“Wenn eine Idee am Anfang nicht absurd klingt, dann gibt es keine Hoffnung für sie.”
Mit dieser Aussage wird Albert Einstein in Bezug auf sein eigenes Tätigkeitsfeld nicht unrecht gehabt haben. Universell ist sein Zitat aber eher weniger zu gebrauchen, schon gar nicht beim Thema Investment. Für die Realisierung einer verrückten Idee wird man nämlich kaum einen Geldgeber finden. Investoren zu überzeugen ist selbst mit einer guten Idee schon schwierig genug. Die Liste der Erfolglosen ist lang, der Friedhof solcher Ideen groß.
Das Problem ist wie immer das Risiko – die Waagschale jedweden Investments. Wird es genügend Käufer geben? Wird das Produkt am Ende überhaupt funktionieren? Wer kein Geld für einen Prototypen zur Verfügung hat, wird sich auch keine fundierte Marktanalyse zur Verifizierung leisten können. Kostengünstige Umfragen helfen da auch nur bedingt. Nur weil jemand angibt, an etwas interessiert zu sein, heißt das noch lange nicht, dass er letztlich auch dazu bereit ist, bares Geld zu zahlen. Ein Dilemma, dem die Schwarmfinanzierung Abhilfe schafft.
Das Prinzip der Schwarmfinanzierung
Projektideen nahezu jeglicher Art werden auf den verschiedenen Plattformen der Öffentlichkeit vorgestellt. Wer die Projekte gut findet, kann sie mit einer beliebigen Summe unterstützen, die vom Bezahldienst der jeweiligen Plattform zwischengelagert wird. Erst wenn innerhalb einer zuvor festgelegten Frist das gesamte benötigte Geld zusammenkommt, wird es an den Initiator überwiesen. Sollte das Ziel nicht erreicht werden, erhalten die Investoren ihre Beiträge zurück.
Grundsätzlich unterscheidet man bei der Schwarmfinanzierung zwischen Crowdinvesting und Crowdfunding. Beim Crowdinvesting erhält man für seinen finanziellen Beitrag Anteile am jeweiligen Projekt (in der Regel ein Start-Up). Beim Crowdfunding hingegen bekommt man durch die Unterstützung verschiedenste Rewards. Diese reichen von einfachen Danksagungen über Merchandise bis hin zur Teilnahme an realen Events. Den Möglichkeiten sind keine Grenzen gesetzt. Wie genau der Reward für die Mikro-Investoren aussieht, ist ganz und gar den Initiatoren selbst überlassen. So ist es im Bereich der Videospiele – eine stark vertretene Rubrik beim Crowdfunding – unter anderem üblich, den Unterstützern Zugang zu Beta- oder Early-Access-Versionen des Spiels zu offerieren.
Crowdfunding als Plattform
Zugegebenermaßen würde es ein wenig befremdlich wirken, wenn ein DAX-Unternehmen sich an einem Crowdfunding-Projekt zur Finanzierung seiner Forschungen versuchen würde. Für eine ganze Reihe kleinerer, gerade jüngerer Unternehmen aber stellt Crowdfunding eine durchaus attraktive Plattform dar. Im Vordergrund steht hier nämlich nicht das Unternehmen, sondern sein Produkt, oder besser noch: die Idee dahinter. Besitzt diese Idee darüber hinaus einen “positiven Charakter” – z.B. Umweltfreundlichkeit, Verbesserung der Lebensqualität etc. – zahlt sie im Umkehrschluss auf den Initiator ein, haftet ihm die eigene Charakteristik an und kommt so schließlich der Reputation des Unternehmens zugute.
Generell ist die Schwarmfinanzierung in ihrem Wesen sehr nah an der Community und verfügt dadurch über einen besonderen Mechanismus. Statt Aufmerksamkeit aggressiv zu verlangen heißt es: “Sieh dir an, was wir vorhaben, und hilf uns, wenn Du ebenfalls davon überzeugt bist, die Welt vielleicht ein kleines bisschen besser zu machen”. Es ist die Möglichkeit zum Schulterschluss mit der Community, die das Crowdfunding für Unternehmen interessant macht. Der Grundsatz des Social Web – der Dialog auf Augenhöhe – wird um eine wichtige Komponente erweitert. Crowdfunding ermöglicht nicht nur das Gespräch, sondern auch die Zusammenarbeit mit der Community. Aus dem Unternehmensprojekt wird ein Gemeinschaftsprojekt, solange die Rahmenbedingungen eingehalten werden. Das Unternehmen muss dafür vertrauenswürdig sein, das Projekt transparent, das Community Management authentisch und die Außenkommunikation durchdacht.
