Immer mehr Reisende wollen es erleben, das wahre Herz einer Stadt. Doch in den großen Hotels ist das oft nur schwer möglich. Sie liegen häufig an Orten, die von den Einheimischen gemieden werden – Beispiel Berlin Alexanderplatz. Der Vermittlerdienst Airbnb bietet Reisenden daher eine Plattform, um private, individuelle Unterkünfte in Vierteln zu mieten, die näher am Pulsschlag der Region liegen. Das Ziel: einzigartige Reiseerlebnisse für jeden, abseits der ausgelatschten Touri-Pfade. Auf der anderen Seite können Einheimische ihre Wohnung anbieten, wenn sie selbst nicht zu Hause sind, und sich so den einen oder anderen Euro dazuverdienen. Immer dabei im Blick und mit ins Konzept eingebunden: die Nutzer.
Unsere Community sehen wir als Businesspartner.
Im Interview erklärt Airbnb-Sprecher Julian Trautwein, warum maßgeschneiderte Kommunikation mit dem Kunden unerlässlich ist und welche Rolle soziale Netzwerke für das Airbnb-Erfolgsrezept spielen. Denn erfolgreich ist die Idee ohne Zweifel: 2008 im Silicon Valley in San Francisco gegründet, gehört Airbnb mittlerweile zu den bekanntesten Marktplätzen für private Ferienwohnungen. Nach Angaben des Unternehmens finden Weltenbummler mithilfe des Dienstes Unterkünfte in über 34.000 Städten in mehr als 190 Ländern. Schon 26 Millionen Menschen sollen Airbnb bisher genutzt haben. Dabei ist nicht jeder von der Idee begeistert, privaten Wohnraum für Feriengäste zu vermieten. Glaubt man den Kritikern, führt die Ferien-Vermietung von Privathaushalten dazu, dass bezahlbare Wohnungen in Metropolen immer knapper werden. Doch auch die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema ist laut Julian Trautwein durchaus berechtigt und sinnvoll.
Der Kommunikationschef von Airbnb Deutschland: Julian Trautwein
OSK: Du bist Kommunikationschef im deutschsprachigen Raum bei Airbnb. Wie ist die Kommunikationsarbeit für euch als Unternehmen, das kein physisches Produkt verkauft?
Für uns ist es wichtig, unser Online-Produkt abseits des Netzes erlebbar zu machen. Wenn man sich Airbnb anschaut, ist es im Endeffekt nur eine Plattform, die zwischen Gast und Gastgeber vermittelt. Für das Airbnb-Erlebnis ist der Gastgeber verantwortlich, denn er kann den Aufenthalt eines Gastes einzigartig machen. Der Gastgeber ist also auch derjenige, der unser Produkt kommuniziert. Die Aufgabe von Airbnb ist es, Gast und Gastgeber möglichst einfach zusammenzubringen und in der Kommunikation darauf einzugehen, warum man gerade bei Airbnb übernachten sollte.
Der Bekanntheitsgrad von Airbnb ist gerade in diesem Jahr stark gewachsen. Anfangs war die Mietwohnplattform noch eine Art Geheimtipp unter webaffinen Leuten. Heute kennt man Airbnb hauptsächlich aus der Presse. Warum ist die Presse so stark an Airbnb interessiert?
Das liegt einfach daran, dass das Unternehmen wächst und immer mehr Menschen mit Airbnb reisen. Wir werden in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen. Airbnb ist kein Nischenphänomen mehr, das nur einzelne „Insider“ nutzen. Wir sind bei Zahlen angekommen, die ein starkes globales Interesse zeigen. Insgesamt sind bis jetzt schon mehr als 26 Millionen Gäste mit Airbnb verreist. Bei den angemeldeten Unterkünften haben wir gerade die Million geknackt. Und sobald man als Unternehmen mit seinem Produkt bzw. seiner Dienstleistung in der Öffentlichkeit steht und damit „Mainstream“ wird, folgt die Presse ganz schnell. Dass Airbnb in diesem Jahr so stark von der Presse thematisiert wurde, liegt also nicht daran, dass wir extrem viel Marketing oder Pressearbeit gemacht haben. Wir fangen eigentlich jetzt erst an, zielgerichtete Marketingkampagnen zu entwickeln und umzusetzen.
