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eSports boomt. Weltweit und auch hierzulande verzeichnet die Branche von Jahr zu Jahr neue Wachstums- und Umsatzrekorde. Viele Marken tun sich mit einem Engagement aber schwer. Zu undurchsichtig scheint die Gaming-Branche. In unserer Artikelreihe wollen wir daher mit eSports-Experten sprechen und sie fragen, welche Potenziale die Szene für die Marketing- und Kommunikationsbranche hat, wie man einen authentischen Zugang zur Community bekommt und wer die Multiplikatoren sind.

Leonie Zeyen, Product Manager eFootball, und Holger Merk, Senior Head of Strategic Marketing, sind beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) für den Bereich eFootball zuständig. Der DFB engagiert sich seit zwei Jahren im eSports, in enger Zusammenarbeit mit seinen Landesverbänden und deren Vereinen. Im Zentrum der Aktivitäten steht die eFootball-Plattform dfb-efootball.de. Im OSK-Interview sprechen Zeyen und Merk darüber, an welche Spieler sich das Angebot des DFB richtet, wie der eigene Einstieg in den eFootball gelungen ist und welche Rolle die großen Publisher spielen.

Leonie Zeyen und Holger Merk sind beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) für den Bereich eFootball zuständig.

Bild: Thomas Böcker/DFB

Wir starten mit einem kurzen Blick zurück: Inwiefern war die vergangene Saison, bedingt durch die Folgen der Corona-Pandemie, anders als andere?

Holger Merk: Wir waren gerade mitten in den Vorbereitungen für die Season Zero unseres DFB-ePokals, als uns die Pandemie traf. Danach war dann eigentlich nur noch Ausnahmezustand.

Leonie Zeyen: Wir orientieren uns ja stark an den Publishern, beispielsweise an EA [Electronic Arts]. Aufgrund der Pandemie hat EA kurzfristig alle FIFA-20-Events abgesagt, verschoben oder als Online-Formate umgesetzt. Das hat sich auch auf uns ausgewirkt.

Holger Merk: Auch der eNations Cup wurde abgesagt, für den bereits die eNationalmannschaft nominiert war. Wir haben dann verschiedene Formate ad hoc konzipiert und versucht, diese schnell mit unseren Ansprechpartnern, FIFA und EA Sports abzustimmen. Das waren vor allem Fanturniere, wir haben aber auch unsere eNationalmannschaft eingebunden. Insgesamt haben wir 18 Formate innerhalb von 6 Wochen abgewickelt. Es hat natürlich geholfen, dass unsere Turnierplattform, auf der der Spielbetrieb stattfindet, zu dem Zeitpunkt schon live war. Dadurch konnten wir vieles ausprobieren. Und einen weiteren Vorteil hatte die Zwangspause: Dadurch, dass Fußballer und eSportler allesamt zu Hause geblieben sind, konnten wir sie für viele unserer Veranstaltungen gewinnen. Das wird in Zukunft schwieriger sein, wenn die Terminkalender wieder voll sind.

Die Community soll sich bei uns in verschiedenen Wettbewerbsformen messen können.

Könnt ihr eure Turnierplattform genauer beschreiben?

Holger Merk: Unsere eFootball-Turnierplattform richtet sich vor allem an die sechs Millionen Hobby-Spieler*innen in Deutschland, die sogenannten Casual Gamer. Und da natürlich vor allem an die, die sich für Sportsimulationen interessieren, also FIFA und PES [Pro Evolution Soccer]. Die Community soll sich bei uns in verschiedenen Wettbewerbsformen messen können. Das verknüpfen wir mit unserem Vereinsleben im Amateurbereich. Wir bieten also Turniere für alle an: auf dem Niveau von Amateurclubs, aber auch auf der Landes- und nationalen Ebene.

