Weil gutes Community Management Seitenbetreibern einiges abverlangt, ist die Versuchung groß, den Kontakt zu den eigenen Usern stiefmütterlich zu behandeln. Zu kurz gedacht – denn das enorme Potenzial von Instagram und Co für die langfristige Bindung zwischen Unternehmen und Follower bliebe ungenutzt. Wir haben die drei größten Vorurteile gegenüber dem digitalen Austausch kritisch unter die Lupe genommen.
Mal ehrlich: Wer auf Social Media unterwegs ist, möchte gemocht werden – egal ob Privatperson oder Unternehmen. Der Ausdruck „Love Brand“ kommt schließlich nicht von ungefähr. Speziell B2C-, aber immer öfter auch B2B-Unternehmen wollen ihre Abonnenten und Follower zu Quasifreunden machen, wenn auch in letztlich geschäftlicher statt altruistischer Absicht.
Eines fällt dabei immer wieder auf: Noch immer tun einige Unternehmen relativ wenig dafür, ihre Social-Media-Freundschaften zu pflegen. Sie melden sich nur, wenn sie selbst etwas wollen. Hören nicht richtig zu. Und antworten unkonkret oder gar nicht. Anders gesagt: Die Freundschaft zwischen Unternehmen und ihren digitalen Fans ist häufig ziemlich einseitig – und geht dann schnell wieder in die Brüche.
Miteinander sprechen – das Wesen von Social Media
Das Phänomen des Nichtaustausches zwischen Mensch und Marke hängt oft mit einer tiefgehenden Fehlinterpretation von Social Media zusammen. Denn im Gegensatz zur klassischen Pressemitteilung oder dem Corporate-Printmagazin bieten Social-Kanäle die einzigartige Möglichkeit, dass jeder User – ob Kunde, Stakeholder oder Mitarbeiter – auf direktem Wege mit dem eigenen Unternehmen oder seinen Markenbotschaftern in Kontakt treten kann, zum Großteil öffentlich einsehbar.
Diese Art der transparenten Kommunikation widerspricht allerdings der klassischen Sichtweise, bei der Corporate-Botschaften zwar veröffentlicht werden, die externe Bewertung dieser Botschaften von Privatpersonen aber nicht vorgesehen ist.
Community Management: digitale Freundschaftspflege
Durchdachtes Community Management löst das Spannungsfeld zwischen klassischer PR und Social Media auf. Trotzdem sind Vorurteile gegenüber Community Management nach wie vor in den Köpfen vieler Digital-Kommunikatoren verfestigt, die sie davon abhalten, den Austausch mit den eigenen Digital-Fans zu intensivieren.
Vorurteil Nr. 1: „Kritik ist schlecht!“
Konfrontation ist keine schöne Sache, vor allem nicht unter Freunden. Aber sie eröffnet Unternehmen und den Gesichtern dahinter die großartige Chance auf wertvolles Feedback zu Produkten und Services. Eine offene Rückmeldung auf eine Beschwerde oder ein Problem festigt die Bindung der User, da allein der Versuch, sich auf Augenhöhe mit Kritik konstruktiv auseinanderzusetzen, Haltung zeigt – im Vergleich zu vager Oberflächlichkeit bleibt Usern genau dieses „Rückgrat zeigen“ im Kopf.
Auch über kritisches Feedback hinaus ist es entscheidend, nicht nur mit Allgemeinplätzen wie „Danke für deinen Kommentar, wir leiten das weiter“ zu agieren, sondern individuell, konkret und inhaltlich zu antworten. Natürlich gibt es sensible Themen, zu denen man aus börsenrechtlichen, strategischen oder anderen Gründen keine Aussage treffen darf. In solchen Fällen ist es völlig in Ordnung, dies zu thematisieren – genau wie in guten Freundschaften Streitpunkte nicht totgeschwiegen, sondern offen diskutiert werden sollten.
ES WIDERT UNS AUCH AN. Da will man Twitter öffnen, klickt entsprechend, glotzt uns erneut so ein absurder Tweet an! WIR WOLLEN DAS AUCH NICHT MEHR SEHEN MÜSSEN! Das ist nicht unsere Gesellschaft. OHNE UNS! ?️??️??️?
— Otto (GmbH & Co KG) (@otto_de) February 14, 2020
Starke Haltung, klare Aussage – in diesem Fall hat OTTO das richtige Gespür für gutes Community Management bewiesen.
Gleiches gilt für negative „Fake News“ über das Unternehmen – mit aktivem Community Management behält man die Stoßrichtung einer Diskussion in der Hand. Und wenn es das eigene Image zulässt oder selbiges sogar fördert, ist ein humoristischer oder gar provokanter Angang durchaus zielführend.