Das Thema „Sharing Economy“ wird kontrovers diskutiert. Steht die deutsche Medienlandschaft Airbnb eher kritisch gegenüber?
Wir sind deshalb in der Kommunikation gefragt, Aufklärungsarbeit zu leisten. Kritische Berichterstattung beruht häufig darauf, dass Leute nicht ganz verstehen, was Airbnb macht oder was uns von Anbietern von Ferienwohnungen unterscheidet.
Ich würde gar nicht sagen, dass uns die Medien allgemein kritisch gegenüber stehen, auch nicht im Vergleich zu anderen Ländern. Natürlich gibt es kritische Auseinandersetzungen und Berichterstattung, aber das ist auch gut so und das, wofür Deutschland steht und was in Deutschland Pressefreiheit bedeutet. Die Diskussion, die geführt wird, ist durchaus richtig. Wir sind sehr schnell gewachsen, und das Konzept der Sharing Economy ist ein neues Phänomen, das häufig als disruptiv verstanden wird. Klassische Gewerbe schreien auf, weil sich durch Geschäftsmodelle, die auf dem Prinzip des Teilens beruhen, viel verändert. Wir versuchen allerdings, uns von anderen Wettbewerbern aus der Sharing Economy abzugrenzen. Wir sind nicht auf Konfrontation aus, wir sehen uns als Teil der Reiseindustrie und wir wollen die Industrie gemeinsam gestalten. Das klappt ganz gut, auch wenn wir immer noch mit anderen in einen Topf geworfen werden. Wir sind deshalb in der Kommunikation gefragt, Aufklärungsarbeit zu leisten. Kritische Berichterstattung beruht häufig darauf, dass Leute nicht ganz verstehen, was Airbnb macht oder was uns von anderen Ferienwohnungs Anbietern unterscheidet.
Bei Airbnb versteht man unter “Sharing Economy” die gewinnbringende Verteilung von Ressourcen, die ohne Airbnb ungenutzt blieben
Was versteht Airbnb denn unter dem Begriff „Sharing Economy“, und welchen gesellschaftlichen Beitrag leisten solche Angebote aus deiner Sicht?
Bei Sharing Economy kommt es darauf an, Ressourcen besser zu verteilen. Der Zugang ist dabei wichtiger als der Besitz. Warum soll ich meine Wohnung nicht vermieten, wenn ich längere Zeit weg bin? Wieso sollten Zimmer leer stehen, wenn sie auch genutzt werden können? Ich denke, wir brauchen noch länger, bis diese Idee überall verstanden ist. Für uns sind drei Einflüsse ganz wichtig, die wir auf die Städte haben: wirtschaftliche, ökologische und soziale. Der wirtschaftliche Vorteil ist zum einen natürlich, dass wir eine Reihe an Mikro-Entrepreneuren erschaffen. Der Großteil unserer Gastgeber ist in kreativen Jobs unterwegs. Es sind häufig Selbstständige, Künstler oder Mitarbeiter in Agenturen, die sich einfach etwas dazuverdienen wollen. Wer über Airbnb eine Stadt besucht, reist in der Regel nicht in die klassischen Hotelzentren des Urlaubsziels. Die Gastgeber können den Gästen ganz andere Tipps geben. Gäste lernen so die verschiedenen Nachbarschaften kennen und geben dort ihr Geld aus. Die lokale Wirtschaft profitiert davon, wenn Geld in die Hand von Privatpersonen und nicht nur in große Betriebe fließt. Es ist natürlich auch viel nachhaltiger, auf diese Art zu reisen. In Hotels läuft die Küche Tag und Nacht, die Lobby ist beleuchtet, und jeden Tag werden die Betten neu gemacht. Das ist toll und ein Luxus, den man gerne genießt. Aber in Sachen Nachhaltigkeit nicht besonders durchdacht. Der dritte und der wichtigste Teil ist meiner Meinung nach der soziale Aspekt. Es gibt die Airbnb-Katastrophenhilfe, die wir leider schon 14-mal aktivieren mussten. Das erste Mal bei Hurricane Sandy in New York. Wir haben die Gebühren für Übernachtungen von der Plattform genommen, sodass Gastgeber kostenlos Menschen aufnehmen konnten, die ihr Zuhause verloren haben. Da sehen wir einfach, dass die Plattform extrem schnell und gut Menschen vernetzen und helfen kann. Das ist natürlich ein extremes Beispiel, aber im Grunde genommen findet der Soziale Aspekt jede Nacht statt, wenn sich zwei Unbekannte das erste mal begegnen und hoffentlich nach der Reise als Freunde auseinander gehen.