Leonie Zeyen: Nutzer können auf der Plattform umfassende Informationen zu Spielern und Turnieren finden. Außerdem gibt es eine Rangliste aller bei uns registrierten Spieler. Sie können sehen, wo sie im Vergleich zu anderen Spielern stehen. Wer will, kann auch seinen Twitch-Kanal bei uns auf der Plattform zeigen – das steht allen Spielern offen. Sie können sich auch ein Stück weit selbst präsentieren.

eSports DFB-Interview OSK Blog - Die eFootball-Turnierplattform des DFB richtet sich vor allem an die sechs Millionen Hobby-Spieler*innen in Deutschland.

Screenshot: dfb.de

Im deutschen Fußball ist der DFB ein Urgestein, wie habt ihr euch dem Thema eFootball genähert?

Holger Merk: Unser großes Ziel war es, von der Community wahrgenommen zu werden und bestenfalls ein Teil davon zu werden. Um das zu erreichen, musste unser Einstieg authentisch sein. Wir haben uns vorab nicht nur mit Publishern und Agenturen ausgetauscht, sondern auch mit Gamern, Fußballspielern, Vereinen, Landesverbänden und der DFL. Wir wollten wissen, wo ihre Wünsche und Bedürfnisse liegen.

Unser großes Ziel war es, von der Community wahrgenommen zu werden und bestenfalls ein Teil davon zu werden.

Vielen Spielern ist die Freiheit wichtig, selbst darüber entscheiden zu können, wann und wo sie an Wettbewerben teilnehmen. Worin sich aber fast alle einig sind, ob auf dem Platz oder an der Konsole: Sie wollen sich im sportlichen Wettbewerb messen und sichtbar sein, egal ob auf Kreisligaebene oder in der Champions League. Das ermöglichen wir mit unserer Plattform. Sie ist eine zentrale Anlaufstelle, auf der sich jeder Spieler präsentieren und im Vergleich mit anderen einordnen kann. So haben wir unsere Rolle gefunden – als Strukturgeber, Organisator und Wettbewerbssteller für die Casual Gamer. Und das ist ja auch das, was wir seit über 125 Jahren im Fußball machen. Jetzt übernehmen wir diese Rolle auch auf dem virtuellen Rasen – mit dem Ziel, dass das Ökosystem eFootball weiterwächst.

Wo lagen die größten Herausforderungen?

Holger Merk: eSports unterscheidet sich vom klassischen Sport vor allem darin, dass es im eSports eine übergeordnete Instanz gibt – einen Taktgeber. Und das sind nicht wir, das ist der Publisher, der Herausgeber eines Spiels. Er macht die Regeln, er ist der Herr des Spiels.

Leonie Zeyen: Die Publisher bringen das Spiel zu einem von ihnen definierten Datum auf den Markt, sie machen die Regeln. Alle anderen müssen sich danach richten.

Holger Merk: Gleichzeitig können die Spieler mit einem einzigen Klick den Wettbewerb oder die Plattform wechseln. Das heißt, unser Angebot muss so attraktiv sein, dass sie sich aktiv für uns entscheiden – gleichzeitig sind wir aufgrund der Rolle der Publisher aber auch nicht komplett unabhängig darin, dieses Angebot zu gestalten.

Wir haben festgestellt, dass einige unserer Nationalspieler auch richtig gut zocken können!

Die Turnierplattform ist also Teil des DFB-Auftritts im eFootball. Was gehört noch dazu?

Leonie Zeyen: Neben der Turnierplattform gehören noch drei weitere Formate zu unserem Auftritt. Das erste sind die DFB-eFootball-Heimspiele. Hier steht die Spielfreude an der Konsole im Mittelpunkt. Das Format richtet sich grundsätzlich an alle begeisterten eFootball-Akteure. Für einige Turniere haben wir aber auch DFB-Nationalspieler*innen sowie Menschen aus dem öffentlichen Leben gewinnen können.

Dabei haben wir festgestellt, dass einige unserer Nationalspieler auch richtig gut zocken können! Darüber hinaus gibt es noch die eNationalmannschaft. Hier steht der Leistungsgedanke im Mittelpunkt. Die eNationalmannschaft tritt gegen andere Nationalverbände an, beispielsweise im eNations Cup.