Crowdfunding: Zahlen und Fakten
Das amerikanische Start-Up-Unternehmen Kickstarter gilt als Vorreiter heutiger Crowdfunding-Plattformen und ist weltweit gesehen der erfolgreichste Anbieter auf diesem Gebiet. Seit der Gründung im April 2009 wurden insgesamt mehr als 66.000 Projekte erfolgreich finanziert. Die Gesamtsumme beläuft sich dabei auf über eine Milliarde US Dollar. Crowdfunding erfreut sich großer Beliebtheit und wird auch in den kommenden Jahren weiter zulegen.
Kickstarter ist jedoch nicht allein, obschon ein Löwenanteil des Gesamtbetrages auf den Marktführer entfällt. Hierzulande nämlich ist das in Dresden beheimatete Startnext der unangefochtene Spitzenreiter. Dem Crowdfunding-Monitor von fuer-gruender.de zufolge wurden 83 Prozent der erfolgreichen Funding-Projekte im deutschsprachigen Raum über Startnext abgewickelt. Zu Recht wirbt man daher bereits auf der Startseite mit den eigenen Zahlen:
Crowdinvesting in Deutschland
Dennoch darf man sich angesichts dieser Summen nicht in blinder Euphorie verlieren. Wir sprachen mit Dr. Lars Hornuf von der LMU München über Crowdinvesting in Deutschland. Er gilt als Branchenexperte und organisiert gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Lars Klöhn seit 2013 die Crowdinvesting Symposia, auf denen man sich aus wirtschaftlicher und juristischer Sicht mit diesem Thema befasst. Seiner Meinung nach scheint der Markt hierzulande mittlerweile an eine Kapazitätsgrenze zu gelangen. Deutschland sei grundsätzlich weniger aktienaffin als bspw. die U.S.A. Das Marktvolumen werde also nicht unbegrenzt expandieren, weil die Investmentbereitschaft einfach nicht so stark ausgeprägt sei wie anderswo. Crowdinvesting werde es zwar auch in Zukunft geben, einen dreistelligen Millionenbetrag auf deutschen Plattformen würden wir in den kommenden drei Jahren allerdings nicht erleben, so der Experte. Das läge aber eben nicht an der Investment-Form an sich, sondern an der allgemeinen Zurückhaltung deutscher Investoren im Bereich Risikokapital.
Seine Aussage unterstreicht: Die Prognosen stehen an sich nicht schlecht, auch wenn keine Wunder zu erwarten sind. Ähnlich sieht es aller Wahrscheinlichkeit nach beim Thema Crowdfunding aus. Durch den derzeitigen Zuwachs an Plattformen und Projekten wird die Expansion wohl einen Dämpfer erhalten. Auch wird sich das allgemeine Interesse an dieser Finanzierungsform einpendeln und die Zahlen eher stagnieren als weiterhin steigen – zumindest was den deutschsprachigen Raum betrifft. Relevanz wird das Prinzip der Schwarmfinanzierung aber auch in Zukunft haben. Für einige Branchen gilt dies ganz besonders. Gerade auf die Gaming-Industrie hat das Crowdfunding nämlich einen erheblichen Einfluss.
Das Potential der Schwarmfinanzierung
Außerdem zeigen zahlreiche Beispiele, welches Potential die Schwarmfinanzierung birgt, wenn nicht nur die Idee stimmt, sondern auch die Kommunikation mit Presse und möglichen Geldgebern professionell durchgeführt wird. Bei den Projekten auf Kickstarter hat derzeit Pebble die Spitzenposition inne. Die Smartwatch für iPhone und Android konnte dank fast 70.000 Unterstützern insgesamt mehr als zehn Million US-Dollar einsammeln.
Auch auf lokaler Ebene bietet Crowdfunding gute Chancen zur Realisierung verschiedener Projekte. In der OSK-Heimatstadt Köln finanzierte sich eine Clubbing- und Konzert-Location ihren Ausbau erfolgreich via Startnext. Außerdem gibt es gerade im karitativen Bereich auch lokale Plattformen, die trotz ihrer natürlich eingeschränkten Reichweite als durchaus effizient zu betrachten sind.
Die Relevanz einer Kommunikations-Strategie
Letzten Endes aber bleibt: Egal auf welcher Plattform, ganz gleich welche Art von Idee – ein gutes Produkt allein reicht nicht aus. Immerhin gilt es, Massen zu bewegen und von der eigenen Idee zu überzeugen, im Optimalfall sogar zu begeistern. Es erfordert ein gezieltes Community-Management und handfeste PR-Arbeit, um ein Projekt erfolgreich zu lancieren. Kriterien, die uns auch Tomas Bates von Lomography bestätigte. Die Kamerahersteller schafften es gleich zweimal, für ein Projekt auf Kickstarter die Millionenmarke zu knacken. In einem Interview, das die kommenden Tage ebenfalls auf unserem Blog erscheint, unterhielten wir uns mit ihm über ihren Erfolg und den Nutzen einer professionellen Kommunikations-Strategie.