Lass uns über die Kanäle sprechen, die ihr einsetzt. Airbnb ist auf fast jeder Plattform aktiv. Was sind die bevorzugten Kommunikationskanäle von Airbnb und warum?
Das ist eine gute Frage. Es gibt verschiedene Anwendungsfälle für unterschiedliche Kanäle. Plattformen wie Facebook und Twitter eignen sich sehr gut, um sich mit der Community auszutauschen. An sich würde ich sagen, dass es sehr inhalts- und kampagnenbezogen ist, welche Kanäle genutzt werden. Bei Airbnb haben wir jeden Kanal schon einmal für eine Kampagne einzeln bespielt. Das machen viele Marken aus meiner Sicht noch nicht ganz richtig. Sie bespielen alle ihre Kanäle mit dem gleichen, generischen Inhalt. Damit wird man keine großen Emotionen erzeugen können. Wir stellen uns immer die Frage: Zu welchem Kanal könnte dieser Inhalt passen und wie kann man ihn interessant für die jeweilige Nutzergruppe gestalten? Das ist aber auch ein Lernprozess. Manche Themen funktionieren z. B. viel besser auf Instagram. Da haben wir vielleicht keine ganz so hohe Reichweite wie auf Facebook, aber vielleicht erzeugt der Inhalt auf Instagram viel mehr Interaktion.
Wie wichtig ist Facebook für Airbnb? Würdet ihr weniger Buchungen erhalten, wenn ihr nicht mehr auf Facebook präsent wärt?
Das ist schwer zu sagen. Wir sind ein globales Unternehmen, und es gibt nach wie vor keine Plattform, die weltweit so viele Menschen erreicht wie Facebook. Das kann sich ändern, aber momentan macht es Sinn, auf der Plattform präsent zu sein, um unsere Nutzer in 190 Ländern zu erreichen.
Mit Airbnb wollt ihr ein weltweites Gefühl der Zugehörigkeit schaffen. Gilt das auch für das Netz? Wie stark könnt ihr Follower und Fans einbeziehen – beispielsweise für Geschichten und Kampagnen?
Das werden wir in Zukunft immer stärker machen, weil wir gemerkt haben, wie viele starke Geschichten in der Community stecken. Als wir dieses Jahr unseren großen Marken-Relaunch hatten, haben wir die Seite Create Airbnb ins Leben gerufen. Dort können Nutzer ihr persönliches Airbnb-Logo erstellen und ihre eigene Markengeschichte erzählen. Wir haben den Relaunch zusammen mit unseren Nutzern gestaltet, noch bevor wir das Thema an die Presse kommuniziert haben. Brian, unser Geschäftsführer, hat eine einleitende Rede gehalten, die nur für unsere Community zugänglich war. Wir sehen unsere Gastgeber als Businesspartner, denn wir können uns nur durch das Feedback von Gästen und Gastgebern weiterentwickeln. Es gibt auch die Seite Airbnb Stories, auf der Leute ihre Geschichten teilen können, die bei Airbnb passieren. Jeden Tag kommen 3.000 Airbnbs weltweit dazu und damit auch Tausende von individuellen Geschichten.
