Viralität. Das ist es, was die meisten Content-Anbieter erreichen wollen, wenn sie ihr Werk ins Netz stellen. Das Ziel ist erreicht, wenn Tausende, manchmal sogar Millionen User das Video, die Bilderstrecke, den Artikel etc. ansehen und teilen. Der Inhalt verbreitet sich wie ein Virus. Längst haben Unternehmen das Potenzial erkannt, mit dem sich ihre eigenen Botschaften im Internet verbreiten lassen. Doch welche Faktoren beeinflussen, ob ein Beitrag „viral“ geht, ist noch immer schwer vorherzusagen. Wer es jedoch schafft, auf dem Portal Schlecky Silberstein zu landen, hat gute Chancen, dass sein Content zum „Viral“ wird, wenn er es nicht schon längst ist.
Angefangen habe alles mit Katzen und Alltagsimpressionen aus Russland, sagt Christian Maria Brandes. Im August 2010 gründete der gelernte Werbetexter die Seite Schlecky Silberstein (damals noch Spiegel Offline). Die Grundidee: Den bizarrsten Unfug des Internets für Leser zu sammeln, die zwischen Meeting und Telefonkonferenz einen Lacher mitnehmen wollen. „Das Internet besteht zu 90 Prozent aus Schwachsinn, der Rest sind Nachrichten, Unternehmenskommunikation und Social Media“, so Brandes. Von den 90 Prozent Schwachsinn seien 89 Prozent belanglos. „Der Rest ist in einer solchen Durchdringung Schwachsinn, dass es schon wieder spektakulär ist bzw. in den Grenzbereich Kunst tendiert.“ Das Portal versuche, dieses eine Prozent so gut wie möglich auf täglicher Basis zu präsentieren. Zielgruppe seien alle „vom Ultra-Nerd bis zu unseren Müttern.“ Deutsche Inhalte werden vor internationalem Content bevorzugt. Mit dem Konzept hat Brandes durchaus Erfolg. Nach eigenen Angaben hat Schlecky Silberstein monatlich über 2,5 Millionen Page Impressions, auf Facebook gefällt die Arbeit von Christian Brandes über 70.000 Menschen. Erst kürzlich landete Schlecky Silberstein in den Blogcharts der Blogrebellen auf Platz 4 der erfolgreichsten deutschen Blogs.
Wir haben mit Christian Brandes darüber gesprochen, wie man Trends vor allen anderen erkennt und welche Chance Unternehmen haben, viralen Content zu erzeugen. Außerdem erklärt der „Schlecky“-Mann, wie sinnvoll es für Firmen ist, auf bestehende Viral-Kampagnen aufzuspringen.
Screenshot: Schlecky Silberstein
Christian, was muss Content für Dich persönlich mitbringen, damit er dich zum Klick bewegt?
Ich muss etwas über meinen Computer prusten.
Was ist bisher Dein „All-time-Favorite“?
Wann ist ein Video eigentlich ein Viral? Oder ist das im Grunde genommen nichts anderes als „gut gemachte Werbung“?
Seit Social-Media-Buttons zum Standard unter Artikeln gehören, ist jede überraschende Werbung viral. Vor acht Jahren hat man gesagt, man könne Viralität ganz schwer voraussagen. Damals haben sich viele Leute noch witzigen Content per Mail geschickt, heute gibt es viele gute Beispiele für von langer Hand geplante virale Maßnahmen.
Woher weiß man, dass etwas viral werden könnte? Lagst Du mit Deinem Gefühl auch schon komplett daneben?
Mit der Zeit entwickelt sich ein Feeling. Zudem spenden wir für jeden humorgetriebenen Beitrag, der weniger als 15 Likes erzielt, 250 Euro an Ärzte ohne Grenzen – quasi als Sicherung. Wenn ich mein Frühstück über die Tastatur pruste, gefällt es in der Regel immer auch anderen.
Wie schafft man es, Trends als erster zu entdecken?
Wenn unterschiedliche Blogs auf unterschiedlichen Ebenen über die gleiche Sache berichten, dann riecht das schwer nach Trend. Untrüglich ist hingegen der erfolgreiche Content, wenn ich bei einem Video, einem Bild oder einem Satz irgendwas über die Tastatur pruste. Das ist leider ein Reflex. Wenn mich etwas komplett von den Socken haut, dann pruste ich. Deshalb setze ich auch grundsätzlich auf Unibody-Gehäuse bei meinen Computern. Da kann nur schwer was in die Elektronik sickern.
Screenshot: Schlecky Silberstein
Welche Quellen zapft ihr selbst an? Orientiert ihr euch an amerikanischen Seiten wie 9gag oder reddit?
Mittlerweile sind wir in der dankbaren privilegierten Situation, dass der beste Content per Mail von den Lesern kommt.
Wie misst man den Erfolg durch Viralität, und was bedeutet Erfolg in diesem Zusammenhang für ein Unternehmen? Mehr Absatz?
Als gelernter Werbetexter weiß ich von besorgten Kunden, dass es nur um die Frage geht: Wie muss meine Kampagne aufgebaut sein, damit ich hinterher nicht meinen Job verliere? In Social-Media-Deutschland geht es in der Kommunikation seit ungefähr fünf Jahren nicht mehr um den Umsatz des Unternehmens, sondern um die Jobsicherheit des armen Menschen, der das jeweilige Marketingbudget verwaltet. Werbeerfolg bemisst sich 2015 an der Frage: Können sie mich dafür feuern?
Inwiefern hat Dir Dein Job als Werbetexter die Arbeit für Schlecky Silberstein erleichtert?
Meine Ausbildung zum Werbetexter hat mir für Schlecky nie geholfen, aber das tägliche Schlecky-Training hat mich zu einem besseren Texter gemacht, weil ich jeden Tag viele kurze Texte schreibe, die niemanden langweilen dürfen.