Für eine erfolgreiche Kampagne muss von Anfang an genügend Content zur Verfügung stehen, und zwar in Form von Fotos, Videos, Texten und Geschichten. Pressekontakte müssen ebenso wie die Community aufgebaut und gepflegt werden. Es gilt die passenden Blogs und Foren ausfindig machen und sich in die sozialen Netzwerke begeben. Nur eine derart breit aufgestellte Kommunikations-Strategie verspricht Erfolg und hat einen lukrativen Nebeneffekt: Eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne erzeugt nämlich auch im Nachhinein weiterhin Buzz. Seiten und Influencer, die bereits im Vorfeld über das Projekt gesprochen haben, bleiben in der Regel am Ball und berichten nicht nur von der erfolgreichen Lancierung, sondern auch von dem, was im Anschluss passiert.
Kuriositäten der Schwarmfinanzierung
Aber zurück zu unserem Eingangszitat, denn das Internet wäre wohl kaum das Internet, wenn es nicht auch mit einer Reihe von Kuriositäten aufwarten würde. So spielen sich auf den Crowdfunding-Plattformen zuweilen auch mehr oder minder absurde Dinge ab. Ein Kartoffelsalat regierte vor geraumer Zeit sämtliche Online-Medien, weil der Initiator Zack „Danger“ Brown mehr als 55000 US-Dollar für dessen Zubereitung einsammeln konnte. Das überschüssige Kapital soll nun zu guten Zwecken verwendet werden. Das gelungene Ende einer eher seltsamen Aktion. Ob Nachzügler jedoch einen ähnlichen Erfolg zu erzielen vermögen, ist zu bezweifeln.
Bürokratische Wolken
Für Deutschland sollte man eines derzeit im Auge behalten, gerade wenn es um Investments geht: Durch den geplanten Kleinanlegerschutz ziehen möglicherweise bürokratische Wolken über dem Crowdfunding-Himmel auf. Wer mehr als 250 Euro investieren möchte, müsste laut Gesetzesentwurf ein so genanntes Vermögensanlagen-Informationsblatt persönlich unterschreiben und der jeweiligen Plattform zukommen lassen, was potentielle Supporter durchaus abschrecken könnte. Außerdem würden Projekte mit einem Finanzierungsziel von mehr als einer Million Euro unter die Prospektpflicht fallen. Das bedeutet nicht nur zusätzlichen Aufwand, sondern auch zusätzliche Kosten für die Initiatoren. Zu Recht stemmen sich die Plattformen daher gegen diesen Gesetzesentwurf. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Regulierungen am Ende tatsächlich auch Auswirkungen auf das Crowdinvesting in Deutschland haben werden oder ob diverse Klauseln die Schwarmfinanzierung von diesem Kleinanlegerschutz möglicherweise sogar befreien.
// Die OSK-Beitragsreihe zum Thema Crowdfunding
Dieser Artikel ist Teil der Beitragsreihe zum Thema Crowdfunding auf dem OSK-Blog. Für den Auftakt erläutern wir das Prinzip des Crowdfundings, geben Aufschluss über die aktuellen Zahlen und werfen einen Blick in die Zukunft. Dabei befassen wir uns außerdem mit dem Potential, das die Schwarmfinanzierung für Unternehmen bereithält. Im Anschluss folgt ein Interview mit Tomas Bates, dem Cross Channel Marketing Manager von Lomography. Die Kamerahersteller aus Wien konnten bereits zweimal für eines ihrer Projekte die Millionenmarke auf Kickstarter knacken. Wir sprachen mit ihm über die Wichtigkeit und den Nutzen einer durchdachten Kommunikationsstrategie hinter Crowdfunding-Kampagnen. In einem dritten, abschließenden Beitrag unterhalten wir uns in einem abschließenden Interview schließlich mit dem deutschen Entwicklerstudio Black Forest Games und zeigen beispielhaft, welchen Einfluss Crowdfunding auf den Markt hat und welche Vorteile sich daraus für Unternehmen ergeben.
Sie lesen gerade Teil 1: Crowdfunding: die Macht der Schwarmfinanzierung
// Über den Autor
Patrick Erbacher hat Germanistik und Geschichtswissenschaften in Würzburg studiert. Seit seinem Magister-Abschluss ist der Digital Native bei OSK im Bereich Online & Social Media tätig. Seine Liebe gilt zwei Dingen: Wintersport und Videospielen. Letztere werden auch gerne mal im Live Stream via Twitch verfolgt. Auch sonst ist Patrick up-to-date in Sachen Webtrends und Netzkultur. Er unterstützt das OSK Social Team an allen Fronten – so auch auf dem OSK-Blog. // E-Mail