Stammt die Geschichte, die Grundlage für die Content-Kampagne zum Mauerfall-Jubiläum war, auch von euren Nutzern?
Ja! Wir haben unsere Berliner Community angeschrieben und gefragt, wer den Mauerfall damals selbst erlebt hat, und das Ganze über die Presse aktiviert. Dann haben wir eine Wish List erstellt, wo man einen Aufenthalt bei einem Gastgeber buchen konnte, der den Mauerfall erlebt hat (Anm. d. R.: Eine Wish List ist eine vom Airbnb-User erstellte Seite, auf der man besondere Inserate ablegen und speichern kann). Das ist was, wo wir auf die Community setzen. Die Kampagne selbst erzählt die wahre Geschichte von zwei ehemaligen Grenzwächtern auf der Ost- und Westseite der Mauer, die sich zufällig durch Airbnb kennen gelernt haben.
War die Kampagne erfolgreich? Wie messt ihr den Erfolg?
Das kommt auf den Inhalt an, das ist immer unterschiedlich. Wir haben unsere internen Leistungskennzahlen, die wir mit einer bestimmten Kampagne erreichen wollen. Manche zielen auf Aufmerksamkeit ab, bei anderen geht es um die Positionierung in einem ganz bestimmten Segment. Wir wollen niemals diejenigen sein, die eine „plumpe“ Anzeige schalten.
Bei euren Kampagnen setzt ihr stark auf Bewegtbild und persönliche Geschichten. Arbeitet ihr auch mit YouTubern oder Vimeo-Filmemachern und Bloggern zusammen?
Wir haben bereits mit unterschiedlichen Bloggern zusammengearbeitet. Meistens ist das für beide Seiten eine schöne Situation, weil wir tolle Unterkünfte haben, die wir Bloggern zur Verfügung stellen können. Das ist sehr spannend, weil wir von emotionalen Bildern leben. Dadurch kann ein Produkt wie Reisen greifbarer gemacht werden.
Welche Erfahrungswerte konntest du daraus ziehen? Was macht eine erfolgreiche Kooperation mit Influencern aus?
Ich glaube, wir suchen uns die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, sehr gut aus. Der Brand fit ist dabei viel wichtiger als Reichweite, so können wir besser einen Schneeballeffekt erreichen. Uns bringt es nicht viel, wenn ein YouTube-Star Millionen Follower hat, aber seine Community nicht wirklich an unserem Produkt interessiert ist.
Das vierteljährlich erscheinende Printmagazin stellt einzelne Menschen und ihre Geschichten aus der Online-Community vor. Airbnb möchte damit die Produkte des Online-Bettvermittlers auch für Communities außerhalb des Netzes erlebbar machen.
Seit Kurzem bringt Airbnb sein eigenes Print-Produkt auf den Markt: das Magazin Pineapple. Wieso setzt Airbnb dabei auf Print? Müsste es entsprechend der DNA der Mietwohnplattform nicht etwas Digitales sein?
Pineapple ist von der Auflage nicht vergleichbar mit einem riesengroßen Printprodukt. Wir haben erst mal eine kleine Auflage von 20.000 Stück produziert, die vor allem für die Gastgeber gedacht ist. Wir haben die Geschichten, die wir online bekommen, in einem Offline-Produkt zusammengefasst und sie dadurch auch offline erlebbar gemacht. Airbnb funktioniert ja ähnlich: Wir sind zwar ein reines Online-Business, aber das Produkt findet überwiegend außerhalb des Internets statt. Jede Ausgabe von Pineapple stellt drei Städte vor. Im ersten Heft sind das London, San Francisco und Seoul, in denen wir Menschen aus der jeweiligen Community und ihre Geschichten vorstellen und Insider-Tipps für die einzelnen Städte geben. Das ist natürlich auch für Leute außerhalb der Community interessant. Deshalb gibt es das Magazin auch in ausgewählten Buchläden zu kaufen. Ich weiß noch nicht, wo die Reise mit Pineapple hingeht, aber ich hoffe, dass wir noch viele weitere Ausgaben herausbringen.