Ein drittes Element ist der DFB-ePokal, der am 16. Oktober mit der Registrierungsphase startet. Das ist unser Leuchtturmprojekt, das virtuelle Pendant zum DFB-Pokal. Mit dem DFB-ePokal bringen wir alle zusammen: Teams aus dem Amateurfußball, der FLYERALARM Frauen-Bundesliga, der 3. Liga, der Virtual Bundesliga und den Profivereinen. Eigentlich sollte die Season Zero des DFB-ePokals bereits im März starten, daraus wurde dann coronabedingt nichts. Also starten wir jetzt mit der Season One.

Die meisten eurer Events fanden bislang online statt. Plant ihr auch physische Events – sofern es die Regeln zulassen?

Holger Merk: Unser großes Ziel ist erst einmal, die Menschen zum Spielen zu bringen. Und das auch mit Offline-Events. Natürlich könnte eSports auch ohne Zuschauer auskommen – aber ganz ehrlich: Am Ende wünschen sich die meisten Spieler doch auch richtige Events. Ich glaube fest daran, dass jeder Hobbysportler gerne auf der großen Bühne spielen würde, im ganz großen Stadion, wenn er die Möglichkeit dazu hätte.

eSports DFB-Interview OSK Blog -Das Ziel des DFB ist, die Menschen zum Spielen zu bringen.

Der Wunsch nach Öffentlichkeit besteht bei fast allen Spielern – und die wollen wir eben nicht nur den Profispielern geben, sondern auch den sechs Millionen, die eFootball als Hobby betreiben. Diese zentrale Anlaufstelle, die wir ihnen bieten, gibt es bislang noch nicht, weil der Markt sehr fragmentiert ist. Mit diesem Modell unterscheiden wir uns bewusst von allen anderen Teilnehmern, weil wir uns nicht nur an die Profispieler richten – sondern an all diejenigen, die in Deutschland in ihrer Freizeit spielen. Und das ist schon eine sehr große Masse.

Wie kommt eure Strategie bislang an?

Leonie Zeyen: Die Rückmeldungen sind bislang durchweg positiv. Sowohl das mündliche Feedback unserer eNationalspieler als auch das, was schriftlich über unsere Plattform oder unsere Social-Kanäle bei uns ankommt. Natürlich gibt es immer auch Verbesserungswünsche. Wir versuchen, diese aufzunehmen und umzusetzen.

Twitter ist der eSports-Kanal schlechthin.

Welche Social-Plattformen nutzt ihr?

Leonie Zeyen: Wir haben einen Instagram-, einen Twitter- und einen Twitch-Kanal. Twitter ist der eSports-Kanal schlechthin, hier tauschen sich die meisten Gamer aus. Twitch lebt vom Livestreaming, die Produktionen und Übertragungen sind aufwendig, hier probieren wir uns noch ein bisschen aus. Wir übertragen einzelne Formate live mit Moderatoren und kommentierenden eNationalspielern. Künftig wollen wir unsere Videoinhalte auch über YouTube teilen.

Für Unternehmen ist es im Übrigen auch keine schlechte Idee, jetzt Teil dieses neuen Ökosystems zu werden.

Inwiefern lohnt sich das eFootball-Engagement für den DFB? Ist es euer Ziel, Geld damit zu verdienen?

Holger Merk: Für uns ist es zunächst eine Investition. Wir glauben daran, dass sich der Fußball auf dem digitalen Spielfeld ebenso positiv entwickeln wird wie auf dem Rasen. Derzeit finanziert sich der eFootball vor allem über Sponsorengelder. Die bewegen sich in anderen Sphären als beim Rasensport. Wir sind also noch weit davon entfernt, Geld mit dem eFootball zu verdienen. Wir wollen aber auch neue Partner gewinnen, zum Beispiel für den DFB-ePokal.