Kann man als Unternehmen auf virale Kampagnen aufspringen? Oder ist das überwiegend peinlich?
Bislang ist das noch keinem Unternehmen gelungen, aber grundsätzlich ist alles möglich. Wenn man einem bestehenden Netzphänomen eine neue Facette abgewinnt oder aus einer überraschenden Perspektive draufschaut, dann ist wieder genug Überraschungspotenzial gegeben. Einfach Grumpy Cat in den Spot zu schmeißen ist zu wenig. Wird Grumpy Cat gegrillt und es ist Werbung für eine BBQ-Soße, dann ist das überraschend.
Der virale Spot von Edeka war beispielsweise als „Sponsored Post“ gekennzeichnet. Wonach entscheidest du, ob du ein Video von einem Unternehmen bringst?
Wenn der Spot logisch in unser Konzept passt, was bei humorvollen/skurrilen Spots mit einer starken oder ungewöhnlichen Idee meistens der Fall ist, dann gibt’s grünes Licht. Passiert circa einmal pro Quartal.
Screenshot: Schlecky Silberstein
Anfang des Jahres haben sich einige Deiner Leser in den Kommentaren zu einem Post darüber beschwert, dass nicht gekennzeichnet gewesen sei, dass der Artikel gesponsert ist. Wie geht ihr mit so etwas um? Warum habt ihr euch gegen eine Kennzeichnung entschieden?
Viele Leser gehen automatisch von bezahlter Werbung aus, sobald wir über Produkte oder gute Werbespots berichten. Im Falle von Linie Aquavit war es eine objektiv überraschende Produktgeschichte. Das ist ja der Gag: Wenn Unternehmen wirklich überraschende Ideen haben, dann muss man auch nichts dafür bezahlen, dass es viral wird. Viele Blogs suchen überraschende Storys, das kann man sich kreativ zu Eigen machen.
Wie ist das Verhältnis von organischer und bezahlter Reichweite auf dem Blog?
Alles organisch. Bislang haben wir den meisten Traffic mit eigenen Ideen, Videos, Bilderwitzen oder Aktionen generiert. Auch in sowas kann man Geld stecken, etwa mal einen Animations-Hasen bezahlen. Ich habe auch schon sehr viel Geld für After-Effects-Projekte ausgegeben. Das würde ich übrigens als absolutes Power-Tool für Traffic herausstellen. Leser teilen sehr gerne Dinge, wenn sie das Gefühl haben, sie gehören mit zu den ersten, die es registrieren. Der Effekt fällt bei „Rebloggen only“ natürlich weg. Deshalb überlegen wir uns bei aktuellen Trend-Themen, ob man nicht einen Flachwitz dazu beitragen kann.
Screenshot: Schlecky Silberstein
Bei einem erfolgreichen Blog melden sich sicher schnell Unternehmen, die mit Dir zusammenarbeiten wollen. Was hast Du für Erfahrungen gemacht? Was sind Deine „Best-“ und „Worst Cases“ der Blogger Relations?
Bei uns steht irgendwo im Impressum explizit, dass wir keine Blogger Relations suchen. Im Fall von „Supergeil“ hat uns die PR-Agentur aber so hartnäckig bedrängt, dass der Deal zu Stande gekommen ist. Die Kohle haben wir aber an Ärzte ohne Grenzen überwiesen, weil der Clip sehr gut war, und dann wäre es ja auch schade um das schöne Geld gewesen.
Können Unternehmen überhaupt virale Videos machen, die so wenig werblich sind, dass sie geteilt werden, aber dabei gleichzeitig noch Nutzen für ihr Unternehmen/ihre Marke ziehen?
Unternehmen überraschen, wenn sie etwas Bemerkenswertes tun, sagen oder senden. Meistens lese ich unter Kommentaren zu gelungenen viralen Maßnahmen Sätze wie „Das hätte ich denen jetzt gar nicht zugetraut“. Alles, was zu dieser Reaktion führt, ist gelungene Promotion.
Screenshot: Schlecky Silberstein
Welche Vorteile können Unternehmen aus Blogger Relations ziehen?
Unternehmen können bei Blogger Relations nur gewinnen. Bei den Blogs steht wiederum bei jeder Kooperation das Vertrauen der Leserschaft auf dem Spiel. Da kommt es dann ganz darauf an, mit welcher Philosophie man seinen Blog im Tagesgeschäft auflädt. Würden wir morgen Bluetooth-Speaker verlosen, dann gäbe es übermorgen Morddrohungen. Das zeugt gleichzeitig aber auch von einer gewissen, manchmal nahezu sexuellen Intimität.
Traditionelle Journalisten können sich hinter ihrem Medium oder dem Verlag verstecken. Wenn im Spiegel Mist steht, dann wird die Institution kritisiert, selten der einzelne Journalist. Aber Blogs werden meistens von einer einzigen Person betrieben. Das sorgt automatisch für eine engere Beziehung zwischen Leser und Schreiber.
Welche Tipps kannst Du anderen Bloggern im Umgang mit Unternehmen geben?
Egal, was die euch bieten, fordert das Doppelte!
Vielen Dank für Deine Zeit.
// Über “Blogbuster”
Die Vielfalt der Blogosphäre macht richtig Spaß, die Qualität vieler Blogs begeistert uns. Einmal im Monat stellen wir in “Blogbuster” einen Blog vor, das uns besonders gefällt, aus der Menge der zahlreichen coolen Webpräsenzen heraussticht oder uns bei unserer Arbeit als Agentur begegnet. Und, wann immer möglich, sprechen wir auch mit dem Kopf oder den Köpfen dahinter.
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