Ob im Supermarkt, im Ladengeschäft oder über Online-Marktplätze – um möglichst viele Marken auf einen Blick vergleichen zu können, kaufen wir überall und von jedem Ort aus bei verschiedenen Zwischenhändlern ein. Größere Brands und viele Start-ups umgehen jedoch immer öfter den Handel und setzen auf den direkten Vertriebsweg an die Endverbraucher*innen: Direct-to-Consumer, kurz D2C.

Der Trend aus den USA ist auch in Deutschland angekommen und die Zahl der Unternehmen, die ihre eigenen Produkte unabhängig herstellen, kommunizieren, verkaufen und versenden, steigt. Die wachsende Beliebtheit dieses Ansatzes wirbelt die Handelswelt mächtig auf.

Was D2C ist, welche Vorteile es mit sich bringt und was es für die Geschäftslandschaft bedeutet, erklären wir im Blogbeitrag.

OSK Blog - Direct-to-Consumer - Der Direktvertrieb erobert den Handel

Der Direktvertrieb erobert den Handel

Das Verkaufsmodell „Direct-to-Consumer” bedeutet schlicht gesagt Direktvertrieb. Darunter versteht man den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen direkt durch den Hersteller an die Konsument*innen. Zwischenhändler und Mittelsleute, darunter Plattformen wie Amazon oder der stationäre Handel, werden mit Absicht außen vor gelassen – heißt konkret, ohne Plattformen wie Amazon und ohne stationäre Handelsstationen.

Der Vertrieb geschieht dann etwa über einen Webshop, Social-Media-Kanäle oder E-Commerce-Plattformen, womit die Customer Journey deutlich verkürzt wird. Einige Marken setzen aber nicht nur auf das D2C-Geschäftsmodell, um sich vom Handel unabhängig zu machen. Sie wollen darüber hinaus die gewonnenen Insights nutzen, um besser auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können und ihren Service zu optimieren. Die Ergebnisse der Einblicke können sie dann im Marketing verwenden.

Auch im Marketing gibt es den direkten Weg

Wer in der D2C-Welt mithalten und wachsen möchte, muss viel Zeit ins Marketing stecken. Direktmarketing adressiert eine Einzelperson, von der man sich eine Reaktion erhofft. Der Unterschied zum traditionellen Marketing ist, dass der Hersteller selbst – und nicht die entsprechenden Marktplätze – den Kundenkontakt pflegt und das in der Kommunikation verwenden kann.

Geben Kund*innen zum Beispiel einen Rabattcode ein, antwortet auf eine Feedback-Bitte oder verifiziert den Log-In im eigenen Webshop mit der E-Mail-Adresse oder Telefonnummer, weiß das Unternehmen sofort, wer wie auf die Maßnahme reagiert hat. Über individuelle E-Mails, Newsletter und Angebote kann sich die Marke direkt an die Empfänger*innen richten, um diese zu einer Reaktion zu ermutigen. Durch Direct-to-Consumer-Marketing können Brands also die direkte Interaktion zwischen Kund*innen und Unternehmen stärken und schließlich eine langfristige Kundenbeziehung aufbauen.  Damit das funktioniert, müssen Marken eigene Kanäle zu den Verbraucher*innen aufbauen.

OSK Blog - Direct-to-Consumer - Rabatte als Incentives

Direkt vs. klassisch

Hersteller haben grob zusammengefasst zwei Möglichkeiten, Produkte oder Dienstleistungen an die Kundschaft zu bringen: entweder über Zwischenhändler oder über Direktverkauf. Es gibt einige wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Strategien.

Beim traditionellen Vertrieb sind sowohl Reichweite, Personalisierung als auch die Gestaltung des Sortiments für die Brand gegenüber den Endkonsument*innen eingeschränkt. Ebenso ist der Hersteller in der Preisgestaltung teils abhängig von Dritten und der Kapitalaufwand hoch, wenn er den Vertrieb über Zwischenhändler regelt. Im Gegensatz dazu hat das Unternehmen, das Direktvertrieb betreibt, die volle Kontrolle über die Produkte und den Preis, kann unbegrenzt weit liefern, die Personalisierung eigenständig realisieren und den Kapitalaufwand geringhalten.

