Die alten Werbeformen sind tot, lang lebe das Influencer Marketing! So oder so ähnlich wird der Begriff aktuell gehyped. Vollkommen verständlich, denn das Potenzial ist groß, und noch nie war es einfacher als in der heutigen Zeit, Menschen zu erreichen und sie somit potenziell für sich und die eigenen Inhalte zu begeistern. Doch lohnt sich Influencer Marketing für Unternehmen wirklich? Was gilt es zu beachten und wie definiert man Erfolg? OSK-Gastautor Philipp Steuer versucht, diese Fragen zu beantworten.
Philipp Steuer ist selbst erfahrener YouTuber. Screenshot: Philipp Steuer/YouTube
Personen mit einer hohen Reichweite in den sozialen Netzwerken werden Social Influencer genannt, da sie einen gewissen Einfluss auf die Leute haben, die ihnen folgen. Was damals die Backstreet Boys waren, sind heute Menschen mit lustig anmutenden Namen wie Dagi Bee oder PewDiePie. Letzterer wurde erst kürzlich von Forbes als reichster YouTuber geehrt. Schlappe 12 Millionen US-Dollar hat er allein im Jahr 2014 eingenommen. Beeindruckend, oder?
Ich selbst sehe jetzt nicht überdurchschnittlich gut aus, kann mich auch nicht schminken, und über meinen Humor lässt sich ebenfalls streiten. Dennoch konnte ich in den vergangenen vier Jahren mehr als 180.000 Menschen für meine Inhalte begeistern. Auf der einen Seite eher jüngere Personen auf YouTube, auf der anderen Erwachsene auf Twitter, die Artikel wie diesen hier zu lesen. Mit steigender Reichweite wird man als Influencer auch interessanter für Unternehmen, die ihre Produkte und Werbebotschaften auf den jeweiligen Kanälen platzieren möchten.
Zielgruppe definieren
Bevor ein Unternehmen auch nur einen einzigen Cent in Influencer Marketing investiert, sollte es sich unbedingt Gedanken über die eigene Zielgruppe machen, die es mit dieser Art Werbung ansprechen möchte. Auch wenn das banal klingt, ich habe schon einige Unternehmen gesehen, die kofferweise Geld verbrannt haben, indem sie Unsummen an Influencer mit Millionenreichweite gezahlt haben, die Werbung aber bei den vollkommen falschen Menschen ankam.
Nehmen wir Dachziegel als Beispiel. Mein Vater ist Dachdeckermeister, und angenommen, er würde jetzt gerne besonders schöne Schiefersteine bewerben wollen, dann wäre es Quatsch, Geld für die Follower des Mode- und Kosmetikkanals „Bibis Beauty Palace“ zu bezahlen. Es dürfte jedem klar sein, dass das definitiv die falsche Zielgruppe wäre. Deshalb sollten Publisher unbedingt VOR der Kampagne herausfinden, welche Zielgruppe die jeweiligen Influencer mit ihren Inhalten erreichen. Nur wenn sich diese Zielgruppe mit dem des Unternehmens überschneidet, lohnt sich Influencer Marketing.
Screenshot: PewDiePie/YouTube
Influencer finden
So wunderschön einfach sich Influencer Marketing anhören mag, so schwierig ist es am Ende, die passende Person für die eigenen Produkte/Kampagnen zu finden. Nur eine umfangreiche Recherche bewahrt die jeweilige Marke davor, unnötig Geld im Rhein zu versenken.
Ich empfehle hierbei direkt auf dem jeweiligen Netzwerk nach den Influencern zu suchen. Auf Instagram kann man sich etwa mit wenigen Klicks die Top-Beitragenden bestimmter Hashtags ansehen, um so die passenden Personen herauszufiltern. Ebenso gibt es bereits einige Artikel, die sich mit den Top-Influencern in der jeweiligen Branche beschäftigen. Diese kann man ebenfalls zur Inspiration nutzen. Durch eine solch gezielte Recherche erhält man automatisch auch einen direkten Eindruck, ob der entsprechende Influencer wirklich zu der eigenen Marke oder Kampagne passen könnte.
