mir so ein Bootcamp vorstellen?
Ein klassisches Bootcamp findet meist vor großen Turnieren statt. Wir trainieren dort vor allem die Dinge, mit denen wir uns zu dem Zeitpunkt schwertun. Das können Offensivvarianten sein, aber auch Abwehrverhalten oder taktische Feinheiten, mit denen wir zu kämpfen haben. Die Coaches schauen den Spieler*innen zu und analysieren ihre Stärken und Schwächen. Wenn ein bestimmter Fehler im Spiel verhältnismäßig häufig auftritt, bieten sie Lösungsansätze an – ob wir die Tipps umsetzen, liegt am Ende natürlich an uns Spieler*innen.
Bei einem Treffen mit Jürgen Klopp im vergangenen Jahr sagtest du, man würde als eSports-Profi in etwa so viel „wie ein Zweitligaspieler“ verdienen. Wovon hängt der individuelle Verdienst stärker ab: von der Leistung oder den Sponsoren?
Tatsächlich sind die Unterschiede zwischen den jeweiligen eSports-Titeln riesig. Und innerhalb dieser Titel sowieso. Während manche „FIFA“-Spieler*innen gute, sechsstellige Jahresgehälter verdienen, ist der Großteil der Spieler*innen in der virtuellen Bundesliga froh über jeden Euro Aufwandsentschädigung.
Um mit „FIFA“ richtig viel Geld zu verdienen, muss man schon zu den besten Spieler*innen der Welt gehören oder eine große, für Sponsoren relevante Reichweite mitbringen. Im Idealfall beides, aber von diesen Spieler*innen gibt es deutschlandweit nicht einmal eine Handvoll. Im Grunde ist es im eSports genauso wie in vielen anderen Sportarten.
Der eSport-Markt boomt und viele Unternehmen gehen Partnerschaften mit Veranstaltern und Teams ein. Für Außenstehende bleibt der eSport aber oft eine schwer zugängliche Szene. Was macht die Branche in deinen Augen so speziell? Wodurch unterscheidet sie sich von anderen Industrien, wenn man sich die Struktur, Zielgruppe und Produkte anschaut?
Die Zielgruppe im eSport ist sehr jung und dynamisch. eSport wächst seit einigen Jahren stark und das wird, vermute ich, noch viele Jahre so weitergehen, da die junge Generation mit dem Thema aufwächst. Gerade über Online-Medien ist der Bereich für die breite Masse leichter zugänglich und erreichbar.
eSport wächst seit einigen Jahren stark und das wird noch viele Jahre so weitergehen.
Welche Online-Medien meinst du?
Relevant sind vor allem Twitch und YouTube. Gamer*innen und eSportler*innen können auf beiden Plattformen Livestreams ausstrahlen und entsprechend in Echtzeit mit der Community interagieren. Gerade bei FIFA spielt der Pro-Gameplay eine große Rolle, aber auch die generelle Unterhaltung in Form von bestimmten YouTube-Formaten. Neben den Plattformen Twitch und YouTube sind auch Twitter und Instagram wichtige Social-Media-Kanäle, auf denen die Zielgruppe sehr präsent – und vor allem sehr aktiv – ist.
Gibt es für dich eine bestimmte Marke, die sich in eSport besonders authentisch und nachhaltig engagiert?
Ich kann nicht für alle sprechen, aber unsere Partner vom FOKUS CLAN machen ihren Job schon sehr gut– also Audi, funny-frisch und die Zurich Versicherung. Alle heben sich mit starken und authentischen Platzierungen in Form von interessanten Projekten und Aktivierungen im Markt hervor. Im Zentrum steht immer der Gedanke: „Was ist der Mehrwert für die Community da draußen?“
Brands müssen verstehen, dass in der digitalen Welt des eSports die Ansprache, Wordings, Bildsprache und Frequenz von Botschaften einer ganz anderen Dynamik folgt. Sie ist sehr direkt, sehr schnell. Standard-Digitalmarketing reicht nicht aus, um die Zielgruppe zu erreichen.
Ein Beispiel für zielgruppennahe Aktivierungen ist der 24-Stunden-Stream, der vor kurzem in Zusammenarbeit mit unseren Partnern durchgeführt wurde. Dabei gab es viele Giveaways und Preise für die Teilnehmer*innen. Darüber hinaus verlosen wir im Rahmen unserer Aktionen Spiele und Treffen mit uns oder geben Amateurspieler*innen die Möglichkeit, sich von uns coachen zu lassen.
Wir Spieler*innen legen sehr viel Wert darauf, Ideen und Formate gemeinsam mit den Unternehmen zu entwickeln.
Und klar: Unsere Partner finden auch in unserem Content statt. So haben wir beispielsweise gemeinsam mit funny-frisch eine Tutorial-Serie aufgelegt, die den vielen „FIFA“-Spieler*innen da draußen helfen soll, bessere Spieler*innen zu werden. Unsere Community ist sehr dankbar dafür.
Was vielleicht noch grundsätzlich wichtig ist: Wir Spieler*innen legen sehr viel Wert darauf, Ideen und Formate gemeinsam mit den Unternehmen zu entwickeln. Wir möchten auch dahinterstehen können.
Was würdest du einem Unternehmen empfehlen, das in den eSports-Markt einsteigen will?
Man sollte sich intensiv mit dem Markt befassen, denn Trends ändern sich hier schnell. Heute sind beispielsweise Spiele im Trend, die vor einigen Jahren noch gar nicht existierten oder zumindest nicht relevant waren, darunter „Fortnite“ und „Valorant“. Auch „FIFA“ war vor vier Jahren im eSports-Kontext ein absoluter Nischentitel – die Turnierstruktur, die wir heute kennen, gab es nicht.
Am besten lässt man sich von einer erfahrenen Agentur unterstützen. Gerade in Deutschland haben wir mit STARK Esports oder Freaks4u große und erfahrene Agenturen, die jeweils schon viele Trends und Lebenszyklen von eSports-Titeln kommen und gehen gesehen haben. Zudem sind wir im eSports auf Plattformen wie Twitch aktiv, die im klassischen Marketing häufig vernachlässigt werden, die aber Millionen von Gamer*innen nutzen.
Es ist schon kurios, dass man vielen Marken immer noch erklären muss, was Twitch ist. Oder wie all die weiteren Channels funktionieren, die um das Gaming-Ökosystem herum gebaut sind, also Steam, Discord oder auch Reddit. Da ist die Community – und gutes Marketing heißt immer, sich dort zu positionieren, wo die Adressaten von Kommunikationsmaßnahmen unterwegs sind.
Kannst du uns Tipps geben, wie wir unsere „FIFA“-Skills verbessern können?
Generelle Tipps zu geben, ist immer etwas schwierig, da jede*r Spieler*in einen anderen Stil hat. Einigen Spieler*innen fällt es leichter zu verteidigen, andere sind in der Offensive stärker. Ich schaue mir meine eigenen Spiele im Nachgang immer noch einmal an, vor allem die Tore und Gegentore, und analysiere dann, was gut gelaufen ist – und was nicht. Oft erkenne ich, dass ich in manchen Situationen vielleicht bessere Optionen gehabt hätte. Das versuche ich dann in den nächsten Spielen entsprechend umzusetzen.
Zu weiteren eSport-Interviews geht es hier.