Wir brauchen die Industrie, damit wir den Traum vom eFootball weiterträumen können. Für Unternehmen ist es im Übrigen auch keine schlechte Idee, jetzt Teil dieses neuen Ökosystems zu werden. Ganz im Gegenteil. Wir wissen, dass unsere Zielgruppe sehr kritisch mit dem Thema Kommerzialisierung umgeht. Wenn ich mich aber als Partner der ersten Stunde positioniere und dabei helfe, das Ökosystem wachsen zu lassen, dann habe ich bei der Community direkt einen großen Stein im Brett.

Unternehmen sollten sie den direkten Austausch mit der Community suchen.

Wie nähere ich mich der Community als Unternehmen denn am besten?

Leonie Zeyen: Ich habe im Rahmen meiner Masterarbeit dazu endemische und nicht endemische Marktteilnehmer in Deutschland befragt. Die Teilnehmer haben die Frage, ob es sinnvoll sei, sich im eSports zu engagieren, ausnahmslos mit „Ja“ beantwortet. Die von mir befragten Unternehmen waren sich der Abhängigkeit vom Publisher bewusst. Sie wussten auch, dass sie es mit einer kritischen Zielgruppe, der Generation Y, zu tun haben, die ja bekanntermaßen immer nach dem „Warum“ fragt. Die Zielgruppe übt auch einen gewissen Innovationsdruck aus, weil sie sehr schnelllebig unterwegs ist. Ist sie von einer Sache oder einem Unternehmen überzeugt, ist sie überaus loyal.

Dazu kommt, dass Gaming aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Alle kommenden Generationen werden sich damit befassen. Unternehmen sollten im ersten Schritt ihre eigene Haltung zu dem Thema finden. Und wenn sie sich im eSports-Bereich positionieren wollen, sollten sie den direkten Austausch mit der Community suchen. Viele Engagements beginnen auf Messen, beispielsweise mit einem Barter Deal auf einem Messestand. Das Unternehmen baut am Messestand eine oder mehrere Konsolen auf und bietet der Community ein Produkt an, zum Beispiel ein Getränk oder ein anderes Give-away. So findet der erste Kontakt statt. Darüber hinaus suchen viele Unternehmen auch Hilfe bei Agenturen.

Die großen Games-Messen werden gerade abgesagt oder finden digital statt. Wie kann ich da als Unternehmen an die Zielgruppe herantreten?

Leonie Zeyen: Genau, derzeit finden Turniere ausschließlich online statt – da wird es natürlich schwer, einen Barter Deal in Form eines Getränks oder Shirts am Messestand anzubieten. Stattdessen können Unternehmen online mit der Community in Kontakt treten – und dort auf sich aufmerksam machen, in Foren, Chats oder in den sozialen Netzwerken. Es geht hierbei um die Interaktion und die Möglichkeit, in den Austausch zu treten, Nahbarkeit zu vermitteln, Feedback einzuholen und auch die Bereitschaft, von der Community zu lernen. Nach meiner Erfahrung kommen kreative Produktplatzierungen und die Möglichkeit der Interaktion gut an.  

Was wird 2021 dem deutschen und internationalen eFootball bringen?

Leonie Zeyen: Wir freuen uns sehr auf die erste Saison des DFB-ePokals. Darüber hinaus gilt aber: Wie immer hängt sehr viel von den Simulationen ab, also FIFA 21 und PES 2021, die im Herbst auf den Markt kommen beziehungsweise schon kürzlich releast wurden. Ein Großteil unserer Aktivitäten hängt davon ab, wie die Spiele bei der Community ankommen. Wir sind natürlich auch sehr gespannt – und werden uns, sobald die Spiele veröffentlicht sind, auch direkt an die Konsole setzen und ausgiebig ausprobieren.

Zu weiteren eSport-Interviews geht es hier.

Über die Autorin

Katalina hat Politik- und Europawissenschaften in Maastricht, Bologna sowie München studiert und sowohl im Journalismus als auch in der Unternehmenskommunikation gearbeitet. Bei OSK leitet Katalina in Doppelspitze die Social-Media-Redaktion. Auf dem Agenturblog schreibt sie über Medien, Apps und soziale Netzwerke. Wenn die Hamburgerin nicht am Schreibtisch sitzt, läuft sie Langstrecken und spielt Basketball.

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.