Vorurteil Nr. 2: „Ich habe Angst vor Shitstorms!“
Ein falsches Wort – und der digitale Mob fällt über die eigenen Kanäle her wie ein Schwarm Heuschrecken? Dieses Corporate-Horror-Szenario ist zwar möglich, aber keinesfalls ein alltägliches Risiko. Vorausgesetzt, der Community Manager agiert mit Verstand, hat aktuelle digitale wie gesellschaftliche Ereignisse im Blick, zieht im Zweifel einen Kollegen zurate – und verhält sich am Ende wie in einer Freundschaft: Kommt es zur selbst verschuldeten Eskalation, entschuldigt man sich aufrichtig – das gilt genauso für die sozialen Medien.
In den meisten Fällen bricht der Sturm auch nicht wegen des Community Managements selbst aus, sondern durch Einflüsse, die Seitenbetreiber selten in der Hand haben. Gerade hier kann ein durchdachtes Statement dem Shitstorm die Windstärke nehmen. Ganz wichtig: nicht arrogant oder herablassend kommunizieren. Verständnis zeigen. Sich entschuldigen, sofern der Stein des Anstoßes tatsächlich Befindlichkeiten verletzt hat. Klar erkennbare Trolle nicht füttern. Und bei Verstößen gegen die Netiquette knapp, offen und begründet erklären, warum Posts gelöscht oder User gesperrt wurden. Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit sind Trumpf, das gilt bei Freundschaften ebenso wie auf den sozialen Medien.
mir wurde gerade mitgeteilt, dass der spd politiker vom plakat welches ich gerad gepostet hab, vor 3 jahren einen schlaganfall hatte und sich gerad wieder in die politik zurück kämpft. fuck! ? wusste ich nicht! riesengroßes SORRY!! ?? tweet gelöscht!! viel erfolg!! ?
— jan delay (@jan_delay) February 13, 2020
Musiker Jan Delay machts vor: Nach einem verletzenden Tweet entschuldigt er sich ausdrücklich und öffentlich – seine Follower honorieren das.
Vorurteil Nr. 3: „Community Management kostet viel Zeit!“
Klare Antwort: jein. Fragen Follower nach einem bestimmten Produktdetail, den Gästen eines Events oder kritisieren sogar den Kern der strategischen Unternehmensausrichtung, sind meistens nicht nur Recherche und die Suche nach dem passenden Wissensträger gefragt, sondern immer wieder auch smart aufgebaute Argumente. Das kostet Zeit.
Mit dem richtigen Experten – ob intern oder extern – an der Seite verringert sich der zeitliche Aufwand jedoch drastisch. Voraussetzung: ein umfassender Überblick über die Themen, Köpfe und Unternehmensstrategie, rhetorische Erfahrung und insbesondere ausreichendes Vertrauen in die eigenständige Handlungsfähigkeit des verantwortlichen Community Managers. Nur so lassen sich komplexe Freigabeprozesse auf ein Minimum reduzieren, damit möglichst unmittelbar reagiert werden kann – bestenfalls innerhalb von zwei Stunden.
Der Einsatz ist es am Ende jedoch wert: User erinnern sich an eine individuell formulierte, konstruktive Antwort und sind immer wieder überrascht, wenn ein Unternehmen überhaupt Rede und Antwort steht. Manchmal führt allein dieser Umstand zu einem Lob der Social-Media-Arbeit – und damit dazu, dass die Marke positiv im Kopf bleibt. Um im Bild zu bleiben: Sollen Freunde auch Freunde bleiben, sollte man sich auch Zeit für die Beziehungspflege nehmen.
Mut und Offenheit
Die Botschaft für gutes Community Management ist einfach: keine Angst vor Austausch! Seitenbetreiber brauchen Mut und müssen sich trauen, (pro)aktiv zu kommunizieren, auf Augenhöhe mit Followern umzugehen und Haltung zu zeigen. Das bedeutet übrigens auch, Fehler zuzugeben, statt sie totzuschweigen oder die Tatsachen zu verdrehen. Das bemerkt die Community über kurz oder lang ohnehin. Nehmen Seitenbetreiber sich diese Punkte zu Herzen, hält die so gewachsene Bindung zu den eigenen Fans sogar Shitstorms stand. Am Ende gilt eine einfache Regel: Wer sich so verhält, wie er es von Freunden erwarten würde, macht schon viel richtig.
// Über den Autor
Für Marcel Bender dreht sich alles um die Stories hinter den Marken, Menschen und Technologien der Unternehmenswelt. Bevor er 2014 als Redakteur ins Agenturleben einstieg, tauchte der Postrock-Bassist an der Uni Essen in die Frage ein, was Kommunikation eigentlich ist, wie sie funktioniert – und warum wir uns trotz ihres Hangs zum Scheitern dennoch verstehen. Für OSK textet Marcel vor allem für Social-Media- und Digital-Projekte. Auf der Rasierklinge der rasanten, digitalen Veränderungen kämpft er für mutige, kreative und authentische Corporate-Kommunikation entlang aller Kanäle. Nach Feierabend verbringt er seine Zeit gerne mit Freunden, in Youtube-Sessions und mit Dortmunder Fußball-Philosophie.