Interaktion überprüfen
Nehmen wir an, die gewünschte Zielgruppe wurde definiert und das Unternehmen hat den dazu bestmöglich passenden Influencer gefunden. Dann sollte man unbedingt noch vor dem Start die Interaktionsrate der jeweiligen Personen überprüfen. Ein YouTuber mit 90.000 Abonnenten, von denen aber nur noch 1.000 wirklich aktiv sind, bringt dem Unternehmen überhaupt nichts. Im Gegenteil: Manche Influencer-Agenturen rechnen nach der Anzahl der Subscriber/Follower ab, wodurch man in diesem Fall eine Menge Geld für nichts und wieder nichts verbrennen würde.
Deshalb sollten Publisher einen besonders kritischen Blick darauf haben, wie viele User im Vergleich zur Gesamtanzahl der Follower mit dem Influencer interagieren. Ebenso darauf, wie viele davon seine Bilder auf Instagram kommentieren oder wie häufig die Beiträge auf Facebook geliked werden. So kann man sehr schnell herausfinden, ob es sich bei den Zahlen um einen „gesunden“ Influencer oder aber um einen Faker handelt, der sich seine Follower auf Ebay gekauft hat. Ja, solche Personen gibt es wirklich.
Die Sache mit dem Geld
Über den Influencer ist nun alles bekannt, sämtliche Werte wie die Interaktion stimmen, und das Unternehmen ist mit ihm in Kontakt? Super. Doch kommen wir nun zu einem Knackpunkt. Je größer die Reichweite der Person, desto eher wird sie Geld für die Werbung verlangen wollen. Schließlich muss man auch für Werbung auf prominent platzierten Plakatwänden oder Litfaßsäulen ordentlich zahlen.
Der Preis kann hierbei jedoch schnell utopische Dimensionen erreichen. YouTube dient als gutes Beispiel: Hier muss man rund 80 Euro pro 1.000 Views bezahlen, um das eigene Produkt in den Vordergrund des Videos eines beliebigen Künstlers zu rücken. Bei einem großen Beautykanal mit durchschnittlich 500.000 Views ist man so schon bereits 40.000 Euro los. Für ein einziges Video, wohlgemerkt. Auf Instagram sind es bis zu 10 Euro pro 1.000 Follower, also kostet ein Bild auf dem Account eines weiblichen Models mit einer digitalen Gefolgschaft von 800.000 Personen immerhin 8.000 Euro. Ja, es ist günstiger. Aber: Auf Instagram sind externe Links nur in der Biografie möglich, sonst nicht. Das macht es deutlich schwieriger, die Zielgruppe z.B. auf eine extra angelegte Aktionsseite zu leiten.
Was deutlich wird: Influencer Marketing ist alles andere als günstig. Ich empfehle hier, vor allem kleinere und mittelgroße Influencer anzusprechen und ihnen die Produkte gratis zur Verfügung zu stellen. Bei diesen Reichweiten ist die Bereitschaft, „Gratiswerbung“ zu machen, deutlich höher als bei den großen Influencern, die wiederum alle bereits ein eigenes Management haben, das ebenfalls die Hand aufhalten wird.
Screenshot: Dagi Bee/YouTube
Kommunikation & Transparenz
Wichtig für erfolgreiches Influencer Marketing ist außerdem eine effektive Kommunikation. Einige der Influencer ohne Management sind noch unerfahren, was die Abwicklung von Werbedeals angeht. Hierbei ist es wichtig, im Vorfeld alle relevanten Kampagnenpunkte mit ihnen abzusprechen, sodass beide Seiten vor dem Start wissen, was der jeweils andere Partner erwartet.
Ebenso entscheidend ist Transparenz. Die bezahlten Beiträge der Influencer sollten deshalb auch deutlich und sichtbar als solche gekennzeichnet werden. Versteckte Werbung kann im schlimmsten Fall rufschädigend und als Schleichwerbung sogar strafbar sein. Die Landesmedienanstalten haben dazu diesen Leitfaden veröffentlicht, den ich zu einer besseren Orientierung hinsichtlich „Was darf man?“ empfehle.
Ein Beispiel für die Zusammenarbeit von Influencern und Unternehmen: YouTuberin Bianca Heinicke hat für ein neues Modell mit Sony kooperiert. Screenshot: Telekom
Ziele definieren & Auswertung
Ebenfalls erfolgsentscheidend ist es, genaue Ziele zu definieren. Letztendlich kann man durch eine Influencer-Kampagne alles pushen. Die einen möchten mehr Follower auf Instagram, dann lohnt es sich, unterhalb der gesponserten Influencer-Bilder in der Beschreibung das gewünschte Unternehmensprofil zu verlinken. Andere wollen mehr Besucher auf einer bestimmten Seite, sodass hierbei definitiv ein Link eingebunden werden muss. Auch die Verwendung von bezahlten Hashtags ist möglich. Deshalb ist es unbedingt wichtig, sich vorher Gedanken zu machen, was man genau erreichen möchte. Ein späteres Nachjustieren hat sich in der Praxis immer als schwierig erwiesen.