Die volle Kontrolle für Unternehmen

Dadurch, dass D2C-Brands auf den Zwischenhändler verzichten, vermeiden sie Preisaufschläge durch nachgelagerte Handelsstufen. So können sie Produkte günstiger als die Konkurrenz anbieten, ohne dabei auf Qualität verzichten zu müssen. Zeitgleich haben Direct-to-Consumer-Marken einen entscheidenden strategischen Vorteil – die volle Kontrolle über die Erhebung und Nutzung von First-Party-Daten. Sie bekommen uneingeschränkten Zugriff auf Daten zum Kundenverhalten und zur Markenwahrnehmung. Dadurch können Produktentwicklung, Auslieferung und Kundenbeziehung ständig optimiert werden.

Unternehmen profitieren von einer höheren Marge und die Kund*innen von einem geringeren Endpreis. Der direkte Vertrieb vermeidet außerdem, dass Produkte aus dem stationären oder virtuellen Handelsregal der Zwischenhändler fliegen, etwa zugunsten von Hausmarken.

Das Unternehmen hat den direkten Zugang zur Kundschaft sowie die volle Kontrolle über das Branderlebnis. Der D2C-Ansatz macht es zum Beispiel möglich, schnell und kurzfristig Sondereditionen auf den Markt zu bringen, besondere Rabattaktionen oder andere personalisierten Erlebnisse anzubieten, da der Hersteller nicht vom Handel abhängig ist. So können Brands emotionale Kaufgründe aufbauen. Das alles macht die Marke unverwechselbar und stärkt die Kundenbindung.

OSK Blog - Direct-to-Consumer - Immer mehr Marken wählen den Direktvertrieb

Diese Marken haben das Geschäftsmodell bereits erfolgreich umgesetzt

Der Luxushändler Threads ist ein gutes Beispiel für eine Brand, die den D2C-Ansatz erfolgreich betreibt. Das Unternehmen verkauft seine Produkte ausschließlich über die Messenger-Dienste WhatsApp und WeChat. Threads hat dadurch die Möglichkeit, eine individuelles Einkaufserlebnis anzubieten – egal, von wo aus Kund*innen die Produkte erwerben möchten. Über die Mobile-Messenger-Plattformen wird der Einkauf abgewickelt und in die ganze Welt geliefert.

Auch das Schuh-Label Allbirds hat D2C verstanden. Sogar namhafte Prominente wie Leonardo Di Caprio oder Mila Kunis wurden schon in den Schuhen gesehen. Die Marke hat von Anfang an auf das D2C-Geschäftsmodell gesetzt und es erfolgreich umsetzen können. Das amerikanische Label ist auf Instagram omnipräsent, verkauft dort sogar limitierte Editionen, die nicht im Onlineshop zur Verfügung stehen.

 
 
 
 
 
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Durch emotionales Storytelling und vielen Fragerunden bindet das Label Instagram-Nutzer*innen an sich. Über Social Media erreichen Unternehmen wie Allbirds eine loyale und engagierte Kundschaft, die sich mit der Marke beschäftigt.  So verstehen Brands ihre Zielgruppe besser und können diesen Daten-Vorteil für das Direktmarketing nutzen.

Aber nicht nur über soziale Medien können Unternehmen einen erfolgreichen D2C-Vertrieb umsetzen. Einige D2C-Unternehmen, wie zum Beispiel das Babyprodukte-Start-up Lillydoo, setzen auf Abonnements der Produkte. Dadurch kann das Unternehmen durchaus in Konkurrenz zu Produkten wie Pampers treten.

Screenshot: Lillydoo

Wie Big-Player-Brands es richtig machen, zeigen etwa die Sportmarken Nike und Adidas: Sie gründeten eigene Flagship-Stores – online sowie stationär –, womit sie Ebay und Amazon den Kampf ansagten. Schließlich bauten sie ihre eigenen Online-Absatzkanäle massiv aus.

Bild: Nike E-Commerce-App  

Aufbau eines D2C-Vertiebsweges: eine Herausforderung?

Der Markteinstieg ist dank des technischen Fortschritts und digitaler Tools praktisch für jeden möglich. Auch ohne tiefes technisches Verständnis können sämtliche benötigte Strukturen aufgebaut werden. Jeder Hersteller ist theoretisch in der Lage, einen eigenen Onlineshop aufzubauen und Produkte an die Endkonsument*innen zu verkaufen.

Insbesondere Newcomer haben den Direct-to-Consumer-Ansatz für sich entdeckt und ihre Existenz darauf aufgebaut. Sie nutzen die eigene Agilität zu ihrem Vorteil, um freier und mit weniger Einschränkungen am Markt agieren zu können. 