Nach der Influencer-Kampagne empfehle ich, die gesammelten Zahlen auszuwerten und die Ergebnisse den Kosten gegenüberzustellen. Nur ein paar der Fragen, die sich jeder beantworten sollte: Wurden die Ziele erreicht? Wieviel hat man ausgegeben? Wieviele Follower/Interaktionen hat man bekommen? Gab es Probleme? Besteht Verbesserungsbedarf? Die Antworten helfen dabei, die Kampagne objektiv zu bewerten und aus möglichen Fehlern zu lernen.
Beispiel für gutes Influencer Marketing
Ein tolles Beispiel für gutes Influencer Marketing ist die nachfolgende Kampagne:
Dan Fleyshman ist der Co-Founder von Uwheels, einem Unternehmen, das self-balacing Scooter herstellt. Um das Produkt möglichst reichweitenstark zu vermarkten, setzten sie voll und ganz auf Influencer Marketing und gaben dabei rund 60.000 US-Dollar aus. Das Resultat: Über eine Million US-Dollar Umsatz. Wie? Ganz einfach:
Dans Freundin, Jessica Killings, konnte einige bekannte Musiker, Sportler und Models auf Instagram dazu bringen, das Uwheel zu promoten. Sie wählte dabei möglichst zum Produkt passende Personen aus, das heißt Menschen, die sich einen solchen Scooter auch im echten Leben kaufen würden, schließlich sollte es glaubhaft sein. Dabei handelte sie individuelle Deals aus. In manchen Fällen schickte sie den Influencern einfach nur das Produkt zu, die im Gegenzug ein Foto/Video von dem Uwheel auf ihrem Instagram-Kanal posteten. Bei reichweitenstarken Personen floss zusätzlich Geld.
Screensht: UWheels/Instagam
Alles in allem hat sich die Kampagne und das Investment von 60.000 US-Dollar mehr als deutlich gelohnt. Die Instagram-Seite von Uwheels hat mittlerweile mehr als 223.000 Abonnenten, und unter dem #uwheels finden sich 36.618 Beiträge, anhand derer man sehr gut die angepeilte Zielgruppe sehen kann.
Entscheidend für den Erfolg war die Betreuung der Kampagne durch Dans Freundin, die dauerhaft die Strippen zog und so sichergehen konnte, dass die angesprochene Zielgruppe in die richtigen Bahnen, bzw. in diesem konkreten Fall, auf die Website und zum Shop gelangte. Mit kleineren Aktionen und viel Interaktion unter den Uwheels-Beiträgen hat sie es geschafft, die Community auch nach dem großen Launch weiter an sich und die Marke zu binden. Ein echtes Musterbeispiel für gutes Influencer Marketing also.
Fazit
Dank Influencer Marketing lässt sich sehr schnell eine große Masse an Menschen erreichen und ein Produkt in ihren Köpfen platzieren. Allgemein sollten Marken dabei unbedingt darauf achten, das richtige Netzwerk und den passenden Influencer für die relevante Zielgruppe auszuwählen. Ebenso ist eine authentische Integration des Produktes wichtig, das heißt es muss zu der jeweiligen Person auch passen. Sofern kein großer Topf voll Gold zur Verfügung steht, sollten Unternehmen vor allem zu Beginn versuchen, eher kleinere und mittlere Influencer für ihre Ziele zu gewinnen. Diese sind noch flexibel und dadurch eher bereit, auch etwas ohne Geld zu promoten. Mit etwas Geduld und dem richtigen Community Management steht der erfolgreichen Influencer-Kampagne nichts mehr im Wege.
// Über den Autor
Philipp Steuer liebt gutes Social Media und ist beruflich als Berater, Keynote-Speaker und Autor tätig. Der studierte Online-Redakteur doziert an der TH Köln das Fach Storytelling. Seine Steckenpferde sind YouTube und Snapchat, mehr als 175.000 Follower verfolgen täglich seine Videos, Geschichten und Blogartikel. Auf dem OSK-Blog beschäftigt Philipp sich passend dazu mit den Themen Social Media, YouTube und Digitale Trends.
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