Doch wie sieht es mit einer Umstellung des Vertriebs aus?

Für viele klassischen Unternehmen ist es nicht so einfach, D2C intern umzusetzen. Jahrelang waren die Zwischenhändler oft die einzige Möglichkeit, die Produkte und Dienstleistungen an die Kundschaft zu bringen. Sie stellten auch einen großen Teil der Wertschöpfungskette dar.

Die Verantwortung im Vertrieb umzuschichten und eine Onlinepräsenz erfolgreich aufzubauen, ist dabei eine der größten Herausforderungen. Ohne Zwischenhändler muss die Marke mehr Kräfte mobilisieren, um gesehen zu werden. Zudem müssen der Vertrieb, das gesamte Marketing, der Kundensupport und die Logistik selbst verwaltet werden. Der Verkauf über D2C erfordert für das Unternehmen daher insgesamt mehr Zeit und Ressourcen.

Bevor man sich in den Direktvertrieb stürzt, sollte daher ein Businessplan entwickelt werden. Er verringert das Risiko, entscheidende Prozessschritte zu versäumen und Umsatzprognosen falsch einzuschätzen.  

Synergieeffekte bleiben aus

Die fehlende Einbindung von Distributoren hat Vor- und Nachteile. Zwischenhändler kennen ihre Kund*innen und sind durch die bestehende Infrastruktur in der Lage, eine breite Palette an Waren und Dienstleistungen anzubieten – kurz gesagt sind sie gut im Verkauf. D2C-Brands müssen diese Erfahrung erst einmal aufarbeiten.

Ebenso profitieren D2C-Marken nicht mehr von den Synergieeffekten aus der Zusammenarbeit mit Zwischenhändlern. Ohne die Präsenz im Supermarkt und in Kaufhäusern müssen andere Wege gefunden und aufgebaut werden, neue Kund*innen zu gewinnen.

OSK Blog - Direct-to-Consumer - Konkurrenz für den klassischen Handel?

D2C-Markt wächst – das Aus für Geschäfte und den klassischen E-Commerce?

Die Coronapandemie hat das Kaufverhalten der Verbraucher*innen verändert. Sie hat gezeigt, wie wichtig es ist, einen direkten Kundenzugang zu finden. Denn gerade in einer schwierigen Phase kann der D2C-Ansatz ein Schlüssel zum Erfolg bedeuten – besonders in Richtung Unabhängigkeit, Wachstum und Kund*innen-Vertrauen.

Daher macht es mitunter auch für traditionelle Unternehmen Sinn, aufgeschlossen gegenüber dem Geschäftsmodell der Big-Player-Brands und Newcomer zu sein. Denn trotz des höheren Aufwands kann sich das Modell unter Umständen als Wettbewerbsvorteil erweisen.

Die Frage, ob durch D2C die E-Commerce-Händler „aussterben“, ist schon länger im Umlauf. Einige Marken sind noch auf Zwischenhändler angewiesen, egal ob durch gebundene Partnerschaften oder Mangel an Personal. Zudem eignet sich das D2C-Modell nicht für alle Unternehmen. Besonders für Marken, die Produkte des Alltags – wie zum Beispiel Lebensmittel – vertreiben, rentiert sich der Ansatz nicht. Solche Produkte kaufen Menschen im Supermarkt.

D2C ist zwar nicht das Ende des Einzelhandels, dennoch sollten sich klassisch aufgestellte Unternehmen mit dem Thema beschäftigen, da es strategische Vorteile bietet und aktuell an Bedeutung gewinnt.

Weitere Artikel zu Themen aus der Digital- und Kommunikationswelt gibt es in unserer Übersicht auf der Startseite.

// Über die Autorin

Jennifer Winter ist studierte Tech-Journalistin und Kommunikations-wissenschaftlerin. Ihren Master in Technik- und Innovationskommunikation hat sie an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg absolviert. Bei OSK arbeitet Jennifer als Online- und Social-Media-Redakteurin. Sie hat sich schon immer für neue Trends und Innovationen im digitalen Bereich interessiert und schreibt darüber für den OSK Blog. Privat ist sie auf dem Fußballplatz zu Hause, verfolgt den internationalen Fußball und spielt auch selbst im Verein. 

Dieser Artikel wurde vor mehr als einem Jahr veröffentlicht. Sein Inhalt ist möglicherweise nicht mehr aktuell.